Heike Mages

Wachsende Wohnkostenbelastung – Ursachen, Auswirkungen und Lösungsansätze

Zwischen Regulierung, Finanzierungsdruck und sozialem Auftrag

Stichwort von Frank Emrich, Vorsitzender der AG Wohnungswesen des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. (DV) und Verbandsdirektor vtw Verband Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft

Bezahlbares Wohnen ist mehr als ein soziales Grundbedürfnis – es ist eine der zentralen Gerechtigkeitsfragen unserer Zeit. In vielen deutschen Städten und Ballungsräumen geraten immer mehr Haushalte durch steigende Wohnkosten unter Druck. Die Ursachen sind vielfältig, ihre Auswirkungen tiefgreifend – sowohl für Mieter:innen als auch für sozial orientierte Wohnungsunternehmen. Vor dem Hintergrund wachsender Herausforderungen stellt sich die Frage, wie tragfähige und ausgewogene Lösungen für bezahlbaren Wohnraum künftig aussehen können.

„Die Sicherung bezahlbarer Wohnkosten ist kein rein wohnungspolitisches Thema – sie ist ein Gradmesser für sozialen Zusammenhalt und wirtschaftliche Stabilität. Dafür braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern, Kommunen und Wohnungswirtschaft.“
Frank Emrich, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft

Ursachen: Warum steigen die Wohnkosten?

Knappes Angebot trifft hohe Nachfrage

In zahlreichen deutschen Großstädten und Wachstumsregionen übersteigt die Nachfrage nach Wohnraum seit Jahren das Angebot. Diese strukturelle Schieflage sorgt für kontinuierlich steigende Mieten. Gleichzeitig bleibt in ländlichen oder strukturschwachen Räumen Wohnraum häufig leer oder erzielt Kaltmieten, die Investitionen in Modernisierung oder energetische Sanierung unwirtschaftlich machen. Hinzu kommt: In vielen Regionen zeichnen sich künftig zusätzliche Belastungen durch steigende Nebenkosten ab – etwa durch höhere Betriebskosten oder gestiegene Energiekosten.

Kostensteigerungen auf allen Ebenen

Der Wohnungsbau steht unter massivem Druck: Höhere Materialpreise, Fachkräftemangel und die Zinswende haben Bau- und Sanierungskosten auf ein historisches Hoch getrieben. Diese Entwicklung trifft auf stagnierende oder nur langsam steigende Reallöhne, wodurch die Wohnkostenbelastung für viele Haushalte überproportional wächst. Gleichzeitig erschwert die Unsicherheit in den politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen eine verlässliche Investitionsplanung für Wohnungsunternehmen.

Auswirkungen: Wer trägt die Last der steigenden Kosten?

Wachsende Mietbelastungsquoten

Inzwischen liegt in vielen Städten die Mietbelastungsquote – also der Anteil des Haushaltseinkommens, der für die Bruttokaltmiete aufgewendet werden muss – deutlich über dem als tragbar geltenden Wert von 30 Prozent. Für einkommensschwache Haushalte oder Alleinerziehende kann diese Quote auf über 40 Prozent steigen. Dies führt häufig zu Verdrängungseffekten, eingeschränkter Wohnortwahl und langfristig zu geringerer gesellschaftlicher Teilhabe.

Soziale Spaltung droht

Während Besserverdienende steigende Wohnkosten leichter abfedern können, geraten Haushalte mit niedrigen oder mittleren Einkommen zunehmend in die Defensive. Gerade in Ballungsräumen entwickeln sich so „Wohnungsarmut“ und soziale Segregation. Besonders betroffen: junge Familien, Rentner:innen, Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund und Studierende.

Staatliche Maßnahmen: Politisches Handeln mit Wirkung und Grenzen

Wohngeldreform, Mietpreisbremse & sozialer Wohnungsbau

Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren mit der Wohngeldreform wichtige Schritte unternommen, um einkommensschwache Haushalte besser zu unterstützen – etwa durch höhere Zuschüsse und eine Ausweitung des Empfängerkreises. Auch die Mietpreisbremse soll in angespannten Wohnungsmärkten übermäßige Mietsteigerungen begrenzen. Doch all diese Maßnahmen können das strukturelle Missverhältnis von Angebot und Nachfrage allein nicht ausgleichen. Mit Förderprogrammen für den sozialen Wohnungsbau sollen neue Mietwohnungen mit langfristiger Mietpreisbindung entstehen.

Kommunale Initiativen: Wohnbauoffensiven und Bodenpolitik

Auch Städte und Gemeinden können zur Entspannung der Lage beitragen – etwa durch aktive Bodenpolitik. Wohnbauoffensiven, bei denen kommunales Bauland zu günstigen Konditionen vergeben oder Bebauungsprozesse beschleunigt werden, sind zentrale Hebel. Kommunale Wohnungsunternehmen oder gemeinwohlorientierte Träger können so gezielt in Wohnraum investieren, der bezahlbar und sozial gemischt ist.

Diskussionen und Lösungsansätze: Wie sichern wir bezahlbares Wohnen?

Tragbare Wohnkosten – realistische Investitionen

Bezahlbarer Wohnraum muss für Mieter:innen erschwinglich und für Anbieter wirtschaftlich darstellbar sein. Dieses Spannungsverhältnis wird in der Praxis zur zentralen Herausforderung. Es braucht daher eine kluge Kombination aller wohnungspolitischen Instrumente: neben der Subjektförderung (z. B. Wohngeld) auch eine gezielte Objektförderung.

Ein mehrsäuliges Fördersystem kann dabei helfen, unterschiedliche Zielgruppen und Marktsegmente passgenau zu adressieren. Die sogenannte „zweite Säule“ der Wohnraumförderung – also Projekte mit etwas höheren Mieten, aber geringerem Förderbedarf – kann zu einer besseren sozialen Durchmischung der Quartiere beitragen und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit der Investitionen verbessern.

Folgen verschärfter Mietenregulierung: Wenn Investieren zur Herausforderung wird

Doppelte Belastung für sozial orientierte Wohnungsunternehmen

Insbesondere sozial orientierte Wohnungsunternehmen – darunter kommunale Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsbaugenossenschaften – stehen aktuell unter massivem Druck. Einerseits sollen sie Neubau, Modernisierung und energetische Sanierung realisieren, andererseits begrenzen Mietspiegel, Preisbindungen und gestiegene Bau-, Finanzierungs- und Bewirtschaftungskosten ihre Handlungsspielräume.

Das Finanzierungsdilemma für Neubau und Bestandssanierung

Ein häufig von Branchenvertreter:innen genanntes Investitionshemmnis ist der Mangel an Eigenmitteln bzw. Liquidität. Aufgrund der stark gestiegenen Baukosten und der deutlich höheren Zinsen können viele Wohnungsunternehmen – insbesondere bei geringem Eigenkapital und niedrigen Bestandsmieten, deren Anhebung nach Sanierungen begrenzt ist – kaum noch ausreichend Eigenmittel generieren. Das hat zur Folge, dass sie im Neubau oder bei Neuvermietungen heute sehr hohe Mieten verlangen müssten, die nicht sozialverträglich sind – oder Neubau- und Sanierungsprojekte aktuell gar nicht mehr umsetzen können.

Diese Entwicklung macht deutlich: Neubau und Bestandssanierung ist ohne zusätzliche Eigenmittel oder Zuschüsse insbesondere für sozial orientierte Wohnungsunternehmen zurzeit wirtschaftlich nicht darstellbar.

Fazit: Investitionsförderung ausbauen

Die Schaffung und Sicherung bezahlbaren Wohnraums braucht mehr als gut gemeinte Regulierungen – sie braucht tragfähige Finanzierungsmodelle und echte Investitionsanreize. Neben Subventionen und zinsgünstigen Krediten sind direkte Zuschüsse entscheidend, damit sozial orientierte Wohnungsunternehmen ihre Rolle als zentrale Akteure im bezahlbaren Wohnungsbau weiterhin ausfüllen können. „Mehr Investitionen in bezahlbaren Wohnraum erfordern auch mehr Investitionsförderung in Form von echten Zuschüssen.“, so Emrich. Langfristig geht es um mehr als Bauzahlen. Es geht um lebenswerte, sozial gemischte Quartiere. Und um eine Wohnungswirtschaft, die wirtschaftlich tragfähig und sozial verantwortungsvoll agieren kann. 

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