In Wachstumsregionen wie Köln stehen die angespannten Wohnungsmärkte und der knappe bezahlbare Wohnraum momentan ganz oben auf der Agenda. Dafür wird dringend mehr Wohnungsneubau benötigt. Städte entwickeln sich heutzutage allerdings vorwiegend im Bestand. Deshalb ist es entscheidend, die Bürger in Planungsvorhaben einzubeziehen, da diese ihr Lebensumfeld direkt beeinflussen. Es gilt, ihre Potenziale einzubinden, ihre Befürchtungen vor negativen sozialen und städtebaulichen Veränderungen aufzugreifen und eine breite Akzeptanz für Stadtentwicklungsvorhaben zu schaffen. Gleichzeitig brauchen die Ballungsräume mehr Bauland. Weitere Flächenpotenziale müssen aktiviert und angesichts der eingeschränkten Boden-Verfügbarkeit vermehrt Kooperationen mit privaten Eigentümern, Mietern und Bürgern angestoßen werden. Handlungsebene für all diese wohnungswirtschaftlichen Entwicklungen ist das Quartier als der Ort, wo die verschiedenen Akteure aufeinandertreffen und die immer mobileren Menschen ihren Rückhalt finden. Diese vielschichtigen Aspekte griff der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V. bei seiner Jahrestagung am 2. Oktober 2014 in Köln auf.
Was aber macht eine gelungene Quartiersentwicklung aus? „Ein gesundes Gleichgewicht zwischen den ökonomischen Gegebenheiten und den sozialen und ökologischen Herausforderungen ist notwendig“, so Gunther Adler, Staatssekretär im Bundesumwelt- und Bauministerium. So dürften beispielsweise Klimaschutz bzw. die energetische Sanierung nicht auf Kosten der sozialen Gerechtigkeit gehen. Um Widersprüche zu vermeiden, müssten Wirtschafts- und Energieministerium eng kooperieren.
Das interdisziplinäre und sektorübergreifende Zusammendenken verschiedener Ansprüche und Zielsetzungen gilt genauso für die konkrete Stadt- und Quartiersentwicklung vor Ort. Gefragt sind integrierte, kluge Konzepte, deren Förderung in seinem Land eine lange Tradition habe, wie Michael von der Mühlen, Staatssekretär im Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen betonte. Damit Planungsprozesse finanziell vernünftig unterlegt werden könnten, müssten die Kommunen bei der Bündelung von Mitteln und der Anwendung der verschiedenen Instrumente jedoch stärker von Land und Bund beraten und unterstützt werden. Angesichts von knappem und teurem Bauland in den Ballungsräumen forderte der Beigeordnete der Stadt Köln, Franz-Josef Höing, dass gerade auch an schwierigen Standorten intelligente Ideen umgesetzt werden, um qualitativ hochwertigen Wohnraum zu bezahlbaren Preisen zu schaffen.
Die EU-Kommission sieht für ihre kürzlich gestartete Strukturfondsperiode 2014 bis 2020 für die Städte eine deutlich stärkere und aktivere Rolle als bisher vor, um die drängenden Herausforderungen der Stadtentwicklung mit guten Strategien zu lösen. Dr. Walter Deffaa, Generaldirektor bei der Europäischen Kommission in Brüssel, erklärte, dass künftig alle Mitgliedsstaaten mindestens fünf Prozent der Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung für die nachhaltige Stadtentwicklung einsetzen und dabei die Städte direkt an der Strategieentwicklung und der Auswahl geförderter Projekte beteiligen müssten. Dietrich Suhlrie, Vorstand der NRW.Bank, warnte davor, die Kommunen zu überfordern: Die steigenden Anforderungen, Konzepte zu erstellen, stünden im Kontrast zur Realität der minimierten Haushalte und der sinkenden Personalressourcen. Wichtig seien bei der Förderung vor allem eine intensive Beratung und Moderation vor Ort.
„Vor Ort“, das heißt „im Quartier“, denn hier und weniger in der Gesamtstadt schneiden sich die verschiedenen Akteurs-Ebenen, hier zeigt sich der jeweils spezifische städtebauliche und soziale Charakter, der zwischen verschiedenen Vierteln einer Stadt beträchtlich variieren kann. Doch Quartiere brauchen laut Dr. Elmar Schütz, Leiter Projektentwicklung bei der Aurelis Real Estate in Eschborn, „robuste städtebauliche Konzepte“, um nachhaltig zu funktionieren. Dies gilt besonders für Neubauviertel. Gleichzeitig müssten diese aber wandlungsfähig bleiben, da Quartiere niemals „fertig“ seien. Dies kann allerdings zu Konflikten bei Beteiligungsverfahren führen. Zum einen ist es schwierig, sich zu positionieren, wenn noch kein klares Ziel vorgestellt werden kann, zum anderen sind die Bürger, die sich während der Planungsphase beteiligen, nicht unbedingt diejenigen, die z. B. die neuen Wohnungen später nutzen werden.
Die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen der Bürgerbeteiligung bei Stadtentwicklungsvorhaben zog sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung. „Stadtentwicklung vollzieht sich im Quartier, deshalb müssen auch Beteiligungsprozesse im Quartier organisiert werden“, erklärte der Präsident des Deutschen Verbandes, Dr. Jürgen Heyer. In Zeiten von umstrittenen Großbauprojekten wie Stuttgart 21, der Hamburger Elbphilharmonie oder des Berliner Flughafens BER ließen sich die Menschen nicht mehr so leicht wie früher von prestigeträchtigen Bauten überzeugen, legte Gerhard Matzig dar, Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung. Eine Ursache sei, dass oft an den Wünschen der Menschen vorbeigeplant werde. „Die Fähigkeit zum Zuhören spielt beim Architekten eine sehr große Rolle“, bestätigte Kaspar Kraemer vom Architekturbüro Kaspar Kraemer Architekten BDA.
Für eine gelungene Beteiligung ist es deshalb wichtig, frühzeitig in den Dialog zu treten, anschaulich zu zeigen, wie Standorte sich weiterentwickeln sollen und die Menschen über Kosten und Konsequenzen von Bauvorhaben aufzuklären. Es wurde aber auch von mehreren Seiten darauf hingewiesen, dass klare Spielregeln und Leitplanken nötig sind: „Eine Beteiligung ‚in extenso‘ ist nicht sinnvoll“, erklärte Anne-Katrin Bohle, Abteilungsleiterin im Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW. „Wir müssen klar kommunizieren, wo und in welchem Rahmen Beteiligung möglich ist.“ Die Beteiligung der Bürger sollte dabei bei allen großen Vorhaben als ein Qualitätsmerkmal für möglichst valide, flexible und dauerhafte Ergebnisse der Stadtentwicklung anerkannt werden
Für die vertrauensvollen Zusammenarbeit und Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung unserer Jahrestagung 2014 danken wir dem Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW, der Kreissparkasse Köln, dem Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen e.V. (VdW), der GAG Immobilien AG, der Sparkassen KölnBonn und den Kaspar Kraemer Architekten BDA.
Copyright alle Fotos Jahrestagung: Dorina Köbele-Milas
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