Weiße Weste statt schwarzer Peter

von Michael Groschek, Präsident des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V.

In vielen Stadtregionen sind unsere Wohnungsmärkte aus den Fugen geraten: Mieten sind rasant gestiegen, bezahlbarer Wohnraum wird zur Mangelware. Doch wer ist dafür verantwortlich und wer muss handeln? Es gilt das Gebot, eigene Verantwortung zu übernehmen, statt sich mit dem schwarzen Peter zu belügen. Die Immobilienwirtschaft ruft „Staatsversagen“ mit Blick auf die Privatisierung öffentlicher Bestände, die Höchstpreisvergabe von Grundstücken, die Maßlosigkeit bei Steuern und Abgaben und übertriebene Baustandards. Die Politik antwortet mit dem Vorwurf von Profitgier durch Luxussanierung und Wuchermentalität bei Baukosten, Mieten und Immobilienpreisen. Die Pflicht der Gescheiten ist es aber, eine Verantwortungsgemeinschaft zu bilden, also handlungsorientierte Bündnisse für das Wohnen auf allen Ebenen. Dies ist mittlerweile vielfach erfolgreich geschehen.

Die aktuelle Kostendynamik hat viele Treiber: Wer Sand und Kies verknappt, macht das Wohnen teuer. Wer Bauland knapp hält und zu Höchstpreisen verkauft, macht das Wohnen teuer. Wer die Grund- oder Grunderwerbssteuerschraube überdreht, macht das Wohnen teuer. Wer Baukonjunktur nutzt, um Missbrauchspreise zu kassieren, macht Wohnen teuer. Wer „wünsch dir was“ Standards festschreibt, macht Wohnen teuer. Wer beim Abbruch Deponiepflichten verschärft und gleichzeitig Deponieraum einschränkt, macht Wohnen teuer.

Spürbare Erfolge gibt es nur bei einer Verantwortungsgemeinschaft auf kommunaler Ebene. Das Ausweisen von mehr Bauland und die Mobilisierung ungenutzter Grundstücke, Quoten für Sozialwohnungen und Konzeptvergaben sowie das Werben für Neubauakzeptanz gelingt leichter im kommunalen Bündnis. Die Kommune kann zudem „Verdichten durch Aufstocken“ zum Aufbauprogramm machen und Dachausbau, Aufstockungen und die Umnutzung von Gewerbebauten erleichtern. Auch auf Lidl und Aldi, Rewe und Edeka lässt sich gut Wohnen oder in die Kita gehen.

Berlin ist die Ausnahme, nicht der Maßstab. Die Macht der Schlagzeile lenkt zu oft von der politischen Ohnmacht ab. Mächtig ohnmächtig wirkt die Idee eines Volksentscheids zu Enteignung von Wohnungsbaukonzernen, wie sie in Berlin derzeit von einer Bürgerinitiative angestrebt und von Politik und Medien dankbar aufgegriffen wird. Steuermilliarden als Entschädigung wären der Preis für eine gescheiterte Wohnungsbaupolitik. Der „Volkswille“, der die Bebauung des Tempelhofer Flughafens verhindert hat, soll jetzt weitere Neubauinvestitionen verhindern, weil das dafür notwendige Geld aus vorhandenen Wohnungen Volkseigentum machen soll, statt neue Wohnungen für‘s Volk zu bauen. Der mediale Berlinfokus darf nicht zum Brennglas für Deutschland werden. 90 Prozent der Mietwohnungen werden nicht von mächtigen Konzernen angeboten, sondern von kommunalen Wohnungsunternehmen, Genossenschaften und vor allem von Privateigentümern. Deren Motivation sind in Zukunft unverzichtbar für ein angemessenes und bezahlbares Wohnraumangebot. 

Sachlicher Gesamtfahrplan notwendig. Eine Wohnungsbaupolitik ist dann nachhaltig, wenn sie zumindest für ein Jahrzehnt verlässliche Rahmenbedingungen garantiert. Neben Schwarmstädten und Ballungsräumen muss auch die Ankerfunktion von Provinzstädten gestärkt werden, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu sichern und weitere Abwanderung in dynamische Städte zu verhindern. Die Erschließung mit Glasfaser und funktionstüchtigen Verkehrswegen ist auch Teil nachhaltiger Wohnungsbaupolitik. Nur mit diesem Bündel an Maßnahmen, der Mitwirkung aller Kräfte aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sowie der Einbindung sämtlicher Städte und Regionen, lässt sich der Wohnungsmarkt entspannen. Politik und Verbände tun deshalb gut daran, gemeinsam und konstruktiv an diesem komplexen Gesamtfahrplan zu arbeiten. Eine weiter emotionalisierte und teils irrationale Debatte führt nur zu unsachgemäßen Scheinlösungen.

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