Kommunale Baulandstrategien auf dem Prüfstand

AG Aktive Liegenschaftspolitik identifiziert gute Beispiele zur Schaffung von günstigem Wohnungsneubau

von Dr. Josef Meyer, Vizepräsident des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V.

In vielen städtischen Ballungsräumen und Großstädten ist durch den anhaltenden Bevölkerungszuzug seit einigen Jahren die Nachfrage nach Wohnungen größer als das Angebot, was Mieten und Immobilienpreise stark steigen lässt. So erwartet Köln in den nächsten zehn Jahren 50.000 neue Einwohner. Berlin soll bis 2030 um 250.000 Personen wachsen. Versorgungsengpässe auf lokalen Wohnungsmärkten führen immer auch zu der Frage, wie das Baulandangebot ausgeweitet und vorhandenes Bauland mobilisiert werden kann. Ausreichend verfügbares Wohnbauland zu vertretbaren Preisen ist neben den Baukosten eine wichtige Stellschraube für mehr und vor allem für bezahlbaren Wohnungsneubau.

Notwendigkeit einer aktiven kommunalen Liegenschaftspolitik

Die Baulandkosten sind in den letzten Jahren zum Teil dramatisch gestiegen: In Frankfurt/Main etwa in den vergangenen fünf Jahren um 100 Prozent auf bis zu 1.500 Euro pro Quadratmeter, was das Schaffen von günstigem Wohnraum erschwert. In den Hochpreisregionen steigt der Anteil der Baulandkosten an den Gesamtkosten für den Wohnungsneubau von normalerweise 15 bis 20 Prozent auf mehr als das Doppelte. Allein diese Indikatoren verdeutlichen: Der dem Neubau vorgeschaltete Bodenmarkt nimmt eine herausragende Rolle ein. Aktive Liegenschaftspolitik ist notwendig! Sie ist notwendig, um umfangreichen Neubau sowie bezahlbare Wohnungen zu erstellen. Notwendig ist sie aber auch, um sozial gemischte Quartiere mit ausreichenden Versorgungsfunktionen zu schaffen, den Fördermitteleinsatz zu steuern, den öffentlichen Raum ansprechend zu gestalten und die energetischen Ziele zu erreichen. Kurz: um städtebauliche Qualität sicherzustellen.

Für eine aktive Liegenschaftspolitik benötigen wir vor Ort kommunale Baulandstrategien, die die zur Verfügung stehenden städtebaulichen-, planungsrechtlichen-, liegenschafts- und bodenpolitischen Instrumente zielgerichtet einsetzen. Das seit Anfang der 1990er Jahre bestehende Instrumentarium des Städtebaurechts reicht dazu grundsätzlich aus. Da die Bautätigkeit seitdem jedoch permanent zurückgegangen ist, war eine Anwendung bisher weitgehend entbehrlich. Das ist inzwischen in vielen Städten anders: Hier müssen die Instrumente zu einer strategischen Baulandpolitik gebündelt sowie auch innerhalb der Verwaltungen entsprechende Strukturen und Prozesse verankert werden. Dazu legen immer mehr Städte in kommunalen Grundsatzbeschlüssen, so genannten Baulandbeschlüssen, ihre Baulandstrategie fest. Sie strukturieren ihr Vorgehen und stellen transparente Rahmenbedingungen für die Verfahrensweisen zur Baulandaufbereitung und die Kostentragung im Zuge der Baurechtschaffung auf. Gleichzeitig gilt es, bestehende Engpassfaktoren wie zu geringe Kapazitäten in den Planungsämtern abzubauen. Darüber hinaus ist auch eine weit stärkere interkommunale Zusammenarbeit notwendig, damit die Städte und Umland-Gemeinden an den geeigneten Standorten gemeinsam für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen.

Bei der Bereitstellung von Bauland lassen sich in der kommunalen Praxis zwei Grundrichtungen ausmachen, zwischen denen es fließende Übergänge und Mischformen gibt. Zum einen erwirken Kommunen eine Entspannung auf dem lokalen Bauland- und Wohnungsmarkt, indem sie mehr Bauland zur Verfügung stellen. Das vergrößerte Angebot dämpft die Baulandpreise und führt durch Sickereffekte wie Umzugsketten schließlich auch zu einer Entlastung einkommensschwächerer Haushalte bei der Wohnraumversorgung. Dies kann neben der klassischen Angebotsplanung durch allen anderen Baulandmodelle für neue Flächen, aber auch über Brachflächen-Reaktivierungen sowie Nachverdichtungen z. B. durch Aktivierung von Baulücken geschehen, beispielsweise auf Grundstücken von kommunalen oder genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen.

Zum anderen verfolgen Kommunen zusätzliche wohnungs- und sozialpolitische Ziele mit ihren Baulandstrategien, in denen das Baurecht mit sozialen Komponenten verbunden wird, wie z.B. die „Sozialgerechte Bodenordnung“. Wird für private Grundstücke neues Baurecht geschaffen, dann garantieren entsprechende städtebauliche Verträge, dass z.B. bestimmte Flächenanteile der Eigentumsbildung von Schwellenhaushalten oder preisgünstigen Miet- bzw. Sozialwohnungen vorbehalten sind. Weitere strategische Elemente sind eine langfristige Bodenvorratspolitik sowie der Zwischenerwerb der Kommune. In diesen Fällen kann die Kommune als Grundstückseigentümerin z. B. über Konzeptvergaben stadtentwicklungs- und wohnungspolitische Ziele aktiv umsetzen.

Um die vorhandenen Instrumente zur Steuerung und Aktivierung wirkungsvoll einsetzen zu können, ist es allerdings unerlässlich, die Perspektiven von Investoren, Bauträgern, Wohnungsbaugesellschaften, Eigentümern, etc. zu kennen und zu wissen, wie diese Marktteilnehmer diese bewerten. Denn nur so wird tatsächlich mehr und bezahlbarer Wohnungsbau erreicht werden können.

Beitrag des Bundes und der Länder

Auch wenn Baulandpolitik vornehmlich in den Kommunen gemacht wird, können auch Bund und Länder innerhalb ihrer Kompetenzbereiche wichtige Beiträge leisten. Dies betrifft zum einen deren Liegenschaften und die Frage, wie diese für mehr bezahlbaren Wohnraum eingesetzt werden können: Im Koalitionsvertrag ist dafür bereits der Beitrag der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verankert. Auch in NRW und Baden-Württemberg werden entbehrliche Landesgrundstücke für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zur Verfügung gestellt.

Bundes- und Landespolitik befördern oder behindern aber auch durch planerische, umweltschutzrechtliche sowie steuerliche Rahmenbedingungen die kommunalen Möglichkeiten, mehr Bauland bereit zu stellen oder zu mobilisieren. Hier gilt es sich vor allem bestehende Zielkonflikte in den Blick zu nehmen. So schränken die starke Konzentration auf die Innenentwicklung und das 30 ha Flächenziel sowie eine entsprechend strikte Landesplanung die an manchen Stellen notwendige maßvolle Entwicklung von Wohnbauland im Außenbereich ein. Andererseits verzögern und verteuern das Artenschutzrecht die Nachnutzung innerstädtischer Brachen. Und auch das Immissionsschutzrecht erschwert innerstädtischen Wohnungsbau. Es ist deshalb notwendig, die Wirkung von bundes- und landesrechtlichen Vorgaben auf die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum kritisch zu überprüfen.

DV koordiniert Arbeitsgruppe

Mit dieser Thematik befasst sich seit Anfang 2015 im Rahmen des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen des Bundes die Arbeitsgruppe „<link internal-link internen link im aktuellen>Aktive Liegenschaftspolitik“. Der Deutsche Verband unterstützt das Bundesumweltministerium aktiv bei der Steuerung der Arbeitsgruppe. Die Arbeitsgruppe wird sich mit den verschiedenen kommunalen Baulandinstrumenten befassen und ihre Anwendung in der Praxis kritisch beleuchten. Dabei geht es vor allem darum, gute Ansätze zu identifizieren, die auf andere Städte übertragen werden können. Indem die Marktrelevanz der Strategien erörtert und untersucht wird, inwieweit diese zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum beitragen, sollen darüber hinaus Erfolgsfaktoren herausgearbeitet werden – und zwar sowohl auf kommunaler Ebene als auch durch den übergeordneten bundes- und landespolitischen Rahmen.

Weitere Informationen

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