M26, Regensburg

Kultur macht Stadt – Kreative Orte und Netzwerke in der aktivierenden Stadtentwicklung

von Prof. Reiner Schmidt, STADT ALS CAMPUS / Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier

17. Mai 2023. Neue Kulturorte können zu Ausgangspunkten für aktivierende Stadtentwicklung werden: für lebendige Orts- und Stadtmitten, für Wohnquartiere sowie für Stadterweiterungen im Rahmen von Neubau, Nachverdichtung und Konversion. Solche neuen Kulturorte lassen sich aber nicht einfach „installieren“. Sie können von lokalen Akteuren selbst ins Leben gerufen werden oder im Zusammenspiel von Top-down- und Bottom-up-Prozessen entstehen. Den Einstieg bieten Pop-up-Spaces, temporäre Experimente und Inszenierungen ­oder Living Labs. Die so entstandenen kreativen Orte und Netzwerke müssen weiter wachsen können – in eigendynamischen Prozessen, verbunden mit einer schrittweisen Einbindung in lokale kreative Ökosysteme. Was macht solche neuen „Kulturorte“ aus, wie können die Prozesse auf dem Weg zu solchen Orten und Netzwerken gemeinwesenorientiert gestaltet werden? Das haben zwei Veranstaltungen im Frühjahr 2023 in Bernburg und Regensburg im Rahmen von „Gemeinsam für das Quartier“ gezeigt. Während in Bernburg der Einbezug junger Stadtmacher:innen im Vordergrund stand, starten Stadtverwaltung und zivilgesellschaftliche Initiativen in Regensburg bereits gemeinsam explorative Strategien zur Entwicklung neuer Kulturorte und kreativer Communities. Kreativwirtschaftsförderung und Kultur geben sich in Regensburg die Hand, spielen sich die Bälle zu. Und sie führen vor Augen, wie sich Eigendynamik entfalten kann. Die Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“ hat den lokalen Akteuren in Bayern eineinhalb Tage reflektierend und impulsgebend über die Schulter geschaut und sich ergänzend mit gleichgesinnten Initiativen aus dem Bundesgebiet ausgetauscht.

Kulturverwaltung als Ermöglicher

Das Kulturamt Regensburg stellt seiner Bevölkerung und insbesondere impulsgebenden Kulturschaffenden im Ergebnis einer Ausschreibung Räumlichkeiten in der Innenstadt als Experimentier- und Entfaltungsräume zur Verfügung – zunächst für ein Jahr und verbunden mit der Hoffnung, dass das M26 positiv auf das Umfeld ausstrahlt. Dort, in der Maximilianstraße 26, veranstalten Kulturschaffende und Künstler:innen seit Anfang 2023 nun Ausstellungen, Lesungen, Führungen, Theater- oder Siebdruck-Workshops. Daneben werden kostenfreie Atelierplätze vergeben, für die sich die Kunst- und Kulturschaffenden im Gegenzug für den Ort engagieren. Das Programm ist offen – Ziel ist eine schrittweise, erprobende Entwicklung des Profils vom M26 im Zusammenwirken mit Vertreter:innen unterschiedlicher Kernzielgruppen.

„Eine lernende Verwaltung nimmt in den Prozessen hin zu neuen Kulturorten eine Schlüsselrolle ein“, sagt dazu Maria Lang, Leiterin des Kulturamts Regensburg: „Gerade weil die Stadt als urbanes Ökosystem eben nie schlüsselfertig übergeben wird.“ Und sie ergänzt: „Diese Kulturräume sind auch deshalb wichtig, da sie Menschen zusammenbringen, die sonst keinen Kontakt zueinander haben. Sie können ein Zusammengehörigkeitsgefühl in der Stadt bewirken.“ Den Regensburger Protagonist:innen ist klar, dass es dabei immer auch darum geht, Hürden und Barrieren abzubauen und an Menschen zu denken, die kleine Kinder haben, körperlich eingeschränkt sind oder Deutsch nicht als ihre Muttersprache sprechen.

Thesen zu Erfolgsfaktoren

Im Zuge des Bernburger und Regensburger Austausches wurden Erfolgsfaktoren für die Entwicklung und Profilierung neuer Kulturorte herausgearbeitet ­– hier eine Auswahl, zusammengestellt von den Moderatoren der Vernetzungsinitiative:

  1. Um kreative und kulturelle Potenziale zur Entfaltung zu bringen – insbesondere im Sinne einer aktivierenden Stadt- und Quartiersentwicklung – bedarf es offener Entfaltungsräume, verbunden mit einem aktivierenden Community-Management. Eine gemeinsam erarbeitete Charta mit Leitlinien und Positionen kann dazu beitragen, die gesellschaftspolitische Intention sowie Profilierung kreativer Orte und Netzwerke zu stärken und Orientierungen sowie Leitplanken für ihre (Weiter-) Entwicklung bieten.
     
  2. Kultur und Kreativwirtschaft, Entfaltung und Empowerment, Engagement- und Gründerförderung werden im besten Fall zusammengedacht. Kulturelle Orte und kreativwirtschaftliche Orte ergänzen sich – und lassen sich auch unter einem Dach zusammenführen.
     
  3. Neue Kulturorte sind immer auch Vehikel und Motor aktivierender Stadt- und Quartiersentwicklung. Schnittstellen zum Quartiers- und Zentrenmanagement sollten gewinnbringend entwickelt werden. Es sind Modelle gefragt, die Kompetenzen aus (Sozio-)Kultur, Kreativwirtschaft und Quartiersmanagement im Sinne aktivierender Stadtentwicklung zusammenführen, z.B. in Community-Centern.
     
  4. Die Entwicklung neuer Kulturorte und Netzwerke erfolgt am besten explorativ. Eine Kuratierung kann dabei Reflexionsprozesse für geeignete Wege zu einer eigendynamischen, gemeinwesenorientierten Quartiersentwicklung befördern. 
     
  5. Verwaltungsseitig arbeiten die Bereiche „Kultur“, „Kreativwirtschaft“ und „Stadtentwicklung“ im Rahmen von Innenstadtstrategien, Wohnquartierstrategien und Neubaustrategien im Idealfall zusammen. Kulturelle Orte und Netzwerke sind konstituierende Instrumente dieser Strategien sowie Partner in lokalen Verantwortungsgemeinschaften.

Perspektiven

Die Ausgestaltung strategischer Partnerschaften zwischen Kultur, Kreativwirtschaft und Stadtentwicklung ist in Regensburg bereits „State of the Art“, bedarf aber in vielen Gemeinden sowie insbesondere bei Wohnquartiers- und Neubaustrategien noch der Erprobung und Fundierung. Formate wie das M26, bei dem über ein Jahr Nutzungen für eine neue Art von Kulturort und Netzwerk erprobt werden, weisen in die richtige Richtung. Ihre kritische Auswertung kann neue Wege aufzeigen. Neben Ladenlokalen haben auch leerstehende Kaufhäuser, Kirchen und Klöster sowie bisher unscheinbare Kioske Entwicklungspotenzial als kulturelle Impulsorte und können zu attraktiven Knotenpunkten in kulturell-kreativen Ökosystemen werden.

Weitere Informationen

Der Beitrag geht zurück auf zwei Austauschformate der Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“:  So fand am 20. März 2023 eine Statuskonferenz zu Initiativen und Leistungen kreativer Stadtmacher:innen und ihrer Integration in die aktivierende Stadtentwicklung in Bernburg (Saale) statt, in Kooperation mit dem COI-Team der Hochschule Anhalt und dem Netzwerk STADT ALS CAMPUS.  Das vertiefende Impulslabor „Neue Kulturorte – explorative Strategien“ am 25./26. April 2023 in Regensburg in Kooperation mit Maria Lang vom Kulturamt Regensburg und Stephanie Reiterer von bauwärts/BLVKK zeigte am Beispiel des M26 Prozesse zu neuen Kulturorten auf.

„Gemeinsam für das Quartier“ ist ein Netzwerk der Nationalen Stadtentwicklungspolitik und wird vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen gefördert.

www.netzwerk-quartier.de // www.regensburg.de/kultur // facebook: Gruppe „Stadt als Campus“

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