Lust statt Frust am Klimaschutz!

Greta Thunberg und ihre Freitagsdemos haben eine Medienwelle entfacht, die auch das „Schiff Bundesregierung“ endlich auf Klimakurs gebracht hat. Der DV möchte gerne Kompass sein, um den Zielhafen sicher zu erreichen.

Von Michael Groschek, Staatsminister a. D., Präsident des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V.

Die Jugend erinnert uns immer vehementer an unser aller Verantwortung für den Klimaschutz. „Wir haben verstanden“, signalisiert die Bundesregierung mit dem Klimaschutzprogramm. Das ist höchste Zeit. Erst jetzt scheinen wir die enormen Transformationsanstrengungen in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen zu realisieren und anzugehen. Noch wird das Klimaschutzprogramm dem aber nicht gerecht und ist ein Minimalkompromiss. Der notwendige Einstieg in eine CO2-Bepreisung ist zaghaft, sendet mit dem ansteigenden Preis aber zumindest ein richtiges Signal für Investitionen. Das Mieter-Vermieter-Dilemma bei der energetischen Sanierung löst er jedoch nicht. Wir brauchen insgesamt deutlich mehr Mittel, völlig neue Instrumente und ein innovatives Systemdenken. Nur so können wir die Umwälzungen in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen bewältigen und gleichzeitig die Menschen mitnehmen, ohne sie zu überlasten.

Vorgesehene Instrumente reichen nicht aus, um Klimaziele zu erreichen

Allein die 120 Millionen Tonnen CO2, die Gebäude unmittelbar ausstoßen, müssen bis 2030 auf 72 Millionen Tonnen sinken. Dazu müsste vor allem die Bestandsmodernisierung massiv ausgeweitet werden: Entweder halbiert sich in 80 Prozent der Gebäude der Energieverbrauch, oder 40 Prozent werden zu Nullenergiehäusern modernisiert. Dies wird sich mit den angekündigten Instrumenten und mit dem vorgesehenen Fördervolumen nicht erreichen lassen. Wenn doch, führt es höchstwahrscheinlich zu sozialen Verwerfungen. Dies erzeugt Frust: bei den Vermietern, die in Klimaschutz investieren wollen, aber auch bei den Mietern. Denn letztere bezahlen die energetische Sanierung derzeit mit höheren Mieten.

 Sechs Milliarden Euro Unterstützung für Modernisierung von Mietwohnungen notwendig

Für mehr Lust am Klimaschutz muss die Agenda der Bundesregierung deutlich engagierter werden. Wir brauchen zudem mehr Klarheit über die je nach Gebäude und Standort anfallenden Kosten und über sinnvolle Modernisierungsmaßnahmen. Selbst bei konservativer Schätzung besteht allein für die Mietwohnungen jährlich eine Finanzierungslücke von sechs Milliarden Euro, für alle Wohngebäude sind es sogar 14 Milliarden Euro. Sonst lassen sich die Klimaschutzziele nicht wirtschaftlich und sozialverträglich erreichen. Das zeigen sowohl die dena-Leitstudie "Integrierte Energiewende" als auch Hochrechnungen der durchschnittlichen Modernisierungskosten. Denn der Umbau auf Neubaustand kostet im Schnitt 323 Euro pro Quadratmeter. Davon lässt sich nur etwa ein Drittel durch Energieeinsparungen refinanzieren. Bei 1,4 Milliarden Quadratmetern vermieteter Wohnfläche macht dies eine Finanzierungslücke von sechs Milliarden Euro aus. Für die selbstgenutzten Immobilien kommen weitere acht Milliarden Euro dazu. Und damit ist der Bestand noch nicht klimaneutral.

Steueranreize auch für private Kleinvermieter wichtig

Die Bundesregierung will das Fördervolumen nur von zwei auf drei Milliarden Euro erhöhen. Daraus sollen sowohl die Einführung der steuerlichen Förderung als auch die Verbesserung der KfW-Förderung um zehn Prozent und gesonderte Zuschüsse für bestimmte Unternehmen finanziert werden. Oberstes Ziel ist die Deckelung des Fördervolumens. So sind die Steueranreize auf Selbstnutzer beschränkt, obwohl diese für private Kleinvermieter genauso wichtig wären. Zudem soll die Förderung nur für den KfW-Effizienzhausstandard 70 oder gar 55 gewährt werden – also für umfassende Sanierungen, vor denen Privateigentümer in der Regel immer noch zurückschrecken. Fraglich ist auch, ob eine zehnprozentige Verbesserung der Tilgungszuschüsse für KfW-Kredite ausreicht, damit mehr Vermieter umfassende Modernisierungen durchführen.

Neue Quartiersansätze zu zaghaft

Ebenso zaghaft sind die Neuerungen für energetische Quartiersansätze. Zwar soll das KfW-Programm energetische Stadtsanierung verbessert werden. Es fehlen aber Details, ob es endlich mehr Mittel für Sanierungsmanagement und Investitionszuschüsse gibt. Die Quartiersansätze offenbaren, dass ganz andere Förderanreize und eine intensivere Beratung und Begleitung der Eigentümer notwendig sind. Zudem muss für die dringend benötigte Sektorkopplung von Wärme, Strom und Mobilität endlich der Rahmen für Mieter- oder Quartiersstrom angepasst werden. Die dafür notwendigen Änderungen im Energiewirtschafts- und Steuerrecht möchte der Bund nun nochmals prüfen, dabei sind sie bereits seit Jahren bekannt. Statt erneuter Analysen sollten wir auf Grundlage der bestehenden Änderungsvorschläge jetzt handeln. Sonst werden wir es nie schaffen, die unzähligen Dachflächen auf Mietshäusern als solare Kraftwerken zu nutzen.

Klimaschutzprogramm geht nicht weit genug

In seiner jetzigen Form wird das Klimaschutzprogramm nicht den notwendigen Modernisierungsschub auslösen. Der DV hat gemeinsam mit Mieterbund und GdW die Politik daran erinnert, dass größere Klimaschutzanstrengungen im Wohnungsbestand notwendig sind und auch die dafür notwendigen Mittel berechnet. Das „Kursbuch Klimaschutz“ des DV skizziert darüber hinaus eine nachhaltige Route für mehr Klimaschutz im Gebäudebestand: Leitgedanke müssen eine CO2-Betrachtung, technologieoffene effizienz- und versorgungsseitige Lösungen im Quartier sein – nicht größtmöglicher Wärmeschutz für jedes einzelne Gebäude. Wir müssen Sanierungen in der Breite fördern und nicht nur an der Spitze. Dazu muss das Klimakabinett aber endlich Fördermittel in einer völlig neuen Größenordnung mobilisieren und in eine neue Systematik von Ordnungsrecht und Förderung einsteigen – oder wir vergessen die Klimaziele!

Kursbuch des DV

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