Grafik eines Innenhofs

Mehr Gemeinwohl in der Boden- und Wohnungspolitik erforderlich

Von Christian Huttenloher, Generalsekretär des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung

Die langanhaltende Niedrigzinsphase mit einer Flucht ins „Betongold“ und der Zuzug in prosperierende städtische Regionen haben vielerorts zu angespannten Wohnungsmärkten mit teils stark steigenden Neuvertragsmieten und Immobilienpreisen geführt. Dies vergrößert Einkommens- und Vermögensunterschiede, da die Menschen einen immer größeren Anteil ihres Einkommens für die Miete aufbringen müssen und auch kein Wohneigentum bilden können. In der Folge wird in vielen Städten der Ruf nach einer gerechteren Boden- und Wohnungspolitik lauter, die vorausschauend und auf die Belange des Gemeinwohls fokussiert ist. Zudem sollte sie der Vereinbarkeit verschiedener Anforderungen – Bezahlbarkeit des Wohnens, Klimaschutz, flächenschonender Umgang – Rechnung tragen.

Überfrachtung mit Kriterien und Anforderungen vermeiden

Eine gemeinwohlorientierte Boden- und Baulandpolitik muss als Gemeinschaftsaufgabe umgesetzt werden. Unter Mitwirkung aller am Wohnungsmarkt tätigen Akteure, der Bauträger und Projektentwickler, der Bestandshalter, der privaten Kleinvermieter und Selbstnutzer sowie Mieter und Nachbarn können resiliente Quartiere entstehen beziehungsweise gestärkt werden. Mit einem maßvollen, differenzierten und marktkonformen Einsatz von Quotenmodellen, Erbbaurechten, Konzeptvergaben, Direktvergaben an kommunale Unternehmen, Genossenschaften oder an weitere gemeinwohlorientierte Akteure kann in Quartieren eine Mischung aus Eigentum, freifinanziertem, preisgedämpften, genossenschaftlichem und gemeinschaftlichem Wohnungsbau erreicht werden. Eine Überfrachtung der bauland- und bodenpolitischen Instrumente mit Kriterien und Anforderungen gilt es zu vermeiden. Denn sie verteuern das Bauen und Wohnen, ohne einen wesentlichen Mehrwert für die Stadtentwicklung und Nachhaltigkeit zu liefern.

Bodenpolitische Grundsatzstrategien verankern

Grundsätzlich steht für die Baulandmobilisierung und -entwicklung ein umfassender Instrumentenkasten zur Verfügung. Dazu gehören neben einer kommunalen Bodenvorratspolitik (mit liegenschaftlicher Partizipation) auch eine kooperative Baulandentwicklung privater Grundstücke über städtebauliche Verträge sowie die Anwendung hoheitlicher Instrumente wie Vorkaufsrechte, Baugebote, Umlegung oder städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen. Für mehr Transparenz sollten die bauland- und bodenpolitischen Leitlinien in einem kommunalen Baulandbeschluss oder einer bodenpolitischen Grundsatzstrategie verankert werden. Entscheidend ist aber in erster Linie, dass die Kommunen – gerade angesichts schrumpfender öffentlicher Haushalte – dauerhaft finanziell und personell in die Lage versetzt werden, eine gemeinwohlorientierte Boden- und Baulandpolitik umzusetzen. Hier sollten die Haushalts- und Gemeindeordnungen den Kommunen die Flexibilität einräumen, die sie für einen langfristigen Bodenvorrat und Zwischenerwerb sowie für eine verbilligten Vergabe öffentlicher Liegenschaften zum Zweck des bezahlbaren Wohnungsbaus brauchen.

Für zukunftsfähige und resiliente Quartiere ist also ein Mehr an gemeinwohlorientierter Boden- und Baulandpolitik gefragt. Entscheidend dafür sind handlungsfähige Kommunen und ein breites Bündnis aller Akteure des Wohnungsmarktes, die im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung agieren. Dafür hat der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung gemeinsam mit dem Bundesverband DIE STADTENTWICKLER zehn „Leitlinien einer gemeinwohlorientierten Bauland- und Bodenpolitik“ erarbeitet und diese bei einer öffentlichen Fachveranstaltung im Juni 2021 mit Vertreter:innen von Kommunen, Immobilienwirtschaft, Verbänden und Wissenschaft diskutiert.

Leitlinien

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