Zwischen Aufbruch und anstehenden Debatten: Was bringt die Ampel?

von Michael Groschek

Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP steht und auch das politische Spitzenpersonal ist benannt. Nun geht es an die Arbeit für die Ampel, die sich viel vorgenommen hat: Der Koalitionsvertrag des neuen Regierungsbündnisses ist über weite Strecken ein Bekenntnis zu einer starken, modernen Bau- und Wohnungspolitik und will vieles voranbringen. Das eigenständige Ressort für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen setzt ein zusätzliches Zeichen, da es die inhaltlichen Ansprüche institutionalisiert. Auch deswegen werden wohl die Schlangen der Abgeordneten länger, die zukünftig im Bauausschuss mitwirken wollen. Als Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (DV) sind wir froh, dass sich viele Anliegen und Erkenntnisse unserer Arbeit im Koalitionsvertrag wiederfinden.

Im Bauministerium Gestaltungswille gefragt

Seit langem betonen viele Verbände die gesellschaftliche Bedeutung von Bau-, Wohnungs-, und Stadtentwicklungspolitik und fordern ein eigenständiges Haus. Entsprechend wohlwollend wurde die Nachricht zum neuen Bauministerium aufgenommen – ebenso wie die Integration der Raumordnung, die wichtige übergeordnete strategische und planerische Grundlagen für eine integrierte Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik, aber auch für die Stärkung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land bildet. Klar ist aber auch, dass die neue Bauministerin Klara Geywitz sich an anspruchsvollen Aufgaben messen lassen muss. Herausforderungen wie die bedarfsgerechte und bezahlbare Wohnraumversorgung, eine nachhaltige und integrierte Stadt- und Quartiersentwicklung, ebenso wie eine sozial und wirtschaftlich ausgewogene Dekarbonisierung des Gebäudebestands müssen ganzheitlich gedacht und angepackt werden. Hier braucht es mehr als ein neues Türschild oder Organigramm. Vielmehr sind Ehrgeiz, Enthusiasmus und viel Geschick bei der Zusammenarbeit mit den heterogenen Akteuren gefragt, um die eigenen sowie die externen Erwartungen an das neue Ressort zu erfüllen. Zumindest der inhaltliche Grundstein dafür ist mit dem Koalitionsvertrag gelegt.

DV-Empfehlungen in Koalitionsvereinbarungen aufgegriffen

Dies reicht von der Fortsetzung des „Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen“, die Erhöhung der linearen Afa (Absetzung für Abnutzung) auf drei Prozent über die Stärkung und Aufstockung der Städtebauförderung bis hin zu dem Bekenntnis, sich bei stadtentwicklungspolitischen Fragen an der Neuen Leipzig-Charta zu orientieren, bei deren Erstellung der DV als Organisator des begleitenden Dialogprozesses entscheidend mitwirkte.

Einige Empfehlungen aus unserem Runden Tisch zum Klimaschutz im Gebäudebestand für das Bundesumweltministerium finden sich ebenfalls wieder – allen voran die Betonung eines passgenauen und technologieoffenen Maßnahmenmixes aus Optimierung der Gebäudehülle mit technischen Anlagen zur Energieerzeugung und -versorgung. Darüber hinaus ist zu begrüßen, dass integrierte Quartierslösungen als wichtiger Baustein benannt werden sowie zahlreiche Förderzusagen gemacht werden – allerdings ohne konkrete Summen. Auch die vom DV vorgeschlagene pragmatische Lösung zur Lastenteilung beim CO2-Preis zwischen Mieter:innen und Vermieter:innen, die sich am Zustand des Gebäudes orientiert, ist enthalten. Bedenklich stimmt uns dagegen, dass die Mindestanforderungen für Bestandsmodernisierungen bauteilbezogen auf das Effizienzhaus 70 angehoben werden sollen, ohne klar zu benennen, dass dies wie bisher gefördert wird. Um die schon zu geringe Modernisierungsdynamik nicht abzuwürgen, muss der dann höhere gesetzlich geforderte Standard auch gefördert werden. Andernfalls laufen wir Gefahr, dass das gegeneinander Ausspielen von Klimaschutz und bezahlbarem Wohnraum zum Sand im Getriebe der zügigen Dekarbonisierung des Gebäudebestands wird.

Ringen um richtige Instrumente steht noch aus

Bei den Themen Wohnen und Bauen erwartet uns eine weitere Novellierung des Baugesetzbuches sowie die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit. Auch beim Mietrecht soll nochmals nachgeschärft werden. Hinzu kommt die angekündigte Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsprozesse auf breiter Front. Welche konkreten Instrumente gestärkt oder hinzugefügt werden sollen, lässt der Koalitionsvertrag aber vielfach noch offen oder es ist nebulös formuliert. Gleiches gilt beispielsweise für den angestrebten Umstieg auf Teilwarmmieten mit einer Integration der Modernisierungsumlage.

Auch das Bekenntnis zur Förderung von Wohneigentum wirft Fragen zur genauen Ausgestaltung auf. So ist der Traum der Mehrheit der jungen Menschen von einer Heimat mit eigener Haustür zwar berücksichtigt. Allerdings spielt der bewährte Wohnriester bei der Neugestaltung der Rentenreform namentlich keine Rolle. Auch hier stehen noch Aushandlungsprozesse an, wie die intelligente Förderung von Wohneigentum ein Eckpfeiler der Baupolitik bleiben kann.

Bauministerium: Nur Dialog bringt Erfolg

Wie bei einem rot-grün-gelben Dreierbündnis nicht anders zu erwarten war, kann der bau- und wohnungspolitisch fortschrittliche Koalitionsvertrag nicht frei von Kompromissen und offenen Knackpunkten sein. Entscheidend ist, dass die Koalition und ihre Ministerien schnell in den Arbeitsmodus kommen. Gerade Wohnungs-, Bau-, Stadt- und Regionalentwicklungspolitik sind breitgefächerte Querschnittsthemen, die trotz eigenem Ressort integriert bearbeitet werden müssen. Dazu ist ein fortlaufender Dialog mit den verschiedenen Akteuren unabdingbar. Dies gilt auch für die interministrielle Zusammenarbeit. Denn während zum Beispiel die Raumordnung in den Zuständigkeitsbereich des Bauministeriums fällt, bleibt die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse weiter beim Bundesinnenministerium. Das ist eine verpasste Chance, den oftmals leeren Worten von ausgeglichener Politik sowohl für Stadt und Land die richtigen Instrumente an die Hand zugeben. Umso bedeutender ist auch die Kooperation innerhalb der Ampel und zwischen den Häusern. Die integrierte Stadtentwicklung, der Quartiersansatz bei der Dekarbonisierung des Gebäusebestands sowie Fortschritte bei der Sektorkopplung dürfen keinem roten, grünen oder gelben Silodenken zum Opfer fallen. Hier sind noch kontroverse Debatten zu erwarten, die wir als Dialogplattform und Stimme der Vernunft gemeinsam mit unseren Mitgliedern konstruktiv begleiten werden. Wir sind gespannt und freuen uns darauf, gemeinsam mit Ihnen die nötige Fachexpertise einzubringen!

Weitere Informationen

Die Empfehlungen des DV „Resilient und nachhaltig aus der Krise – gemeinsam den Wandel gestalten“ vom 27. September 2021 für die 20. Legislatur der Bundesregierung finden Sie hier.

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