Fachempfehlungen des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung für die anstehende Legislaturperiode
Berlin, 21. Februar 2025. Diesen Sonntag ist Bundestagswahl. Ein entscheidender Tag für die Zukunft unseres Landes in herausfordernden Zeiten. Wichtig ist, dass wir nach dem Ende der „Ampel“ rasch eine zupackende neue Bundesregierung bekommen. Die Aufgaben zur Stabilisierung der Wirtschaft, zur Sicherung von Freiheit, Sicherheit und Demokratie sowie im Bereich Migration und Integration sind gewaltig. Angesichts dessen geriet ein zentrales Thema für unser Zusammenleben aus dem Blick: die Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik. Doch gerade sie hat eine Schlüsselfunktion, um unsere Konjunktur zu stabilisieren: Immerhin werden 19 Prozent des Bruttoinlandsproduktes von der Branche erwirtschaftet. Gleichzeitig sorgt sie dafür, dass alle Menschen ein zu Hause haben, das sie sich leisten können und in dem sie sich wohl und sicher fühlen. Dafür ist nicht nur die Wohnung an sich elementar, sondern auch die Gestaltung unserer Quartiere mit ihren öffentlichen Räumen, mit Grün und Freiflächen, sowie mit sozialen und Gemeinschaftsangeboten in den Innenstädten und Zentren. Ebenso wichtig bleibt die Transformation zu klimaneutralen und klimawandelangepassten Städten.
Ganzheitliche, breit abgestimmte Empfehlungen
Der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. (DV) hat sich nicht mit Wahlprüfsteinen auf Basis der Analyse der Vorschläge aus den Parteiprogrammen befasst und wird sich auch jetzt nicht dazu äußern. Aber wir haben für die Zeit der Koalitionsverhandlungen ein ganzheitliches Empfehlungspapier erstellt. Es fasst kompakt zusammen, welche Handlungsfelder und Themen die neue Bundesregierung aus Sicht unseres Verbandes angehen muss. Basis für das fachlich fundierte, praxisbezogene Dokument sind die Erkenntnisse aus unserer Verbands- und Projektarbeit mit unseren Mitgliedern, die aus allen Bereichen kommen: aus Verwaltungen aller staatlichen Ebenen, aus Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, Finanzierung, Architektur, Stadterneuerung sowie aus der Zivilgesellschaft .
Wohnen, Stadt und Raumentwicklung sind zentrale Handlungsschwerpunkte
Wohnungs-, Stadt- und Raumentwicklungspolitiken müssen zu den zentralen Aufgabenfeldern der neuen Bundesregierung zählen. Sie können durch einen ausgewogenen Dreiklang an wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Belangen einen wesentlichen Beitrag leisten: zur Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft, zu einer bezahlbaren Wohnraumversorgung, zu resilienten, gemischten und lebenswerten Städten und Quartieren sowie zu gleichwertigen Lebensverhältnissen in Stadt und Land. Dies ist sowohl für den sozialen Zusammenhalt und das Vertrauen in die politische Lösungskompetenz demokratischer Kräfte bedeutsam als auch für die komplexen Herausforderungen von der globalen bis zur lokalen Ebene. Ebenso wichtig ist es, die Bau- und Immobilienbranche in ihrer enormen konjunkturellen und beschäftigungspolitischen Rolle zu stärken. Immerhin erwirtschaften die mehr als 800.000 Unternehmen des Sektors mit 3,5 Millionen Beschäftigten fast ein Fünftel der Bruttowertschöpfung in Deutschland. Die Politiken für Wohnen, Stadt- und Raumentwicklung müssen als akteurs-, sektor- und ressortübergreifende Aufgaben wahrgenommen werden, um sowohl Synergien zu erzeugen als auch Ziel- und Interessenkonflikte aufzulösen.
Verringerung von Baustandards und Investitionen in Gebäudebestand
Wenn wir mehr bezahlbaren und bedarfsgerechten Wohnraum schaffen und mit staatlicher Förderung effizient höhere Fertigstellungszahlen erreichen möchten, ist eines unabdingbar: die auf den Weg gebrachte Verringerung von überbordenden und unverhältnismäßigen Baustandards und -normen muss konsequent fortgesetzt werden – sowohl für den Neubau als auch für die Bestandstransformation. Außerdem sind die bürokratischen Planungs- und Genehmigungsverfahren weiter zu vereinfachen und zu beschleunigen. Dies reduziert Bau- und Planungskosten und erhöht die Geschwindigkeit beim Wohnungsbau.
Trotz angespannter Haushaltslage: Der Bund muss die Mittel für bezahlbaren Wohnungsbau, für Investitionen in einen zukunftsfähigen Gebäudebestand sowie für resiliente überregionale, regionale und kommunale Infrastrukturen auf hohem Niveau verstetigen. Angesichts der heterogenen Akteurslandschaft braucht es unterschiedliche Förderanreize für Investoren, um sowohl institutionelles als auch privates Kapital zu mobilisieren, aber auch, um explizit gemeinwohlorientierter Organisation zu unterstützen.
Etablierte Förderprogramme verstetigen und Fokus auf Bestand richten
Etablierte langjährige Förderprogramme sowie erfolgreiche, neu aufgelegte Spezialprogramme gilt es zu verstetigen und in ihrer Wirkung zu stärken: etwa die energetische Gebäudesanierung und Neubauförderung, die soziale Wohnraum- und Städtebauförderung sowie die Transformation der Wärmenetze. Entscheidend sind Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Ein abrupter Stopp oder ein Umschwenken sind für langfristige Investitionen mit langen Planungsvorläufen enorm schädlich. Neujustierungen können – aufbauend auf einer verlässlichen Basisförderung – zusätzlich Bonuskomponenten beinhalten, die je nach Ergebnissen und politischen Prioritätensetzungen variieren können. Neben dem Wohnungsneubau und neuen (oder dem Ersatz von) Infrastrukturen muss die Ertüchtigung und Umnutzung des Gebäudebestands im Fokus der Anstrengungen stehen.
Lastenausgleich bei Wohnkosten und der Schaffung eines klimaneutralen Gebäudebestands
Angesichts der immensen Transformationsaufgaben müssen wir aber auch ehrlich und fair mit der Entwicklung der Wohnkosten umgehen. Ein klimaneutraler Gebäudebestand erfordert Investitionen sowohl in die Gebäudehülle als auch in die Wärmeversorgungsinfrastrukturen, die ohne massive Förderung nicht mit gleichbleibenden Wohnkosten zu refinanzieren sind. Entscheidend ist allerdings eine leistungsgerechte Verteilung der Lasten.
Bauministerium erhalten, ressortübergreifendes Handeln weiterentwickeln
Angesichts der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung der Handlungsfelder sollte ein eigenständiges Bauministerium bestehen bleiben und durch mehr Mittel und Kompetenzen gestärkt werden. Dies muss insbesondere die Bestandsförderung sowie weitere Aufgaben für gleichwertige Lebensverhältnisse umfassen, ebenso wie eine Federführung bei der Weiterentwicklung baulicher Standards (insbesondere zur Energieeffizienz) und bei der Dekarbonisierung.
Um der Komplexität und den sektorenübergreifenden Wechselwirkungen wohnungs-, stadt- und raumentwicklungspolitischer Themenfelder gerecht zu werden, muss das ressortübergreifende Handeln weiterentwickelt werden. Dazu sollten entsprechende Ministerien übergreifende Managementstrukturen und -prozesse ausbauen und mit echter Wirksamkeit und Verbindlichkeit im fachpolitischen Handeln ausstatten. Denkbar sind etwa Staatssekretärsrunden unter gemeinsamer Federführung von Bauministerium und Kanzleramt.
Fortführung des Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum
Unter Rückgriff auf die bisherigen Erfahrungen der Bündnisformate vorangegangener Legislaturperioden sollte auch weiterhin ein Bündnis für bezahlbaren Wohnraum fortgeführt werden. Dies sollte sich jedoch wieder stärker auf eine engere Kerngruppe von bundespolitisch relevanten Wohnungsmarktakteure konzentrieren. Nämlich auf diejenigen, die direkt und indirekt die Schaffung und Bereitstellung von Wohnraum mitgestalten. Es gilt aber auch, die Immobilienfinanzierer stärker mit einzubeziehen und eine verbindliche Mitwirkung weiterer relevanter Ministerien zu erreichen. Ebenso sollten vordringliche Maßnahmen priorisiert werden.
Empfehlungspapier im Vorstand abgestimmt
Wir haben dazu im Vorstand nach intensiver Erörterung in unseren Arbeitsgruppen und Gremien das Empfehlungspapier rechtzeitig zum Start der neuen Regierungsbildung abgestimmt und fertig gestellt. Wir werden es nun in die Koalitionsverhandlungen einbringen. Denn für ein fundiertes und zielgerichtetes Regierungsprogramm sind wir als Verband bei allen demokratischen Parteien als neutraler Fachanwalt und Ratgeber geschätzt.
Das Empfehlungspapier für die 21. Legislaturperiode der Bundesregierung „Wohnungs-, Stadt- und Raumentwicklungspolitiken stärken“ finden Sie hier.