Altersgerechtes Wohnen: Immobilienwirtschaft als lokaler Impulsgeber

von Christian Huttenloher, Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V.

Der Bedarf an geeignetem Wohnraum für ältere Menschen steigt deutlich. Allein bis zum Jahr 2020 werden etwa drei Millionen altersgerechte Wohnungen benötigt. Diese brauchen eine Verknüpfung mit passenden Dienstleistungs- und Unterstützungsangeboten sowie Gemeinschaftseinrichtungen vor Ort. Seniorenwohnen ist längst kein Nischenprodukt mehr, sondern Teil unseres diversifizierten Wohnungsmarktes. Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft ist neben Kommunen, karitativen und sozialen Dienstleistern sowie Bürgerinnen und Bürgern auf lokaler Ebene wichtiger Impulsgeber und Kooperationspartner bei der Gestaltung des Wohnens älterer Menschen.

Welche Rolle sie einnehmen kann, zeigt die jüngst vorgelegte Expertise des Deutschen Verbandes zum BMFSFJ-Programm „Anlaufstellen für ältere Menschen“. Darin hat der Deutsche Verband als Geschäftsstelle anhand ausgewählter Praxisbeispiele unterschiedliche Handlungsansätze beleuchtet. Diese reichen von baulichen Umbaumaßnahmen zur Schaffung altersgerechten und barrierefreien Wohnraums sowie Beratungs- und Informationsangeboten hin zu kulturellen und kommunikativen Angeboten, die die Gemeinschaft der gesamten Mieterschaft stärken und insbesondere ältere Menschen aus deren Isolation lösen.

Leerstandsminimierung, Mieterbindung und bezahlbares Wohnen

Wohnungs- und Immobilienunternehmen tragen dazu bei, älteren Menschen ein selbstbestimmtes Altern zu ermöglichen. Triebfeder für ihr Engagement im Kontext des altersgerechten Wohnens ist auch die Stärkung der Wirtschaftlichkeit und Marktgängigkeit des vorhandenen Bestandes. Besonders in Regionen mit deutlicher Überalterung sowie hohen Leerstandsquoten sind solche Unternehmen erfolgreich, die sich die Kompetenz für das Wohnen im Alter aneignen und vermarkten, wie ein Beispiel aus Halle belegt. Die Gesellschaft für Wohn- und Gewerbeimmobilien Halle-Neustadt betreibt fünf Service-Wohnanlagen und hat darüber hinaus an drei Standorten Wohneinheiten zu Begegnungszentren umgebaut. Darin bietet sie ihrer Mieterschaft neben einer barrrierefrei gestalteten Musterwohnung mit „Beispielen zum Anfassen“, Beratungs- und Begegnungsangebote kostenfrei an. Das wirkt positiv auf das Image des Unternehmens und macht es für die bestehende und neue Mieterschaft attraktiv.

In Wachstumsräumen ist es besonders wichtig, bezahlbaren Wohnraum vorzuhalten. Hier setzt die Münchener Wohnungsbaugesellschaft GEWOFAG an. Sie ermöglicht älteren Menschen mit Hilfe des Wohn- und Versorgungskonzeptes „Wohnen im Viertel“ auch bei zunehmender Hilfebedürftigkeit ein selbstbestimmtes Wohnen in der vertrauten häuslichen Umgebung. Dazu zählen neben altersgerechten Wohnraumanpassungen, Wohncafés für gemeinsame Aktivitäten und die Kooperation mit ambulanten Diensten, ohne dass eine Betreuungspauschale erhoben wird.

Kooperation statt Wettbewerb

Insbesondere soziale und kulturelle Angebote werden oft durch Kooperation mit verschiedenen Partnern geschaffen. Die Wohnungsgenossenschaft Adorf/Vogtl. mbH ermöglicht zusammen mit dem im eigenen Bestand ansässigen Verein Kulturwerk e.V. zahlreiche Freizeitangebote und Dienstleistungen für ältere Menschen. Treten Wohnungsunternehmen selbst als soziale Dienstleister auf, werden oft Organisationsformen außerhalb des Wohnungsunternehmens gefunden, häufig in Form eines Vereins. Der Verein WoHL e.V. wurde von der WBG Plauen gegründet, um nachhaltig seniorengerechte Dienstleistungen anzubieten. Erfolgreiche Unternehmen haben somit ein enges Netzwerk zu vielen lokalen Akteuren. Das macht sie vor Ort zu einem wichtigen Mitgestalter. Das belegt auch ein Beispiel aus Niedersachsen. In Varel bietet die Wohnungsbaugesellschaft Friesland mbH gemeinschaftliches Wohnen mit einer Beratungsstelle in einer ehemaligen Schule an.

Ehrenamtliche erweitern das Angebot der Wohnungswirtschaft

Eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren senkt die Kosten für verschiedene Services. So setzt auch die Hamburger Wohnbaugenossenschaft Bauverein der Elbgemeinden eG. auf eine enge Zusammenarbeit und schafft Angebote für Ältere, junge Familien und Pflegebedürftige. Ohne die Einbindung Ehrenamtlicher ist eine wirtschaftlich tragbare Umsetzung vieler Strategien nicht möglich. Sie werden daher von Wohnungsunternehmen identifiziert, aktiv angesprochen und eingebunden. So haben Wohnungsunternehmen im Kontakt mit ihren Kunden eine aufsuchende Rolle; sie beraten und informieren vor Ort. Die Senioren-Infothek im Berliner Märkischen Viertel erhält durch die GESOBAU AG kostenfrei Räume und wird durch Ehrenamtliche betrieben. Regelmäßig werden Auskünfte zu Beratungs-, Freizeit- und Pflegeangeboten gegeben oder Hausbesuche, Behördengänge und Handwerkerservice vermittelt.

Regionale Unterschiede

Fakt ist, dass sich die Situation mit Blick auf das altersgerechte Wohnen deutschlandweit nicht einheitlich darstellt, sondern eng mit der Eigentümer- und Nutzerstruktur verknüpft ist. So ist der Anteil der organisierten Wohnungswirtschaft in Klein- und Mittelstädten im ländlichen Raum der alten Bundesländer im Vergleich zu den neuen Bundesländern eher gering. Hier können insbesondere landkreiseigene Wohnungsunternehmen Impulse setzen, wie die Wohnungsbaugesellschaft des Landkreises Coburg mbH zeigt. So wurden Teile des Bestandes im Hauptstandort Rödental altersgerecht umgebaut, in eine Gemeinschaftseinrichtung investiert und ein Netzwerk mit Akteuren rund um das altersgerechte Wohnen gebildet. Infolgedessen ist sogar eine Betreuungsgruppe für Menschen mit Demenz entstanden. In den neuen Bundesländern kann die organisierte Wohnungswirtschaft (zumeist kommunale Unternehmen) mit verhältnismäßig großen Wohnungsbeständen umfangreiche Maßnahmen und personalintensive Aktivitäten umsetzen, wie die Beispiele belegen. Dabei arbeiten kleinere Unternehmen eher fokussiert und beschränken sich auf Maßnahmen mit überschaubaren Kosten für das Unternehmen. Gleichwohl gilt für alle Wohnungsunternehmen, dass sowohl die ökonomische Leistungsfähigkeit des eigenen Unternehmens als auch die Zahlungsfähigkeit der Mieterschaft berücksichtigt werden müssen. Nach wie vor sind sowohl die finanziellen Potenziale als auch die grundlegende Bereitschaft von Mietern, für wohnbegleitende, unterstützende Dienste zu bezahlen relativ gering. 

Altersgerechtes Wohnen als Wettbewerbsvorteil

Zukunftsfähige Angebote müssen daher auf die individuellen Bedarfe und finanziellen Möglichkeiten der Bewohnerschaft in verschiedenen Lebenslagen und der differenzierten Wohnungsmärkte in den Beständen eingehen. Mit einem „langen Atem“ und kreativen Ideen können Wohnungs- und Immobilienunternehmen ihre Position als wichtiger Akteur der Stadt- und Quartiersentwicklung weiter stärken. Wohnen ist ein entscheidender Standortortfaktor. Altersgerechtes Wohnen im Sinne eines Wohnens, das allen Generationen gerecht wird, kann Wettbewerbsvorteile schaffen.

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