Jahrestagung 2023: Generationendialog zur städtischen Transformation

22. Juni 2023, 11:00 bis 15:30 Uhr // ufaFabrik Berlin und online

Der Wandel, der unseren Städten und Gemeinden bedingt durch Themen wie Dekarbonisierung, Umgestaltung der Innenstädte oder bedarfsgerechtes Wohnen bevorsteht, kann nur als Gemeinschaftsaufgabe der Generationen bewältigt werden. Darin waren sich die Teilnehmenden der Jahrestagung des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. (DV) einig, die unter dem Motto „Generationendialoge zur städtischen Transformation“ am 22. Juni 2023 in der ufaFabrik in Berlin stattfand. Dafür müssen Jüngeren der Generationen Y und Z und die bald aus dem Berufsleben ausscheidenden „Babyboomer“ und Entscheidungsträger:innen noch mehr miteinander ins Gespräch kommen und zusammenwirken. Die Jahrestagung bildete den Auftakt für einen solchen Generationendialog, den der Verband künftig in regelmäßigen Sitzungen führen möchte. Taktgeber:innen sollen dabei junge engagierte Mitglieder und Partner:innen des DV sein.

Generationendialog unverzichtbarer Teil des gesellschaftlichen Austauschs

„Am Lebensalter kann man heutzutage die Quadratmeterzahl des Wohnraums ablesen. Da hapert es derzeit mit der Generationengerechtigkeit. Auch mit Blick auf die Innenstadt gilt es, die ideelle Rendite, die unter anderem durch Kunst, Kultur und junge Stadtmacher:innen mobilisiert wird, mehr wertzuschätzen. Da brauchen wir neue Allianzen und müssen in ein Gespräch der Generationen kommen“, sagte Michael Groschek, Staatsminister a. D. und Präsident des DV.  Annett Jura, Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, machte deutlich: „Unsere ganze Gesellschaft ist ein Mehrgenerationenhaus. Wir brauchen ein tragfähiges Maß an gemeinsamen Zielen und Werten, gleichzeitig müssen wir kontroverse Debatten zulassen.“ Um dies voranzubringen fördere ihr Haus unter anderem die Urbane Liga, ein Netzwerk junger Stadtmacher:innen, und beziehe deren Positionen in Entscheidungsfindungsprozesse ein.

Soziale Dimension beachten und Recht auf Fehler zugestehen

Was kann Beteiligung für Stadtentwicklungsprozesse bewirken und gibt es Unterschiede, wie die Generationen an solche Prozesse herangehen? Ullrich Sierau, Ex-Oberbürgermeister von Dortmund, hob den erfolgreichen Stadtumbau von Dortmund im Zuge des Strukturwandels hervor, für den ein langer Atem notwendig gewesen war, und sagte: „Wenn ich die soziale Dimension in Transformationsprozessen nicht berücksichtige, kriege ich eine gespaltene Gesellschaft.“ Den jungen Menschen müsse man das Recht zugestehen, eigene Fehler zu machen und darauf, ernst genommen zu werden. Im anschließenden Gespräch zur Einbindung der jungen Generation in Stadtentwicklungsprozesse zwischen Sierau, dem jungen Bürgermeister der Stadt Bad Soden-Salmünster, Dominik Brasch, Julia Klink vom Alumni-Netzwerk der Urbanen Liga und Dietmar Horn, Abteilungsleiter im Bundesbauministerium, stellte sich heraus: Viele jüngere Menschen setzen verstärkt auf Netzwerke und räumen der Mitgestaltung bzw. Koproduktion im Sinne der Neuen Leipzig-Charta einen höheren Stellenwert ein. Julia Klink machte aber gleichzeitig deutlich, dass die Einbindung junger Menschen, gerade wenn sie selbständig sind, stets auch entsprechend wertgeschätzt und vergütet werden müsse.

(Innen-)Stadt braucht Freiräume

Michael Groschek, Staatsminister a. D. und Präsident des DV, verwies auf der Jahrestagung auf die historische Rolle von Städten als Orte der Begegnung. Für den Erhalt der „ideellen Rendite“ jenseits von Konsummöglichkeiten brauche es neue Allianzen und die Möglichkeit, Menschen mit frischen Ideen mitmachen zu lassen. Die praktische Umsetzung dieses Anspruchs in den Innenstädten diskutierten Doreen Mohaupt, Fachbereichsleiterin Stadtentwicklung der Stadt Cottbus, und Sunim Kim vom Meffis e. V. in Aachen. Der Austausch verdeutlichte, wie sehr das lokale Umfeld profitiert, wenn jungen Menschen im Rahmen gegenseitiger Wertschätzung und einer unterstützenden Verwaltung die notwendigen Freiräume und die Möglichkeit der Mitgestaltung gewährt werden.

Die Wohnungsfrage – ein Generationenkonflikt?

Während ältere Menschen im Schnitt auf großer Wohnfläche leben, fehlt heute vielen jüngeren Menschen und Familien geeigneter bzw. ausreichender Wohnraum. In der öffentlichen Debatte wird die Wohnraumfrage deshalb oft auf einen Verteilungskonflikt zwischen den Generationen heruntergebrochen. Das greift zu kurz, liegt doch die ungleiche Wohnflächeninanspruchnahme auch in gewissen Rahmenbedingungen begründet, die beispielsweise für Senioren-Mieter, die auf großer Fläche leben, den Umzug in eine kleinere Wohnung finanziell unattraktiv machen, da sie dafür mehr zahlen müssten. Folglich verschleiert der Fokus auf einen vermeintlichen Generationskonflikt andere Herausforderungen, allen voran die Schaffung von neuem Wohnraum und den nachhaltigen Umbau des Bestands. Wie dies in der Praxis sozial, ökologisch und wirtschaftlich gelingen kann, diskutierten Gregor Steiger vom Kompetenzcenter Nachhaltigkeitsmanagement der Nassauischen Heimstätte, Julian Zwicker von der „Häuser Bewegen GIMA Berlin-Brandenburg eG“ sowie Dr. Robert Winterhager von der „Montag Stiftung Urbane Räume“. Neben den Herausforderungen einer am Gemeinwohl orientierten Wohnraumversorgung offenbarte der Austausch auch die Chancen eines Miteinanders der Generationen im Rahmen solidarischer Strukturen, in denen sich strittige Fragen gemeinsam lösen lassen. Im Abschlusspodium diskutierten Abgeordnete der verschiedenen Bundestagsfraktionen Mitwirkungsmöglichkeiten junger Politiker:innen und innerparteiliche Generationenkonflikte.

DV als Plattform des Generationendialogs

Die Jahrestagung des DV zeigte, dass wir alle Generationen brauchen, um die Transformationsaufgaben in unseren Städten zu bewältigen und gab Impulse, wie dies gelingen kann. Hierbei sollten Dialog und Beteiligung keine einmaligen Ereignisse sein, sondern fortlaufende Prozesse. Folgerichtig wird der DV mit dem Start des neuen Formats „Generationendialog“ jungen Stadtmacher:innen und etablierten Wissensträger:innen eine Plattform bieten, um die Fragen rund um die Transformationsaufgaben in unseren Städten gemeinsam und mit ganzheitlichem Blick weiter zu erörtern.

Unsere Jahrestagung steckte in verschiedenen Generationendialogen erste Themencluster ab. Bald soll die konstituierende Sitzung des neuen Formats für jüngere Generationen stattfinden.

Das Programm der Jahrestagung finden Sie hier.

Fotos der Jahrestagung 2023

Bildnachweise von links oben nach rechts unten:
© Kathrin Heller, Offenblende