Stärkung einer gemeinwohlorientierten Wohnungspolitik

Jahrestagung 2017 des Deutschen Verbandes am 23. Juni 2017 in Berlin

Stärkung einer gemeinwohlorientierten Wohnungspolitik. Instrumente zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum

In zahlreichen deutschen Wachstumsregionen ist bezahlbarer Wohnraum inzwischen nicht nur für einkommensschwächere, sondern auch für mittlere Haushaltseinkommen knapp. Dies führt dazu, dass die Wohnungspolitik auf der politischen Agenda wieder weiter nach oben gerückt ist. Mit dem Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen hat die Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode einiges zur Entspannung der Wohnungsmärkte auf den Weg gebracht. Durch verbesserte Rahmenbedingungen soll der Markt nun wieder mehr Wohnungsneubau zu geringeren Kosten schaffen. Die Verdreifachung der Kompensationsmittel des Bundes für die soziale Wohnraumförderung der Länder hat zudem einen wichtigen Impuls für den geförderten Wohnungsbau gegeben. Allerdings entstehen wegen der weiterhin hohen Grundstücks- und Baukosten ohne erhebliche Förderung neue Wohnungen vorwiegend im höherpreisigen Segment. Bestehender preiswerter Wohnraum geht wegen auslaufenden Sozialbindungen weiter verloren. Wenn die regionalen Märkte ins Ungleichgewicht geraten, dann sprechen die einen von Marktversagen und die anderen von Staatsversagen.

Wieviel Steuerung braucht der Markt?

Daher wurde auf der Jahrestagung des Deutschen Verbandes am 23. Juni 2017 in Berlin kontrovers diskutiert, inwieweit eine stärker gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik notwendig ist. Zentral waren zwei Fragen: Reicht das bestehende Instrumentarium aus, um langfristig in Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen oder sind angesichts der Erfahrungen der letzten zehn Jahre nach der Föderalismusreform zusätzliche Instrumente, wie mehr soziale Wohnraumförderung oder gar eine neue Wohngemeinnützigkeit notwendig?

Dr. Jürgen Heyer, Präsident des Deutschen Verbandes, warnte in seiner Einführung vor dem Auslaufen der Bundesförderung nach 2019 und verwies auf die zahlreichen Aktivitäten seines Verbandes dazu. Die meisten Länder seien schon jetzt nicht in der Lage, ausreichend geförderten Wohnungsbau zu schaffen. Mit der Schuldenbremse ab 2020 werde sich dies noch verschärfen. Daher müsse sich der Bund auch über die nächste Legislaturperiode hinaus wieder verstärkt engagieren, etwa mit einer Gemeinschaftsaufgabe oder wie bei der Städtebauförderung. Schließlich sei eine stärker gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik entscheidend für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unseren Städten, so Heyer.

Auch der Parlamentarische Staatssekretär Florian Pronold betonte in seiner Eröffnungsrede, dass für die Wohnungspolitik eine Langfristperspektive notwendig sei. Der nicht-profitorientierte Sektor müsse weiter gestärkt werden, was allerdings ohne private Investitionen nicht möglich sei. Auch die Kommunen bräuchten ein ausreichendes Handlungsrepertoire, um genügend Bauland für bezahlbares Wohnen vorzuhalten. Wichtige Instrumente einer kommunalen Baulandpolitik hat der DV jüngst gemeinsam mit dem BMUB im Rahmen der AG „Aktive Liegenschaftspolitik“ des Bündnisses in einer Publikation vorgestellt. Die aktuelle Diskussion um eine neue Gemeinnützigkeit könne dazu führen, das Thema bezahlbarer Wohnraum schneller begreifbar zu machen. Mit dem Stichwort der Stadtrendite machte Pronold zudem deutlich, dass es auch darum ginge, gemeinwohlorientiertes Engagement im Wohnungsbau zu honorieren. Schließlich werde damit eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung übernommen.

Kooperative Wohnungspolitik

Was damit gemeint sein könnte, stellte der Bremer Bausenator Dr. Joachim Lohse vor. In Bremen gab es bis 2011 faktisch keine Neubautätigkeit. Aufgrund der sich zuspitzenden Situation auf dem Wohnungsmarkt, nahm sich der Senat des Themas bezahlbarer Wohnungsbau an. Dafür wurde zunächst ein wohnungswirtschaftlicher Dialog ins Leben gerufen, auf dessen Grundlage die städtische GEWOBA in Konsortien mit privaten Immobilienunternehmen den Wohnungsneubau wieder ankurbelte und bis heute kontinuierlich fortsetzt – den energetischen Standards entsprechend, mit mittelbarer Belegung und einer dispersen Verteilung in der Stadt. Von den neu entstandenen Wohnungen seien 25% mit vergünstigten Krediten gefördert und 5% für sogenannte Wohnungsnotstandsfälle vorgehalten. Der Bündnisprozess wurde von Fachgesprächen begleitet, bei denen auch Fragen der Quartiersentwicklung und der städtischen Mobilität erörtert wurden. Das Beispiel Bremen zeigt: Durch die Kombination verschiedener Instrumente in einem lokalen Bündnis entsteht preiswerter Wohnraum für Singles, Flüchtlinge und Familien. Dabei sprach sich Lohse, anders als im Bund-Länder-Beschluss zum Länderfinanzausgleich vorgesehen, für eine Fortsetzung der Kompensationsmittel des Bundes für die soziale Wohnraumförderung aus.

Lernen aus dem Bündnis

Allerdings würden die Bundesmittel nicht immer zweckgebunden durch die Länder eingesetzt, sagte der ehemaliger Hamburger Staatsrat Michael Sachs in seiner kritischen Bewertung der Ergebnisse des Bündnisses für bezahlbares Bauen und Wohnen. Gleichwohl mit dem Bündnis die Rahmenbedingungen für den Wohnungsneubau verbessert, Investitionen gestärkt, der altersgerechte Umbau und die Quartiersentwicklung voran getrieben sowie klimafreundliches Bauen gefördert werden sollten, seien die Interessenskonflikte insbesondere im Ordnungsrecht zwischen Bund, Ländern und Kommen nicht gelöst worden. So sei eine Vereinheitlichung der Landesbauordnungen nicht in Sicht. Die Einführung der neuen Baugebietskategorie „urbanes Gebiet“ in die BauNVO hingegen sei ein Erfolg und auch die Erweiterung der planungsrechtlichen Möglichkeiten zur weiteren Nachverdichtung im Innenbereich wäre ein Beitrag zur Vermeidung des Flächenverbrauchs. Beim Immissionsschutz allerdings seien weitergehende Regelungen aus planerischer Sicht wünschenswert. Zudem wirkten diverse Kostentreiber auf die Baukostenentwicklung und erschwerten das Entstehen von mehr bezahlbarem Wohnraum. Dies könne allerdings durch eine Reduzierung der Grunderwerbssteuer sowie durch die Überprüfung der DIN-Normen bei technischen Standards abgepuffert werden. Überdies sei ein anhaltend hohes Bodenpreisniveau massiv ausschlaggebend für die Kosten beim Bauen, so dass das Bodenrecht in der nächsten Legislaturperiode zwingend eine Rolle spielen müsse. So habe der Bund mit dem Bündnis zwar die Plattform für eine organisierte und strukturierte Auseinandersetzung mit dem Thema geschaffen, müsse aber die Wohnungspolitik auch weiterhin mitgestalten und das bestehende Instrumentarium zielgerichtet einsetzen, so Sachs.

Sachliche Debatte erwünscht

Darin waren sich auch GdW und Mieterbund einig. Die Idee einer neuen Gemeinnützigkeit beurteilten die beiden Verbände jedoch unterschiedlich. Für die GdW-Unternehmen seien die Vorteile einer neuen Gemeinnützigkeit nicht erkennbar, so der GdW-Präsident Axel Gedaschko. Gerade die heterogene Bestandsstruktur leiste einen wesentlichen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit kommunaler Wohnungsunternehmen in einer sozialen Marktwirtschaft. Unter diesen Rahmenbedingungen könnten sie nachhaltig wirtschaften und breite Schichten der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum versorgen. Auch aus Sicht des DMB würden durch eine Gemeinnützigkeit kurzfristig keine neuen Wohnungen entstehen, sagte der DMB-Bundesdirektor Lutz Siebenkotten. Allerdings warb er dafür, das Thema Gemeinnützigkeit nicht aus ideologischen Gründen zu torpedieren. Aus Sicht des DMB seien die hinter der Idee stehenden Ziele wichtig, d.h. die langfristige Erhöhung des Bestands an bezahlbaren Wohnungen. Die Begrifflichkeiten „Gemeinnützigkeit“ oder „Gemeinwohlorientierung“ sollten dabei keine Rolle spielen.

Aus alt mach neu?

Auch auf dem politischen Podium diskutierten die wohnungs- und baupolitischen Sprecher der Parteien CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen sowie DIE LINKE eine Neuausrichtung der Wohnungspolitik kritisch. So waren sich die Regierungsparteien einig, dass mit der Erhöhung der Wohnungsbauförderung, des Gebäudesanierungsprogramms, der Städtebauförderung oder dem beschleunigten Verfahren zur Baulandgewinnung sowie weiterer Instrumente und Gesetze vieles angeschoben worden ist. Anders als die CDU sieht die SPD allerdings Nachholbedarf, insbesondere in Sachen Mietrecht, neue Akteure auf dem Wohnungsmarkt und in der Bodenpolitik. Hier wären Investitionszuschüsse das geeignete Instrument zur zügigen Schaffung von bezahlbaren Wohnungen, so Michael Groß von der SPD. Er machte zugleich deutlich, dass der Bund ab 2020 auch weiterhin die Verantwortung für den Wohnungsbau haben müsse und diejenigen Unternehmen belohnt werden könnten, die gemeinwohlorientiert handeln. Insbesondere kommunale Unternehmen und Genossenschaften seien schon jetzt verlässliche Partner, wenn es um nachhaltiges Handeln gehe. Marie-Luise Dött von der CDU betonte die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips. Aus ihrer Sicht verfügten die Kommunen über ausreichend Kompetenzen, um bürgernah für die Belange der lokalen Wohnungspolitik zu sorgen. Der Bund müsse und könne sich nicht überall einmischen.

Die Oppositionsparteien hingegen warfen der Regierung vor, dass sie langfristig keine Lösung für mehr bezahlbaren Wohnraum gefunden hätte und machten sich für eine neue Gemeinnützigkeit und einen Neustart des sozialen Wohnungsbaus stark. Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, forderte Caren Lay von der LINKEN, den Kommunen ein Vorkaufsrecht für Immobilien des Bundes einzuräumen und Konzeptvergabeverfahren bei der Veräußerung von Bundesimmobilien verbindlich einzuführen. Christian Kühn von den Grünen plädierte dafür, dass der Bund über die Steuergesetzgebung stärker steuernd eingreifen, dauerhaft staatliches Geld binden und so auf mehr Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau abzielen solle.

Kurzfristig Lösungen finden und regionale Differenzierung berücksichtigen

Es kann allerdings Jahre dauern, bis ausreichend gemeinnützige Unternehmen entstanden sind und entsprechenden Wohnraum zur Verfügung stellen. Daher brauche es verschiedene Instrumente, die die regional sehr differenzierten Wohnungsmärkte berücksichtigten und kurzfristig neue Wohnungen schafften, so Groß. Am Ende schließlich stand noch einmal die Forderung nach mehr Pragmatismus im Raum, wobei die Frage der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern nicht aufgelöst wurde – die Debatte um die Bezahlbarkeit des Wohnens als auch die angespannten Wohnungsmärkte selbst werden wohl erst einmal anhalten.

Der Deutsche Verband habe mit dieser Jahrestagung gezeigt, dass er die Pluralität der Meinungen und den Diskurs zur Wohnungspolitik befördere, resümierte der Vizepräsident des Deutschen Verbandes, Dr. Josef Meyer. Diese wichtige Aufgabe werde der DV auch in der neuen Legislaturperiode fortführen, um wirkungsvolle Ansätze für mehr bezahlbares Wohnen in den städtischen Wachstumsregionen zu erreichen. In Verbindung mit einer kraftvollen Wohnungspolitik sei dafür vor allen auch eine konsequente Boden- und Städtebaupolitik sowie eine gestärkte und neujustierte Raumordnung für mehr regionalen Ausgleich notwendig.

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© F.H.M., pixelio.de; Jahrestagung 2017 ©Michael Kirsten