ifs Wohnungspolitisches Forum 2022

Klimaschutz und Wohneigentumsförderung zusammen denken

Auch in Zeiten multipler Krisen und knapper Kassen ist das Wohneigentum Bestandteil der Wohnungspolitik. Das ifs Wohnungspolitische Forum 2022 im Bausparhaus diskutierte aktuelle Anknüpfungspunkte für die Wohneigentumsförderung und nahm dabei insbesondere die wichtige Schnittstelle zu Klimaschutz und energetischer Sanierung unter die Lupe. Hier gilt es Synergien zu nutzen und verschiedene Ziele nicht gegeneinander auszuspielen.

Berlin. Zum diesjährigen ifs Wohnungspolitischen Forum am 7. November 2022 stehen die Vorzeichen für die Wohneigentumsbildung schlecht wie schon lange nicht mehr. Herausforderungen sind zahlreich: Den Wohnungsbau deutlich erhöhen, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen; die Sanierungsrate mindestens verdoppeln, um die Klimaziele zu erreichen; Haushalten mit Durchschnittseinkommen trotz hoher Preise und Zinswende den Zugang zu Wohneigentum ermöglichen. Hinzukommen die Pandemie und vor allem der russische Angriffskrieg in der Ukraine, die neben dem massiven menschlichen Leid und den Fluchtbewegungen auch enorme Materialengpässe und Kostensteigerungen mit sich gebracht haben. Eine Wohneigentumsförderung muss sich in dieser Gemengelage einsortieren, sollte sich jedoch nicht hintanstellen. So war der Tenor der Veranstaltung, bei der wir die aktuelle Bedeutung der Wohneigentumsbildung in der Wohnungspolitik des Bundes sowie die Frage diskutierten, wie sich der kleinteilige und heterogene Bestand privater Eigentümer:innen klimagerecht umgestalten lässt, ohne diese zu überfordern.

Aufzeichnung des ifs Wohnungspolitischen Forums 2022:

 

Neue Wohneigentumsförderung soll im zweiten Quartal 2023 starten

Zu Beginn der Veranstaltung bekräftigte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesbauministerium, Sören Bartol, dass das Wohneigentum für die Bundesregierung weiterhin einen hohen Stellenwert habe. Dies manifestiere sich mit dem neuen Darlehensprogramm, das Schwellenhaushalten mit Zinsverbilligungen beim Erwerb und Bau neuer Eigenheime und Wohnungen unterstützen soll. Das Bauministerium wolle dafür zusätzlich zur an der Energieeffizienz ausgerichteten BEG-Neubauförderung jährlich 350 Mio. Euro für weitergehende Zinsverbilligungen für Familien mit Kindern einsetzen. Der Berechtigtenkreis soll durch ein maximales zu versteuerndes Haushaltseinkommen von 60.000 Euro begrenzt werden (+10.000 Euro für jedes weitere Kind). Starten soll das Programm im zweiten Quartal 2023. Die genauen Konditionen könnten jedoch erst nach der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses Ende dieser Woche festgelegt und kommuniziert werden. Wie bei der kürzlich reformierten BEG-Neubauförderung kann damit allerdings nur der übergesetzliche Energieeffizienzstandard EH 40 mit Nachhaltigkeitszertifikat (QNG) gefördert werden und nicht der Bestandserwerb.

„Wimmern statt Wumms“? – Schlagkraft der Wohneigentumsförderung wird bezweifelt

Nicht nur dies machte die Begrenztheit der neuen Wohneigentumsförderung deutlich, wie durch die Leiterin des ifs Institut Wohneigentum Oda Scheibelhuber und den Immobilienökonomen Dr. Reiner Braun herausgearbeitet wurde. Auch wenn die Eigentumsschwellen über dem durchschnittlichen Haushaltseinkommen der Empfänger:innen von Baukindergeld (45.000 Euro) liegt, dürfte es für diese Schwellenhaushalte sehr herausfordernd sein, damit den stark verteuerten Neubau zu finanzieren. Gerade für diese Familien findet die Eigentumsbildung überwiegend im Bestand statt, der aber nicht teil der neuen Wohneigentumsförderung ist. Darüber hinaus erhalten die Schwellenhaushalte voraussichtlich keine Unterstützung mehr beim Eigenkapital, das den meisten Familien fehlt und durch das Baukindergeld mit jährlich 1.200 Euro pro Kind noch bereitgestellt wurde. Dr. Braun sah aus einer ökonomischen Perspektive allerdings direkte Zuschüsse für die Eigenkapitalstärkung nicht als beste Lösung an. Vielmehr müsste das Sparverhalten der Haushalte angereizt werden. Dies wurde jedoch jahrzehntelang vernachlässigt und die Einkommensschwellen und Förderhöhen der Arbeitnehmersparzulage und Wohnungsbauprämie erst nach 25 Jahre in der letzten Legislaturperiode erhöht. Beim Wohnriester gelten weiterhin die Konditionen der Einführung im Jahr 2007. Deshalb und wegen des begrenzten Gesamtvolumens und der Reichweite sprach er von einem „Wimmern statt Wumms“. Angesichts der aufgezeigten Herausforderungen und hohen Kosten im Neubau, wurde in diesem Zusammenhang auch herausgestellt, dass eine Wohneigentumsförderung, die explizit Schwellenhaushalte und mittlere Einkommen adressieren soll, den Bestand nicht außen vorlassen kann.

Wohneigentum weiterhin Teil der Wohnungspolitik – aber mit begrenzter Intensität

Spielraum für Erleichterungen, aber wenig Hoffnung auf praktische Umsetzung, sahen die Referenten in Bezug auf eine deutliche Senkung der Erwerbsnebenkosten durch eine Senkung der Grunderwerbsteuer oder die Makler-, Notar- oder Grundbuchkosten, die sich absolut mit den Immobilienpreissteigerungen drastisch erhöht haben und aus Eigenkapital finanziert werden müssen. Staatssekretär Bartol sagte jedoch zu, sich weiter dafür einzusetzen, gemeinsam mit den Ländern einen Weg zu finden, die Grunderwerbsteuer für Ersterwerber zu senken. Für die gezielte Unterstützung beim Bestandserwerb appellierte er, sich gemeinsam mit seinem Ministerium beim Wirtschaftsministerium, das für die Bestandsförderung für Programme wie „Jung kauft alt“ stark zu machen.

Gleichzeitig stellte er heraus, dass es angesichts der historisch einmaligen Ausnahmesituation mit enormen Haushaltsbelastungen des Bundes zur Abfederung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges eine große Leistung des neuen Bauministeriums sei, die Wohneigentumsförderung mit einem eigenen Programm zielgerichtet auf Schwellenhaushalte fortzuführen. Dies ist auch ein Zeichen der Regierungskoalition, dass die Wohneigentumspolitik unter schwierigen Rahmenbedingungen weiter einen hohen Stellenwert hat und konsequent fortgeführt wird. Für alle Akteure der Wohneigentumsbildung bietet dies einen wichtigen Anknüpfungspunkt für die Fortsetzung der Debatte zur Wohneigentumsbildung, an der sich auch das ifs konsequent weiter beteiligt.

Überraschende Erkenntnisse aus historischem Ländervergleich zur Wohneigentumspolitik

Dass das Wohneigentum der Gesellschaft in der Breite wichtig ist und zudem über parteipolitische Färbungen hinaus wichtiger Bestandteil einer Wohnungspolitik ist, legte auch die Forschung des Soziologen Professor Dr. Sebastian Kohl von der FU Berlin nahe. Er gab den Gästen des Forums zunächst Einblicke zum Stellenwert des Wohneigentums in der Wohnungspolitik in einem umfassenden Ländervergleich. Unter anderem durch die Analyse parteilicher Positionen zu Wohneigentum und Förderung zeigte sich die grundsätzlich erwartbare Beobachtung, dass die Eigenheimidee eher eine durch konservative Parteien postulierte Idee ist. In eine ähnliche Richtung gingen die Beobachtungen, dass Wohneigentumsförderung eher negativ mit Positionen starker Wohlfahrts- und Sozialpolitik korreliert. Überraschender waren dagegen die Erkenntnisse, dass einerseits Wohneigentumsquoten und Sozialstaatsausgaben zuletzt international eher komplementärer geworden sind. Zum anderen erläuterte Professor Kohl anhand seiner Studien, dass Wohneigentumsförderung bzw. der Besitz von Wohneigentum in der biographischen, langen Frist nicht zu Anti-Sozialstaats-Einstellungen oder konservativerem Wählerverhalten führe.

Ob Wohneigentum oder Klimaschutz: Die Hebel sind im Bestand

Im zweiten Teil widmete sich das ifs Forum den Perspektiven von klimaneutralem Wohneigentum. Wie bei der Wohneigentumsförderung sind auch beim Klimaschutz die größten Hebel im Bestand. Es zeigte sich, dass vor dem Hintergrund begrenzter Ressourcen sowie geteilter Zuständigkeiten zwischen Bauministerium (Neubau) und Klimaschutzministerium (Bestand) noch viele fachliche und politische Debatten zu führen sind und gemeinsames Handeln nötig ist.

Im Panel der Bundestagsabgeordneten wurde unisono hervorgehoben, dass verschiedene berechtigte politische und gesellschaftliche Ziele nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Das heißt in der Praxis, dass eine Wohneigentumsförderung im Bestand nicht hinter dem ebenfalls wichtigen politischen Ziel der 400.000 neuen Wohneinheiten inklusive 100.000 neuen Sozialwohnungen pro Jahr zurückstehen sollte. Gleichermaßen sollten Chancen genutzt werden, eine bestandsorientierte Eigentumsförderung und die energetische Ertüchtigung und Klimaschutz zusammenzubringen. Es gilt die vielen kurz- und mittelfristig anstehenden demografisch bedingten Eigentumswechsel in ihrer vollen Komplexität und ihren Chancen zu betrachten. Wie halten wir den Wohnungsbestand in der Breite attraktiv und ermöglichen dort den Traum vom Eigenheim, revitalisieren und stärken die Nachbarschaften, schonen dabei Flächen und nutzen die bereits verbaute graue Energie?

Hier gilt es weiter zu diskutieren und gemeinsam, integriert praxistaugliche Lösungen zu erarbeiten. Wir müssen dafür Wohneigentumsbildung, Neubauförderung, bautechnische und architektonische Innovation und energetische Ertüchtigung des Bestandes sowie Klimaschutz als ein großes Ganzes sehen. Denn die Eigentumsförderung im Neubau bedeutet nicht automatisch das freistehende Einfamilienhaus. Jeder fünfte Wohneigentümer wohnt in der Eigentumswohnung, in Ballungsräumen sogar jeder zweite. Eigenheime sind immer mehr geprägt durch flächensparende Reihenhäuser oder Town-Houses, weshalb DV-Präsident Groschek ebenso wie Staatssekretär Bartol noch mehr Kreativität und Innovationen bei Architektur und Eigentumswohnformen einforderten, anstelle eines pauschalen Eigenheim-Bashings.

„Nichts tun ist keine Option mehr!“ 

Beim Pfad zur Klimaneutralität im Gebäudebestand sind die Ziele und Ambitionen zurecht hoch. Wie der baupolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Daniel Föst, betonte, sei nichts tun keine Option mehr und dies sei auch den meisten bewusst. Das BMWK arbeitet zurzeit – unter Mitarbeit des Bauministeriums mit einem ambitionierten Zeitplan an verschiedenen Initiativen, wie der dreistufigen Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), einer Pflicht zur kommunalen Wärmeleitplanung oder auch der weiteren Neuausrichtung der Förderung von energetischen Sanierungen, die z.B. ab Januar 2023 zusätzlich zu den Boni für Heizungsaustausch und für „Worst Performing Buildings“ noch einen Bonus für serielle Sanierungen enthalten soll. Auch im BMWSB wird intensiv an einer Novellierung der Bundesförderung für effiziente Gebäude für den Neubau gearbeitet, die z.B. die Lebenszyklusbetrachtung stärker etablieren soll.

Beim ifs Forum wurden diese zahlreichen Initiativen gewürdigt. Es wurde jedoch auch herausgestellt, dass es kein loses Neben- bzw. Nacheinander geben dürfe, sondern aufeinander abgestimmte Leitplanken gesetzt werden müssen, die vor allem langfristig verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. Dies ist umso wichtiger bei der Vermittlung an die heterogenen Gebäudeeigentümer:innen sowie an weitere umsetzende Akteure. Denn Teile der GEG-Reform wie die geplante Pflicht, dass neue Heizungen ab 2024 mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien erreichen müssen oder der „Minimum Energy Performance Standards“ als Teil der EU-Gebäuderichtlinie können je nach Ausgestaltung Eigentümer:innen an die Grenze des Leistbaren und darüber hinaus bringen.

Ordnungsrecht und praktische Umsetzung brauchen einander

Vor diesem Hintergrund warnten die Bundestagsabgeordneten davor, Menschen zu überfordern und dadurch wichtige Akzeptanz zu verspielen. Es sei daher wichtig, Verunsicherung zu nehmen, Lösungen aufzuzeigen und offen und transparent zu kommunizieren, welche umfassenden Änderungen aus welchen Gründen anstehen. Dabei gab es auch Debatten, wie viel Ordnungsrecht, Technologieoffenheit sowie flankierende Förderung für die soziale Abfederung von Härten notwendig sind. Gerade weil hier so viele parallele Initiativen ineinandergreifen, braucht es gewisse verlässliche ordnungsrechtliche Orientierungen, um der Komplexität Herr zu werden und vor allem den vielen involvierten und verunsicherten Akteuren verlässliche Investitionsentscheidungen zu ermöglichen. Die verpflichtende kommunale Wärmeplanung ist hierfür ein gutes Beispiel. Klar wurde dabei jedoch: Bereits bei der Erarbeitung der ordnungsrechtlichen Leitplanken ist der Dialog mit der Praxis gefragt, um die Umsetzbarkeit sicher zu stellen. Zusätzlich sind massive niedrigschwellige Beratungskapazitäten sowie eine regionale bzw. lokale Flexibilität notwendig, um wirklich in der Breite energetische Bestandssanierungen anzustoßen und die vielfältigen Eigentümer:innen und weitere Akteure mitzunehmen.

Bildergalerie

Bildnachweise von links oben nach rechts unten:
©MATSA Offenblende / DV