Klimaschutzplan 2050 erhöht CO2-Einsparziele für Gebäude

Von Christian Huttenloher, Generalsekretär des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung

Der verabschiedete Klimaschutzplan hat die Einsparziele des Gebäudesektors bis 2030 nochmals erhöht und dafür Industrie, Verkehr und Landwirtschaft entlastet. Unklar bleibt allerdings, wie die Reduzierung der CO2-Emissionen wirtschaftlich und sozialverträglich zu erreichen ist. Zumal der Plan sehr stark auf hocheffiziente Gebäude setzt. Auf jeden Fall sollen die Energieeffizienzstandards für Neubau und Bestand in den nächsten Jahren nochmals deutlich angehoben werden.

Gerade noch rechtzeitig zur UN-Klimakonferenz in Marrakesch hat sich die Bundesregierung nach langen Auseinanderseitzungen zwischen den Ministerien auf den „Klimaschutzplan 2050“ verständigt. Dieser untersetzt die bis 2030 zu erreichende allgemeine CO2-Minderung von 55 Prozent gegenüber 1990 und gibt konkrete Reduktionsziele für die verschiedenen Bereiche vor. Nach weiteren Zugeständnissen an die Kohleverstromung, die Industrie, den Verkehr und die Landwirtschaft wurden die Zielwerte für den Gebäudesektor nochmals um acht Millionen Tonnen CO2 oder zehn Prozent erhöht.

Damit muss dieser nun mit 47 bis 49 Millionen Tonnen zusätzlichen CO2-Einsparungen bis 2030 den deutlich höchsten Beitrag liefern. Verbesserungen der CO2-Emissionen bei Fernwärme und Strom werden dabei allerdings der Energiewirtschaft angerechnet und nicht dem Gebäudesektor.  Die erhöhten CO2-Einsparungen müssen damit rein aus den gebäudebezogenen Einsparmöglichkeiten und dem Einsatz erneuerbarer Energien am und im Gebäude resultieren. Dadurch erscheinen die gesetzten CO2-Einsparziele extrem ambitioniert oder gar unrealistisch, zumal kein wirklich nachvollziehbarer Weg aufgezeigt wird, wie sie wirtschaftlich und sozialverträglich erreicht werden können.

Insgesamt versursacht der gesamte Gebäudebereich derzeit mit 119  Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid etwa 13 Prozent aller Emissionen und hat in den letzten 25 Jahren mit 43 Prozent oder 90 Millionen Tonnen CO2 die höchsten Einsparungen erreicht. Im Vergleich dazu kommt die Industrie immerhin noch auf 36 Prozent, die Energiewirtschaft auf 23 Prozent und die Landwirtschaft auf 18 Prozent. Kaum nennenswerte Einsparungen wurden im Verkehrssektor erzielt.

Anteil am CO2-Ausstoß 2014Einsparung 1990-2015Einsparung 2015-2030Einsparung 1990-2030Zielwert 2030
Gebäude119 Mio. t. (13%)90 Mio. t.  (43%)47-49 Mio. t. 66-67%70-72 Mio. t.
Energiewirtschaft358 Mio. t.  (40%)108 Mio. t. (23%)175-183 Mio. t. 61-62%175-183 Mio. t.
Industrie181 Mio. t. (20%)102 Mio. t. (36%)38-41 Mio. t. 49-51%140-143 Mio. t.
Verkehr160 Mio. t. (18%)3 Mio. t. (2%)62-65 Mio. t. 40-42%95-98 Mio. t.
Landwirtschaft72 Mio. t.  (8%)16 Mio. t.  (18%)11-14 Mio. t. 31-34%58-61 Mio. t.

Starker Fokus auf Effizienz

Der nahezu klimaneutrale Gebäudebestand soll bis 2050 durch ein Zusammenspiel von Energieeinsparungen und dem vermehrten Einsatz verschiedener erneuerbarer Energien erreicht werden. Bis spätestens 2030 soll entschieden werden, wie dieses Zusammenspiel konkret auszusehen hat. An einigen Stellen betont der Klimaschutzplan jedoch stark den Vorrang der Energieeffizienz – vor allem durch einen hocheffizienten Wärmeschutz. Die Zielwerte beziehen sich auch weiterhin auf den maximalen Primärenergiebedarf, der im Jahr 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber 2008 sinken soll. Über alle Gebäude hinweg darf der Gesamtbestand dann nur mehr 40 Kilowattstunde pro Quadratmeter und Jahr verbrauchen; bei Nicht-Wohngebäuden sind es 52 Kilowattstunden.  Zum Vergleich: der ab 2016 gültige EnEV-Neubaustandard liegt bei etwa 56 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr.

Weit weniger konkret ist die Zielsetzung für den Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch. Dieser soll  zwar weiter ausgeweitet werden, es werden jedoch keine konkreten Zielwerte angeführt.  Hier sollen die weiteren Etappen erst festgelegt werden. Beachtet werden sollte, dass feste Bioenergieträger wegen der Wechselwirkungen im Gesamtsystem nur begrenzt zum Einsatz kommen können. Zudem müssen sie aus legalen und nachhaltigen Quellen stammen und sollen für die Dekarbonisierung des Wärmebereichs vor allem für ältere, schwer zu sanierende Gebäude von Bedeutung sein. Der Ursprungsentwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit brachte noch mehr Flexibilität zwischen Effizienz und erneuerbaren Energien zum Ausdruck, was einer wesentlichen Forderung der AG Energie des Deutschen Verbandes entspricht. Denn für eine erfolgreiche, wirtschaftlich tragfähige und sozialverträgliche Energiewende benötigen wir dringend mehr Technologieoffenheit und Flexibilität zwischen Energieeffizienz und dem Einsatz erneuerbarer Energien. Deshalb stellt der CO2-Verbrauch auch einen geeigneteren Maßstab dar als der Primärenergiebedarf. Bei aller Notwendigkeit von deutlichen Effizienzsteigerungen nehmen die Grenzkosten für das Erreichen sehr hoher Effizienzstandards überproportional im Vergleich zur zusätzlichen Energiekosteneinsparung zu. Weitere CO2-Einsparungen sind wirtschaftlicher über versorgungsseitige Maßnahmen mit erneuerbaren Energien zu erreichen.

Deutlich erhöhte Standards für Neubau und Bestand

Der Klimaschutzplan macht sehr klar, dass bereits bis 2030 deutlich ambitioniertere Zwischenziele und Effizienzstandards erreicht sein müssen. Sowohl für den Neubau als auch für Bestandssanierungen soll bis dann schrittweise ein Standard eingeführt werden, der dem nahezu klimaneutralen Gebäudestandard genügt. Auch wenn nach EU-Recht demnächst der so genannte „Niedrigstenergiestandard“ eingeführt wird – für öffentliche Gebäude ab 2019, für private Gebäude ab 2021 - soll dieser bis zum Jahr 2030 noch weiterentwickelt und auf einen Wert deutlich unterhalb des heutigen „Effizienzhaus 55“-Niveaus gebracht werden. Der mit der EnEV 2016 eingeführt Neubaustandard entspricht dem Effizienzhaus 75.

Und auch für die Sanierung von Bestandsgebäuden werden die energetischen Anforderungen zwischen 2020 und 2030 schrittweise weiterentwickelt. Konkrete Effizienzstandards werden in der aktuellen Version des Berichtes dafür zwar nicht mehr aufgeführt. Allerdings deuten Angaben aus früheren Versionen darauf hin, dass die Mindesteffizienzanforderung dann noch unter dem aktuellen Neubaustandard liegen müsste. Denn der sanierte Bestand soll maximal 40 Prozent über dem dann gültigen Neubaustandard liegen. Um bereits bis 2030 Fortschritte zu erreichen, werden restriktivere Maßnahmen angedeutet. So ist eine energetische Klassifizierung von Bestandsgebäuden vorgesehen, um zu zeigen, wie weit Gebäude noch vom nahezu klimaneutralen Bestand entfernt sind. Zudem soll eine anteilige Nutzungspflicht erneuerbarer Energien bei Gebäudesanierungen geprüft werden.

Aufgrund der Langlebigkeit von Gebäuden, Bauteilen, Baustoffen und technischen Systemen sollen bis spätestens 2030 neue Gebäude so erreichtet und bestehende Gebäude so saniert werden, dass sie künftig nicht mehr auf die Nutzung fossiler Energieträger angewiesen sind. Ab 2020 soll dafür die Förderung für den Austausch von Heizanlagen vollständig auf erneuerbare Energien ausgerichtet werden. Bis dahin sollen die Förderbedingungen bereits deutlich attraktiver gestaltet werden als für Heizungen auf Basis fossiler Brennstoffe. Damit werden „Lock-in“ Effekte vermieden, also die Installation von Heizungssystemen mit nicht nachhaltigen Energieträgern. Auch wird auf ressourcenschonende Bauweisen gesetzt, bei denen nachhaltige und möglichst ressourcenschonende Baustoffe zum Einsatz kommen, die selbst wenig Treibhausgasemissionen und negative Auswirkungen auf Umwelt, Rohstoffverbrauch und Gesundheit verursachen.

Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit beachten

Der Klimaschutzplan betont an mehreren Stellen, dass die Wirtschaftlich und die Sozialverträglich der Maßnahmen berücksichtigt werden müssen, damit die Energieeinspar- und Klimaschutzziele mit bezahlbarem Wohnraum vereinbar sind. Wurde in der Entwurfsfassung des Klimaschutzplans noch klar formuliert, dass sicherzustellen ist, dass sich das Wohnen nicht unverhältnismäßig verteuert, so wurde diese Prämisse in der Endfassung abgeschwächt. Die Auswirkung der Maßnahmen auf steigende Kosten der Wohnraumversorgung sollen nun lediglich geprüft bzw. berücksichtigt werden. Um die Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit zu erreichen, soll die richtige Balance zwischen marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, Förderprogrammen, Ordnungsrecht und Informationsmaßnahmen gefunden werden. Konkrete Vorschläge, wie dies erfolgen soll, finden sich im Klimaschutzplan nicht.

Nicht infrage gestellt wird allerdings das Wirtschaftlichkeitsgebot. Vielmehr deutet der Klimaschutzplan an, dass es bereits für das Erreichen der Standards staatliche Förderung geben könnte, sofern sich die höheren Effizienzauflagen nicht wirtschaftlich darstellen lassen. So spricht der Plan für den Neubau davon, dass die Bundesregierung erhebliche Mittel aufwendet, um die Umsetzung der Standards zum Beispiel über das CO2-Gebäudesanierungsprogramm oder das Marktanreizprogramm zu begleiten. Für den Bestand wird formuliert, dass staatliche Anreize weiterverfolgt werden sollen, sofern die durch Klimaauflagen im Gebäudebereich entstehenden Kosten von einer Sanierung abhalten. Auch will die Bundesregierung prüfen, inwieweit vorgezogene Sanierungen mit geeigneten Anreizen durch Förderprogramme unterstützt werden können. Dies wäre insoweit ein Novum, da bisher für das Erreichen gesetzlicher Standards keine Förderung gewährt wird. Damit würde eine zentrale Empfehlung der AG-Energie des Deutschen Verbandes aufgegriffen, die gefordert hatte, dass insbesondere im Gebäudebestand und bei vorgezogenen energetischen Sanierungen, die das EnEV-Anforderungsniveau erreichen, eine Förderung erfolgen solle.

Allerdings gibt der Klimaschutzplan weiterhin keine Antwort auf die Frage, wie man die meist privaten Gebäudeeigentümer zur energetischen Sanierung mobilisieren kann. Denn sie besitzen  insgesamt 80 Prozent der Wohnungen. Zwar spricht der Klimaschutzplan die Besonderheiten der kleinteiligen Eigentümerstrukturen mit vielen meist älteren Kleinanbietern und Selbstnutzern an. Allerdings bietet er keinen tragfähigen Ansatz, wie er die privaten Kleineigentümer dafür sensibilisieren, mobilisieren und befähigen will, energetische Sanierungsmaßnahmen in Angriff zu nehmen.  Hierfür wäre nach Ansicht der AG Energie des Deutschen Verbandes dringend eine niedrigschwellige  Beratung notwendig, die auf die Eigentümer zugeht und sie in der Vorbereitung und Umsetzung der energetischen Sanierungsmaßnahmen begleitet. Mit dem aktuellen Ansatz, dass sich Eigentümer die Beratung selbst holen und dann bei der Umsetzung wieder alleine gelassen werden, wird man die zentrale Herausforderung der Klimaziele im Gebäudebereich nicht lösen können und die Sanierungsrate nicht erhöhen. Auch der schon seit langem angekündigte gebäudeindividuelle Sanierungsfahrplan wird hier kaum helfen.

Integrierte, gebäudeübergreifende Ansätze und Sektor-Kopplung

Trotz der starken Ausrichtung auf die Effizienz der Einzelgebäude erkennt der Klimaschutzplan die Notwendigkeit einer integralen Betrachtung an, die über das einzelne Gebäude hinausgeht und die Gebäude mit der Energiewirtschaft, dem Industrie- und dem Verkehrssektor  vernetzt. Hierfür kommen Smart-City oder Smart-Community-Konzepten und dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie eine wesentliche Rolle zu. Dadurch kann gebäudenah erzeugter Strom in Teilen zur Aufladung von Elektrofahrzeugen genutzt werden. Abwärme von Industrie sowie mittels Kraft-Wärme-Kopplung, Großwärmepumpen oder Solarthermie erzeugte Wärme kann durch Nah- und Fernwärmenetze zur Beheizung eines Quartiers genutzt werden. Und auch die Energieüberschüsse von Plusenergiehäusern können innerhalb vernetzter Quartiere verteilt oder in das Wärme- oder Stromnetz eingespeist werden. Dies kann einen Ausgleich für weniger effiziente Gebäude im Quartier bilden.

Noch ist der Einsatz erneuerbarer Energien in Wärmenetzen allerdings stark auf die gebäudenahe Erzeugung ausgerichtet und nicht im Quartierskontext verankert. Im Vergleich zur Entwurfsfassung berücksichtigt der Klimaschutzplan nun aber nicht nur direkt gebäudenah genutzte erneuerbaren Energien, sondern öffnet sich „Power-to-Gas“ oder „Power-zu-Liquid“-Lösungen, bei denen überschüssiger Sonnen- oder Windstrom in Gas oder direkt in Wärme umgewandelt wird. Musterquartiere, in denen neue Formen der Vernetzung und Sektor-Kopplung erprobt werden, sollen gestärkt und untersucht werden.

Damit wird ebenfalls auf eine der wesentlichen Empfehlungen des Deutschen Verbandes eingegangen, nämlich integrierte energetische Quartiersansätze zu verstärken. Noch findet sich allerdings keine wirkliche Privilegierung dieser Ansätze. In der Gesamtbewertung ist zu konstatieren, dass sich im Klimaschutzplan für den Gebäudebereich deutlich mehr Schatten als Licht findet. Dies gilt nicht nur für die Überforderung des Gebäudebereichs mit extrem hohen CO2-Einsparziele bis 2030.  Auch insgesamt bleiben die Aussagen zu den geeigneten Wegen hin zu einem nahezu klimaneutralen Gebäudebereich an vielen Stellen diffus und teilweise sogar widersprüchlich. Damit bleibt zu hoffen, dass eine neue Bundesregierung hier endlich mehr Klarheit und ein wirklich in sich überzeugendes Konzept schafft.

Ergebnisse der AG Energie

Der Deutsche Verband hat sich in seiner Arbeitsgruppe „Energie, Immobilien und Stadtentwicklung“ intensiv mit den geeigneten Lösungsansätzen für einen nahezu Klimaneutralen Gebäudebestand beschäftigt und wegweisende Empfehlungen erarbeitet.

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