Fachkräftemangel – eine Gefahr für die Klimawende

von Klaus Leuchtmann, Vorstandsvorsitzender des Europäischen Bildungszentrums der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (EBZ)

Die Sicherstellung der Energieversorgung und die Einhaltung der Klimaziele münden in einen forcierten Ausbau der Erneuerbaren Energien. Die vielfältigen Aspekte der Umsetzung werden auch in den Kommunen und in der Wohnungswirtschaft diskutiert. Hierbei gehört ein Punkt in den Fokus, weil an ihm alles scheitern kann: der Fachkräftemangel. So geht aus dem aktuellen „HR Monitor“ des EBZ hervor, dass heute schon 55 Prozent der Unternehmen aus der Immobilienbranche im Fachkräftemangel ein Investitionshemmnis auf dem Weg zum Klimaschutz sehen.

Studienreihe zur Personalentwicklung in der Immobilienbranche

Der „Human Resources Monitor Wohnungs- und Immobilienwirtschaft 2022“ – kurz „HR Monitor“ – ist die achte Ausgabe einer 2007 vom EBZ – Europäisches Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft – ins Leben gerufenen Studienreihe zur Ausbildung und Personalentwicklung in der Immobilienbranche. Durch die „Brille“ der Human Resources geschaut, bilden die Studien seit 15 Jahren die kurzfristigen Trends und langfristigen Tendenzen in der Immobilienwirtschaft ab. Der demografisch bedingte Fachkräftemangel etwa lässt sich früh in den EBZ-Studien erkennen – zusätzlich dokumentiert der „HR Monitor 2022“ eine neue, besorgniserregende Entwicklung: Im Zuge der Anstrengungen Richtung Klimaneutralität wird der Fachkräftemangel ein Thema mit erheblicher Brisanz. Denn für die Entwicklung von Energiekonzepten und Klimapfaden in der Immobilienwirtschaft oder für die Entwicklung von Wärmeleitplanungen für Kommunen werden erstens mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigt als in der Vergangenheit: Neue Technologien müssen bewertet, neue Geschäftsmodelle entwickelt, neue Partnerschaften eingegangen werden. Selbst die Suche nach geeigneten Fachfirmen benötigt deutlich mehr Zeit als in der Vergangenheit.

Neben den technologischen Herausforderungen müssen auch die ökonomischen Anforderungen und eine komplexe, sich permanent ändernde Förderkulisse beherrschbar bleiben. Dafür braucht es ein Mehr an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das Problem ist über den Arbeitsmarkt kaum zu lösen, er ist leergefegt. Für die Besetzung einer Stelle in diesem Segment werden aktuell 181 Tage (Bundesagentur für Arbeit 2022, Statista) benötigt. 181 Tage, an denen ein Experte oder eine Expertin fehlt, ein Projekt nur schleppend vorankommt. Wenn die Stelle überhaupt adäquat zu besetzen ist. 84 Prozent der befragten Immobilienunternehmen haben bei der Rekrutierung von technischen Fachkräften, sogar 88 % bei der Rekrutierung von technischen Führungskräften Schwierigkeiten (EBZ HR-Monitor 2022). Auch der Optimismus, der in Zuwanderung kurzfristige Entlastungspotenziale sieht, dürfte sich nicht bestätigen: Die Anforderungen in rechtlicher, technischer, kaufmännischer Hinsicht sind hoch, vor allem für Menschen, die erst die Sprachbarriere überwinden müssen.

Erschwerende Bedingungen: Demografischer Wandel und wenig Zeit für Weiterbildung

Zweitens: Erschwerend kommt hinzu, dass der demografische Wandel auch vor diesem Beschäftigungssegment nicht Halt macht. Die Altersstruktur in den Unternehmen führt dazu, dass der Anteil der Fachleute, die das Unternehmen bis 2030 altersbedingt verlassen werden, deutlich steigen wird. Das wiederum wird den Rekrutierungsbedarf erneut erhöhen. Drittens: Die Kompetenzen der vorhandenen Fachkräfte benötigen ein deutliches Upscaling in den Feldern regenerative Energien, Digitalisierung, Energiemonitoring, Regulatorik und vieles andere mehr. 94 Prozent aller befragten Unternehmen geben an, dass sie spezielle Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für ihre Fach- und Führungskräfte zu den Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit benötigen (EBZ HR-Monitor 2022). Gleichzeitig ist dieser Personenkreis, insbesondere auch vor dem Hintergrund nicht besetzter Stellen, so stark ausgelastet, dass für die entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen kaum Zeit bleibt. Es bedarf also nicht nur in der Technologieentwicklung und in der Förderkulisse erheblicher Anstrengungen zur Erreichung der klimapolitischen Ziele. Die Personalentwicklung in der Immobilienwirtschaft und in den Kommunen muss ebenso in den Fokus rücken. Auch hier sind die Herausforderungen hoch. Um sie zu bewältigen, braucht es ein Handlungskonzept auf der Unternehmensebene, vermutlich jedoch auch ein übergeordnetes für das gesamte Segment.

Strategische Personalbeschaffung

Zudem muss ein strategischer Ansatz der Personalbeschaffung gewählt werden: Andere Branchen vom Handwerk über den Maschinenbau bis zum Handel kümmern sich um die Nachwuchsgewinnung in Schulen. Diese Wege muss auch die Wohnungswirtschaft beschreiten. Indem sie sich als zentralen Akteur der Klimawende und als hochinteressanten Arbeitgeber präsentiert. Sie ist ein wichtiger, aktiver Player im Klimaschutz. Das sollte auch sichtbar werden. Ein erster Schritt in diese Richtung soll mit dem „KlimaCamp der Wohnungswirtschaft“ im Sommer 2022 auf dem Gelände des EBZ in Bochum getan werden. Dazu wird das EZB 100 junge Menschen einladen, das Spannungsverhältnis von Klimaschutz und bezahlbarem Wohnen  zu diskutieren.So sollen junge, engagierte Menschen für die großen Aufgaben der Branche sensibilisiert und begeistert werden.

Zusätzliche Innovationen notwendig

Darüber hinaus bedarf es vielfältiger Innovationen, die es den zu wenigen Fachkräften ermöglichen, schneller mehr zu erreichen. Serielles Bauen und Sanieren, Typengenehmigungen, Digitalisierung und unternehmensübergreifende Zusammenarbeit (z.B. Expertensharing) sind einige Keywords. Die Branche befinde sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess mit hoher Veränderungsgeschwindigkeit und stetiger Zunahme von Komplexität. Mit im Zweifel immer weniger Menschen muss immer mehr erreicht werden. Nahezu alle Rollen im Unternehmen benötigen ein Upscaling ihrer Kompetenzprofile; realistisch betrachtet ist das unumgänglich. Dabei sind vor allem kleine, aber auch mittelgroße Unternehmen in der insgesamt kleinteiligen Wohnungswirtschaft gefragt. Schließlich müssen sie sich den gleichen Herausforderungen stellen wie die großen Unternehmen - mit dem Unterschied, dass sie aufgrund ihrer Größe nur begrenzt Spezialqualifikationen aufbauen können. Eine Grundvoraussetzung für eine höhere Effizienz sind jedoch qualifizierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die über ausreichende Kompetenzen und Ressourcen verfügen, diese Prozesse und Projekte anzustoßen. Die skizzierten Lösungsbausteine werden nicht annähernd ausreichen. Sie sind aber eine gute Basis, auf die aufgebaut werden sollte. Die Klimawende sollte nicht am Fachkräftemangel scheitern.

Über das EBZ

Das EBZ – Europäisches Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft – ist der europaweit größte Anbieter von Aus-, Fort- und Weiterbildungen für die Branche. Das EBZ ist eine gemeinnützige Stiftung unter Trägerschaft des GdW – Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V., des VdW RW Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen e. V. sowie des BFW Bundesverband Freier Wohnungsunternehmen. Zur EBZ-Familie gehört das Berufskolleg mit 1400 Schülern und Schülerinnen, die staatlich anerkannte Fachhochschule EBZ Business School – die größte deutsche immobilienwirtschaftliche Fakultät – mit 1200 Studierenden, die Akademie für Personalentwicklung mit rund 3550 Seminar-, 2500 Inhouse- und 1600 Lehrgangsteilnehmenden sowie das Forschungsinstitut InWIS.

Pressekontakt: EBZ - Europäisches Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, Dr. Nils Rimkus, Tel: 0234 9447 639, Mobil: 0173 599 4645, E-Mail: n.rimkus@e-b-z.de, www.e-b-z.de

Lösungsbausteine und Angebot des EBZ

Das EBZ hat sich mit dem Fachkräftemangel beschäftigt und einzelne Lösungsbausteine entwickelt. Sie umfassen die Rekrutierung, die Ausbildung auf Hochschulniveau an der Immobilienhochschule EBZ Business School University of Applied Sciences (FH) sowie passgenaue Weiterbildungsangebote. Die Immobilienhochschule EBZ Business School (FH) hat eigens neue Studienprogramme wie den neuen Bachelorstudiengang B.Sc. Nachhaltiges Energie- und Immobilienmanagement entwickelt, der im Wintersemester 2021 startete. Im Wintersemester 2022/23 beginnen zwei weitere, in Akkreditierung befindliche Studienprogramme: der Bachelorstudiengang „Kommunales Immobilienmanagement“ sowie der Bachelorstudiengang „Digitalisierung und Immobilienmanagement“. Sobald sich die Nachfrage positiv entwickelt, werden die Studiengänge auch als Fernstudium angeboten. Damit kann das Angebot auch in der Fläche wirksam werden und ist leichter skalierbar. Die EBZ Akademie hat für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kommunen eine kompakte Weiterbildung im Bereich Klima-/Energie- und Nachhaltigkeitsmanagement aufgelegt. Das Programm bietet ein Wissensupdate in allen wesentlichen Handlungsfeldern zur Entwicklung einer Klimastrategie im Gebäudesektor.

Das „KlimaCamp der Wohnungswirtschaft“ läuft vom 25. bis zum 28. Juli 2022.

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