EU-Strukturpolitik darf den Bürger nicht verlieren! Die EU-Förderung nachhaltiger Stadtentwicklung leistet dazu einen wichtigen Beitrag

von Hella Dunger-Löper, Staatssekretärin a.D., Vorsitzende der AG Europa

Die Förderung von Projekten der nachhaltigen Stadtentwicklung hat innerhalb der EU-Strukturfonds einen hohen Stellenwert. Allein in Deutschland werden nach heutiger Planung bis 2020 aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) 1,5 Milliarden Euro eingesetzt. Diese Mittel bieten eine wertvolle Ergänzung zu den Förderprogrammen von Bund und Ländern. Die laufenden Vorhaben reichen von integrierten energetischen Quartierskonzepten in Meißen über Projekte der sozialen Inklusion in Berlin-Neukölln bis hin zur Unterstützung lokaler Cluster im Bereich Medizintechnologie in Mannheim. Durch lokale Projekte im Bereich Bildung, soziale Infrastrukturen, Mobilität, lokale Ökonomie oder Aufwertung von Gebäuden und öffentlichem Raum wird die EU-Förderung für die Bürgerinnen und Bürger sichtbarer als manch andere abstrakte und teils negativ bewertete EU-Politik.

Obwohl die Bundesländer und Kommunen noch mitten in der Umsetzung der laufenden Förderperiode stecken, muss man sich bereits jetzt intensiv mit der Zukunft der EU-Förderung nach 2020 auseinandersetzen. Denn in den kommenden zwei Jahren stehen eine Reihe an entscheidenden Gesetzgebungsinitiativen an. Bis Ende 2017 erfolgt die Vorlage des neuen Mehrjährigen Finanzrahmens. Dieser dürfte aufgrund des bevorstehenden Austritts Großbritanniens geringer ausfallen, sodass Kürzungen bei den EU-Strukturfonds wahrscheinlich sind. Bereits 2018 werden zudem die neuen Verordnungsvorschläge erwartet. Angesichts der zunehmenden Europaskepsis melden sich im Vorfeld der Debatte vermehrt kritische Stimmen zu Wort, die den Mehrwert einer integrierten Stadtentwicklungsförderung vor allem für besser entwickelte Regionen in Frage stellen.

EU-Strukturpolitik – mehr als nur finanzielle Unterstützung

Die EU-Strukturförderung ist mehr als eine reine Ausgleichspolitik. Sie setzte in der Vergangenheit immer wieder wichtige Impulse für neue Ansätze in der integrierten Quartiersentwicklung oder jüngst im Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit. Bundesländer wie Brandenburg oder Bayern erweitern seit 2014 die Förderansätze ihrer Kommunen über die Quartiersebene hinaus, auf Stadt-Umland bzw. stadtregionale Entwicklungsansätze. Auch die Projekte der territorialen Zusammenarbeit (zum Beispiel Interreg, URBACT) tragen auf europäischer Ebene zu einem wertvollen grenzüberschreitenden Erfahrungsaustausch bei. Durch die hohen Anforderungen und Voraussetzungen an die Planung und Umsetzung wird zudem ein hoher Qualitätsmaßstab an die Projekte gelegt.

Durch verschiedene normative und regulative europäische Zielvorgaben beeinflusst die EU zudem indirekt die städtische und regionale Entwicklung. Deshalb benötigen Städte und Regionen zur Umsetzung der EU-Normen flächendeckend Unterstützung. Die Kommunen in Deutschland stehen unter erheblichem Druck: Es gilt, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, natürliche Ressourcen effizient zu nutzen und den Klimawandel zu begrenzen. Weiterhin müssen sie sich neuen Herausforderungen stellen, wie der fortschreitenden Digitalisierung aller Lebensbereiche oder der zunehmenden Zuwanderung. Die EU-Strukturpolitik ist daher nicht nur für Metropolen und Großstädte unverzichtbar, sondern auch für kleine und mittelgroße Städte in ländlichen und strukturschwachen Regionen. Sie muss für alle Gebietskategorien erhalten bleiben, damit Städte und funktionale Gebietseinheiten ihr größtmögliches Potential entfalten können. 

Klare Regeln und Verfahrensvereinfachung notwendig

Die Europäische Kommission hat mit Artikel 7 der EFRE-Verordnung eine wichtige Basis geschaffen, um die Förderung der integrierten Stadtentwicklung über die Strukturfonds rechtlich zu verankern. Allerdings sind die damit verbundenen hohen, teilweise überzogenen Verwaltungs- und Kontrollvorschriften eine große Gefahr für die Akzeptanz der EU-Förderung in den Bundesländern und Kommunen. Obwohl fast alle Operationellen Programme in Deutschland die Förderung städtischer Vorhaben zulassen, fördert nur knapp die Hälfte nach Maßgabe des Artikels 7. Ein fatales Signal und ein sehr deutlicher Hinweis darauf, dass die Verkomplizierung des Regelwerkes eine besser fokussierte Förderpolitik tendenziell verhindert. Um die Effizienz der Förderpolitik auch in Zukunft gewährleisten zu können, bedarf es deshalb einer starken administrativen Vereinfachung und einer inhaltlichen Flexibilität des Regelwerkes - sowohl seitens der EU, aber auch in der Auslegung durch nationale und regionale Behörden. Die Förderung von  Stadtentwicklungsprojekten, die wirklich integrativ angelegt sind und auch so arbeiten, wurde in der Vergangenheit durch zu enge Zielvorgaben erschwert. Weitere Hürden waren die Einbindung der Kommunen in das Prüf- und Kontrollverfahren sowie eine unklare Auslegung im Bereich des Beihilferechts.

Hinzu kommt die politische Tendenz seitens Kommissionspräsident Juncker, zunehmend auf hoch innovative, sektorale ausgerichtete Förderpolitiken zu setzen. Die Einrichtung von Finanzinstrumenten wie z.B. des Europäischen Fonds für strategische Investitionen, hilft nur bedingt: Dieser ist nicht auf integrierte Ansätze ausgerichtet, sondern unterstützt eher risikobehaftete Prestigeprojekte. Zwar ist die Weiterentwicklung von revolvierenden Finanzinstrumenten aufgrund defizitärer kommunaler Haushaltslagen langfristig sinnvoll. Dennoch bleiben Projekte der Stadtentwicklung weitestgehend auf Zuschüsse angewiesen, da diese nur in Teilbereichen Rückflüsse generieren können.  

EU-Förderung darf nicht zu reiner Elitenförderung werden   

Dies gilt nicht nur für die Regelprogramme aus dem EFRE, sondern auch für die transnationale Zusammenarbeit. Die Interreg-Programme bieten ein wichtiges Feld, um innovative Ansätze der integrierten Stadt- und Regionalentwicklung zu entwickeln, investive Maßnahmen vorzubereiten und diese in einen internationalen Erfahrungsaustausch einzubetten. Darüber hinaus unterstützen sie länderübergreifende, großräumige Vorhaben. So zum Beispiel Projekte für einen intermodalen Personen- und Güterverkehr oder zur Anbindung städtischer Knoten entlang der europäischen Verkehrskorridore. Auch regionale Energieversorgungs-Strategien, in denen Partner auf verschiedenen Akteurs-Ebenen an gemeinsamen integrierten Konzepten arbeiten, werden über Interreg abgedeckt. Die laufende Förderperiode konzentriert sich jedoch zunehmend auf sektorale und auf technologische Innovation ausgerichtete Projekte, die integrierte, raumbezogene Ansätze kaum mehr zulassen.

Hier ist Vorsicht geboten: Denn wenn sich die EU-Förderpolitik einseitig auf eine „Elitenförderung“ ausrichtet, riskiert sie, den Bezug zu Bürgerinnen und Bürger zu verlieren. Gerade EU-geförderte Vorhaben der integrierten Stadtentwicklung, bei denen bauliche, d.h. infrastrukturelle, soziale und ökologische Maßnahmen kombiniert werden, bieten den Bürgerinnen und Bürger über die EU-Projekte eine positive Identifikation mit der Europäischen Union. Deshalb sollten sie auch in Zukunft fester Bestandteil des Förderkanons bleiben - trotz drohender Kürzungen im nächsten EU-Haushalt.


Zur Autorin: Staatssekretärin Hella Dunger-Löper ist die neue Vorsitzende der DV-Arbeitsgruppe „Europäische Stadt- und Raumentwicklung“. Von 2011 bis 2016 war sie Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund, Europabeauftragte des Landes Berlin und Beauftragte für das Bürgerschaftliche Engagement. Von 2004 bis 2011 war sie Staatssekretärin für Bauen und Wohnen in Berlin.

Der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung hat diese Thematik in seiner Arbeitsgruppe Europa erörtert. Im Rahmen des von ihm koordinierten Deutsch-Österreichischen Urban-Netzwerks hat der DV zudem ein fundiertes Positionspapier erarbeitet.

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