
Stichwort von Dr. René Peter Hohmann, Leiter EU-Büro Brüssel, Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V.
Die vorgeschlagenen Änderungen der Europäischen Kommission für den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2028–2034 sind in vielen Aspekten ein Wendepunkt für die europäische Struktur- und Kohäsionspolitik. In der laufenden EU-Förderperiode (2021–2027) ist zum ersten Mal verbindlich Geld für nachhaltige Stadtentwicklung reserviert worden. Dieses Privileg soll nach den Vorschlägen der Kommission künftig wegfallen. Konkret: Die städtische Dimension wäre zwar nach wie vor bei den „integrierten territorialen Strategien“ dabei, würde aber nicht mehr über einen festen Anteil garantiert werden. Zwar würden die nationalen Partnerschaftsvereinbarungen nach wie vor in einem Dialog zwischen Europäischer Kommission mit den Mitgliedsstaaten ausgehandelt werden, aber die nun diskutierten Nationalen und Regionalen Partnerschaftspläne für die nächste EU-Förderperiode definieren (bisher) nicht die Rolle der Bundesländer. Sollen also Städte weiterhin verlässlich auf EU-Geld zugreifen, würde dies nun nicht mehr nur von Brüssel eingefordert werden, sondern es läge allein in der Verantwortung der Politik in den Mitgliedsstaaten und ihren Regionen.
Von Quoten zu Optionen
In der aktuellen Periode gilt: Mindestens acht Prozent des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) sind national für nachhaltige Stadtentwicklung zu reservieren, die die Bundesländer für die Umsetzung programmieren können. Dies hat ihnen erstmals eine klare Verantwortung und Planungssicherheit verschafft. Im neuen Vorschlag hingegen entfällt die Mittelbindung. Artikel 75 des Entwurfs nennt zwar „integrierte territoriale und städtische Entwicklung“ ausdrücklich, überlässt jedoch die Option Instrumente der territorialen Entwicklung zu nutzen (ITI, CLLD und Sonstige) vollständig den Verhandlungsprozessen innerhalb der Mitgliedstaaten. Damit sind Städte stärker auf das Wohlwollen des nationalen Aushandlungsprozess angewiesen.
Territorialität als Rahmen
Ein zentrales Element des neuen Vorschlags ist die Ausweitung integrierter territorialer Strategien auf unterschiedlichste Räume: nicht nur Städte, sondern auch ländliche Regionen, Küstengebiete, Inseln und funktionale Räume, ihre Nutzung ist aber optional. In der Tabelle auf der rechten Seite finden Sie detaillierte Informationen zum Vergleich zwischen dem aktuellen Mehrjährigen Finanzrahmen und dem Vorschlag für die Förderperiode 2028–2034. Ein Klick auf die Tabelle vergrößert die Ansicht.
Die Rolle der Bundesländer in Deutschland
Im neuen Finanzrahmen wird die Ausgestaltung der Nationalen und Regionalen Partnerschaftspläne zur zentralen Weichenstellung. Sie legen fest, welche politischen Prioritäten Deutschland in der Kohäsionspolitik verfolgt, und hier entscheidet sich, ob die städtische Dimension als eigenständiges Handlungsfeld sichtbar bleibt oder hinter anderen Zielen zurücktritt. Die Bundesländer sind dabei Schlüsselakteure: Sie verhandeln gemeinsam mit dem Bund die Inhalte der Pläne und verantworten später deren konkrete Umsetzung.
Gerade darin liegt jedoch die Unsicherheit. Die Europäische Kommission hat bislang gewährleistet, dass die städtische Dimension fest verankert ist. Künftig ist damit zu rechnen, dass sie deutlich stärker von den politischen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern abhängt. Konkret geht es darum, wie auf nationaler Ebene gesetzt wird – sei es auf die ökologische Nachhaltigkeit, die wirtschaftliche Stärke des Landes, die Entwicklung des ländlichen Raums oder um den Städteregionen. Städte müssen also künftig ihre Interessen wieder viel stärker auch in den föderalen Aushandlungsprozess hineintragen.
Implikationen für die städtische Dimension
Ob nach 2027 auch in den neuen Förderstrukturen ausreichend Gelder für die nachhaltiger Stadtentwicklung bereitstehen, wird also weniger von rechtlichen Vorgaben abhängen, sondern vielmehr von politischen Entscheidungen, die in Berlin, aber auch in den Landesregierungen getroffen werden. Es besteht nun die Gefahr, dass Stadtentwicklung zwar in den Partnerschaftsplänen erwähnt wird, aber nicht mit den erforderlichen Mitteln unterfüttert ist – und die städtische Dimension folglich geschwächt wird. Dies umso stärker, wenn insgesamt das Mittelvolumen aus den EU-Strukturfonds für deutsche Bundesländer weiter sinkt und sich der zusätzliche Verwaltungsaufwand für Maßnahmen zur Stadtentwicklung weniger lohnt.
Städte stehen somit doppelt unter Druck: Auf europäischer Ebene, weil verbindliche Quoten und verpflichtende Instrumente entfallen; auf nationaler Ebene, weil Prioritäten erheblich variieren können. Kommunen müssen deshalb noch intensiver mit den Landesregierungen kooperieren, um ihre Interessen in den Partnerschaftsplänen zu verankern. Gleichzeitig bietet der neue Rahmen auch Chancen: Stadtentwicklung kann stärker an regionale Besonderheiten angepasst werden, etwa in Ballungsräumen, Grenzregionen oder Städten im Strukturwandel.
Nächste Schritte im europäischen Aushandlungsprozess
Entscheidend ist nun der weitere europäische Aushandlungsprozess. Mit der Vorlage des Kommissionsentwurfs COM(2025) 565 ist der Startpunkt gesetzt. In den kommenden Monaten werden das Europäische Parlament und der Rat ihre Positionen entwickeln. Erfahrungsgemäß beanspruchen diese Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) mindestens 18 bis 24 Monate. Ziel ist eine Einigung bis spätestens Ende 2027, damit die neue Förderperiode 2028 ohne Verzögerung beginnen kann.
Für die städtische Dimension eröffnet sich hier ein strategisches Zeitfenster: Im Europäischen Parlament gibt es traditionell eine stärkere Unterstützung für verbindliche Elemente, wie einer Territorialen Dimension, während im Rat die Mitgliedstaaten stärker auf Flexibilität pochen. Ob es gelingt, in den Trilog-Verhandlungen zumindest eine Mindestabsicherung für Städte oder klare Anforderungen an die Partnerschaftspläne zu verankern, entscheidet sich in diesem Prozess.
Damit wird die Zukunft der städtischen Dimension nicht allein durch nationale Prioritätensetzung bestimmt, sondern auch durch das Kräfteverhältnis in den europäischen Institutionen. Kommunale Akteure und Länderregierungen sind daher gefordert, ihre Interessen frühzeitig in die Debatten einzubringen , sowohl in Brüssel als auch in Berlin und den Landeshauptstädten.
