Christian Huttenloher, Generalsekretär des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V.
Der Bund muss und kann 2016 wieder mehr Verantwortung in der Wohnungspolitik übernehmen. Das ist die Botschaft der Partner des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen, die am 27. November 2015 ihren Abschlussbericht vorgelegt haben. Das Bündnis ist Anfang 2015 noch etwas schleppend gestartet, doch jetzt sind die beteiligten Verbände einhellig mit den erarbeiten Ergebnissen zufrieden. Gleichzeitig knüpfen sie hohe Erwartungen an eine rasche Umsetzung der zahlreichen konstruktiven Empfehlungen, um endlich mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Denn die Situation auf vielen städtischen Wohnungsmärkten bleibt weiterhin stark angespannt. Damit steht die Wohnungspolitik des Bundes auch im neuen Jahr hoch im Kurs.
Im letzten Jahr kamen über eine Million Flüchtlinge nach Deutschland. Die dauerhaft hier bleibenden Menschen werden spätestens in ein paar Monaten auf den normalen Wohnungsmarkt drängen und damit die Anspannungen in vielen städtischen Regionen nochmals deutlich verschärfen. Weitere werden dazukommen, selbst wenn sich der Zustrom verlangsamen sollte. Deshalb muss 2016 weit mehr gebaut werden als die 260.000 Wohnungen im vergangenen Jahr. Bundesbauministerin Barbara Hendricks rechnet mit einem jährlichen Neubaubedarf von 350.000 Wohneinheiten, die Immobilienverbände gehen gar von 400.000 aus. Empirica hat aktuell eine auf Regionen bezogene Hochrechnung gemacht. Damit kommt das Forschungs- und Beratungsunternehmen auf 361.000 Wohneinheiten, vor allem in den städtischen Wachstumsräumen.
Doch es sind nicht nur mehr, sondern vor allem bezahlbare Wohnungen notwendig. Manches wurde mit dem Asylpaket im September 2015 schon auf den Weg gebracht. So etwa eine Verdopplung der Kompensationsmittel für den sozialen Wohnungsbau auf jährlich über eine Milliarde Euro und ein Programm für das experimentelle Bauen. Außerdem wurde die weitere Verbilligung der Abgabe von Bundesliegenschaften beschlossen, ebenso die Wohngeldnovelle. Auch eine regionalisierte degressive Sonderabschreibung in Gebieten der Mietpreisbremse und der Kappungsgrenze wird kommen. Diese soll durch eine Beschränkung der Höhe der Baukosten vor allem den bezahlbaren Wohnungsbau fördern. Doch wird das reichen? Gehen die finanziellen Anreize aufgrund von Kapazitätsengpässen in der Bauwirtschaft in die Baukosten? Entstehen dadurch genügend bezahlbare Wohnungen oder gibt es eher Mitnahmeeffekte? Immerhin fallen jährlich etwa 80.000 Sozialwohnungen aus der Bindung. Neu gebaut dagegen wurden zuletzt nur etwa 15.000.
Paradox erscheint die Situation bei der Grunderwerbsteuer. Der Staat reizt auf der einen Seite den Wohnungsbau mit Steuermitteln an. Auf der anderen Seite haben fast alle Bundesländer die Grunderwerbsteuer erhöht, teilweise auf bis zu 6,5 Prozent. Im Vergleich zum bis 2007 einheitlich geltenden Steuersatz von 3,5 Prozent verteuert dies die Erwerbskosten für eine Durchschnittsimmobilie mit einem Kaufpreis von 360.000 Euro um bis zu 17.000 Euro oder fünf Prozent. Die Grunderwerbsteuer muss deshalb wieder auf maximal 3,5 Prozent gesenkt werden. Außerdem sollte die Mehrfachbesteuerung des Grundstücks bei Zwischenerwerb und Bauträgermodellen angerechnet und vorsteuerabzugsfähig gemacht werden. Wenn sich Bund und Länder nicht auf eine Verringerung einigen können, sollten die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer zumindest voll in den Länderfinanzausgleich einbezogen werden. Denn derzeit führt eine Sonderregelung dazu, dass die Länder die Mehreinnahmen vollständig behalten können. Dies ist ein Anreiz für weitere Erhöhungen.
Ein ähnlicher Widerspruch zeigt sich bei den hohen Baustandards und umwelt- und planungsrechtliche Regelungen, die die Baukosten in die Höhe treiben, das innerstädtische Bauen verlangsamen oder sogar ganz verhindern. Auch damit hat sich das Bündnis auseinandergesetzt. Die Baukostensenkungskommission hat Empfehlungen zu Baustandards und Normen erarbeitet, die Arbeitsgruppe „Aktive Liegenschaftspolitik“ zum Umwelt- und Planungsrecht. Doch hier scheint sich das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) noch schwerer zu tun. Denn es gibt schwer auflösbare Zielkonflikte zwischen umwelt- und klimapolitischen Anliegen und einem bezahlbaren, sozialverträglichen Wohnungsbau. Die seit 1. Januar 2016 geltende nächste Stufe der Energieeinsparverordnung (EnEV) macht dies deutlich. Ministerin Barbara Hendricks, die die Themen Bau UND Umwelt in ihrem Ministerium vereint, hat bei der Klimakonferenz im Dezember 2015 in Paris ein ambitioniertes internationales Klimaabkommen erkämpft. Da konnte sie zu Hause schlecht die EnEV aussetzen. Doch was sie kann, ist prüfen, ob die auf Wärmeverluste ausgerichtete EnEV-Logik weiterhin der richtige Weg ist. Dies soll nun auf Druck der Bauministerkonferenz auch erfolgen. Denn wir brauchen dringend flexiblere Klimaschutzansätze im Gebäudebereich, mit denen kostengünstiger und sozialverträglicher genauso viel CO2 eingespart werden kann.
Zudem hat das BMUB die Initiative „Zusammenleben in der Stadt“ gestartet. Diese soll zur besseren Verschränkung von Bauplanungsrecht und Umweltrecht, vor allem Immissionsschutzrecht, dienen. Denn wenn wir mehr Wohnungsbau in den Ballungsräumen wollen, dann müssen wir auch wieder urbaner und dichter bauen können. Wir müssen Grundstücke nutzen, die wegen Lärmschutz oder anderer Umweltschutzauflagen aktuell nicht bebaut werden dürfen. Das bedeutet nicht, die umweltpolitisch und gesundheitlich berechtigten Schutzstandards aufzugeben, sondern andere, anpassungsfähige Lösungen zuzulassen. Das Gleiche gilt für die bedarfsgerechte Außenentwicklung, wenn die Innenentwicklungspotenziale nachweislich nicht ausreichen. Hier müssen wir die Landes- und Regionalpläne wieder flexibler gestalten.
Der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung hat die Arbeitsgruppe „Aktive Liegenschaftspolitik“ des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen koordiniert und an anderen AGs mitgewirkt.
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