Teamwork statt „Blame Game“ – Wir müssen Neubauakzeptanz als Gemeinschaftsaufgabe wahrnehmen!

von Michael Groschek, Staatsminister a. D., Präsident des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V.

Über die politischen Lager hinweg herrscht Einigkeit, dass wir dringend mehr bezahlbare Wohnungen in Ballungsräumen mit angespannten Märkten schaffen müssen. Das manifestiert sich jedoch immer noch nicht in mehr Baukränen und rollenden Baggern. Denn sobald es hinunter auf die Quartiersebene und zu konkreten Vorhaben geht, verhärten sich die Fronten und das gemeinsame Ziel und damit auch das Gemeinwohl stehen hinter persönlichen und Einzelinteressen zurück. Der raue Ton rund um den Berliner Mietendeckel, Anwohner, die Bauvorhaben vor der eigenen Haustür ablehnen sowie die zweifellos zu verurteilenden Praktiken einiger „schwarzer Schafe“ bei den Vermietern dominieren öffentliche Debatten und erschweren zunehmend den Austausch von sachlichen Argumenten. Dabei wäre es dringend geboten, dass sich jeder einzelne aus Wohnungswirtschaft, Politik und Gesellschaft seiner Verantwortung bewusst wird, statt mit dem Finger auf sein Gegenüber zu zeigen. Denn Fakt ist: Jeder Akteur verfügt über eigene Stellschrauben, um zu einem besseren Neubauklima beizutragen und damit die Basis für den Bau von mehr Wohnraum zu schaffen.  

Wohnungspolitische Bündnisse bauen langfristiges Vertrauen auf

Neubauakzeptanz beginnt nicht bei den Anwohnenden, die direkt von einem Bauvorhaben betroffen sind. Vielmehr legen wohnungspolitische Gesamtstrategien, Bündnisse und die Debattenkultur auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene den Grundstein für einen dauerhaften konstruktiven Dialog aller Beteiligten und geben den Ton der lokalen Diskussion vor. Es gilt zunächst, auf übergeordneter Ebene Bedarfe zu klären, Vertrauen zu schaffen und gemeinsam den strategischen Kompass auszurichten. Dazu braucht es einerseits die Initiative der Politik, die geschützte Räume zum Austausch schafft und diese zum Beispiel durch wohnungspolitische Bündnisse langfristig bereitstellt. Zum anderen müssen sich Wohnungswirtschaft und weitere Interessenvertreter offen zeigen, dieses Angebot konstruktiv zu nutzen. Dies gelingt vielerorts schon, ist jedoch längst nicht flächendeckend etabliert.

Entwicklungspotentiale aktiv verwalten

Auf kommunaler Ebene ist ein aktives Management von Flächenpotentialen notwendig. Gerade im Innenbereich, wo die „niedrig hängenden Früchte“ zuneige gehen und kleinteilige, konfliktreiche Flächen bleiben, ist dies unabdingbar, um handlungsfähig zu bleiben. Einerseits kann mithilfe eines systematischen Überblicks an Flächenpotentialen ein vielfältiges Angebot für potentielle Investoren und Projektentwickler geschaffen werden. Zum anderen macht dieses Wissen die Kommunen flexibler: Denn es stärkt ihre Position gegenüber Grundstückeigentümern und ermöglicht größere Entscheidungsspielräume, die letztlich breit akzeptierte Vorhaben wahrscheinlicher machen. Eine Grundvoraussetzung hierfür sind jedoch ausreichende Kapazitäten in kommunalen Verwaltungen.

Beteiligung braucht Entscheidungsspielräume

Sind diese Bedingungen erfüllt, können sich Kommunen auch den widerstreitenden Interessen auf der konkreten Projektebene widmen, ohne dass diese von übergeordneten Konflikten, Misstrauen und Handlungszwängen überlagert werden. Auf der Umsetzungsebene sind die jeweiligen Projektträger besonders in der Pflicht, die berechtigten Interessen von Anwohnenden und anderen Anspruchsgruppen ernst zu nehmen und frühzeitig anzuhören. Dabei muss klar sein: Beteiligung zum Selbstzweck ist kontraproduktiv, verspielt Vertrauen und verhärtet die Fronten weiter. Wer Beteiligung ankündigt muss auch Entscheidungsspielräume anbieten. Das heißt jedoch nicht, dass von legitimierten politischen Entscheidungsträgern und ihren Verwaltungen beschlossene Projekte an sich zur Debatte stehen. Stattdessen muss es um das „Wie“ gehen. Hier wiederum sind die Projektträger auf Rückhalt aus der Kommunalpolitik angewiesen, die ein einmal abgesegnetes Projekt auch in zum Teil langwierigen Planungsprozessen weiter offensiv unterstützen sollten.

Es gibt zahlreiche gute Beispiele. Rückt sie in den Fokus!

Dass mehr bezahlbarer Wohnraum auch in einem von knappem Bauland geprägten Markt sowie in einem Umfeld möglich ist, das Neubauvorhaben kritisch gegenübersteht, zeigen viele lokale und regionale Bündnisse sowie innovative Akteure. Der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung ist darauf bedacht, diese zahlreichen guten Beispiele in den Fokus zu rücken und durch konstruktive Debatten andere zur Nachahmung anzuregen. Dies war auch das Anliegen der vier Regionalkonferenzen „Akzeptanz für mehr Wohnungsneubau“, die der Verband für das Bundesinnenministerium durchgeführt hat. Die Ergebnisse erscheinen in Kürze in Form einer Broschüre mit 20 Kernbotschaften zur Gemeinschaftsaufgabe Neubauakzeptanz. 

Regionalkonferenzen

Weitere Informationen zu den vier Regionalkonferenzen "Neubauakzeptanz" finden Sie hier.

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