Mut zum kreativen Wandel der Innenstädte

von Michael Groschek, Staatsminister a.D., Präsident Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung

Der Sommer beschert den Innenstädten und dem Einzelhandel eine kleine Verschnaufpause: Die Corona-Einschränkungen in Form von Lockdowns gehören zumindest fürs erste der Vergangenheit an. Zeit also, um die Transformation unserer Zentren langfristig in die Wege zu leiten. Denn auch wenn die Fußgängerzonen wieder belebter sind – die Trendwende vom stationären zum Onlinehandel wird sich nicht mehr umkehren, genauso wenig wie der demografische Wandel, das durch die Pandemie verstärkte Bedürfnis nach Zusammenhalt oder die Tatsache, dass mobiles Arbeiten mittlerweile für viele Menschen zu einer praktischen Alternative zur Büro-Anwesenheit geworden ist. Zudem zeigen die deutschlandweiten Extremtemperaturen der vergangenen Wochen, dass Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel gerade in den Städten mit ihren Hitzeinseln keinen Aufschub dulden. Wie aber können die Kommunen den Wandel gestalten, trotz steigender Preise, hoher Mieten, Ressourcenmangel und Personalknappheit?

Funktionsmischung und neue Allianzen

Unbestritten ist, dass eine Funktionsmischung aus Handel, Wohnen, Dienstleistungen, Büros und Gewerbe, Gastronomie, Kultur und Soziokultur sowie Bildung ein wichtiger Schlüssel für resiliente Zentren ist – denn wenn Einkaufen als Hauptgrund für den Innenstadtbesuch wegfällt, sind andere Frequenzbringer gefragt. Soziokulturelle und kreative Initiativen, genauso wie Start-ups und Coworkingspaces oder innerstädtische Bibliotheken haben das Potenzial, die Innenstädte wieder zu Begegnungsorten zu machen. Dazu kann auch die Rückkehr der urbanen Produktion beitragen. Notwendig für das Etablieren neuer innerstädtischer Nutzungen sind zudem der Mut zu unkonventionellen Entscheidungen und Prozesse, die Fehler zulassen und als Lernaufgabe verstehen.  

Für eine Belebung der Zentren brauchen wir außerdem ungewöhnliche aber vertrauensvolle Akteurs-Allianzen und neue Managementansätze. Unter dem Stichwort Koproduktion können etablierte Stakeholder wie die Verwaltungen, Immobilien- und Wohnungsunternehmen oder die lokale Wirtschaft viel von den Jungen und Kreativen, der Soziokultur, der Zivilgesellschaft und dem Stadtmacher-Milieu lernen – und umgekehrt: Im besten Fall tragen intrinsische Motivation, kreative Umnutzung, Gemeinwohlorientierung und Eigeninitiative dazu bei, dass die Innenstädte wieder zu Identifikationsorte werden, während die „Etablierten“ Strukturen, Verlässlichkeit und Finanzierungs-Know-how einbringen. Damit dies gelingt, sind gemeinsam erarbeitete Innenstadtkonzepte notwendig, die einen verbindlichen Rahmen für die Zusammenarbeit setzen.

Städtebauliche Maßnahmen und Verkehrsführung

Für zukunftsfähige Zentren müssen auch städtebauliche Stellschrauben gedreht werden, mancherorts ist gar ein umfassender Stadtumbau vonnöten. Etwa, wenn ehemalige Magnete wie Einkaufszentren leer fallen und im Zuge einer Umnutzung die ganze Umgebung mit entwickelt wird. Auch Änderungen der Verkehrsführung oder der Rückbau von Parkplatzflächen sind ein wichtiges Instrument, um Innenstädte attraktiver zu machen. Solch umfassende Planungen erfordern allerdings viel Mut. Sie müssen sektorübergreifend angegangen werden und sollten im Prozessverlauf für Anpassungen offenbleiben.

Nicht nur für Verkehrsapps und Coworking, auch für die Zukunft des Handels werden zudem digitale Instrumente eine große Rolle spielen. Dazu zählt, dass die stationären Einzelhändler online präsent sind. Und für ein gelungenes Leerstands- bzw. Ansiedlungsmanagement ist die Erfassung und das Teilen von digitalen Basisdaten zu Größe, Miete oder Eigentumsverhältnissen von Immobilien unerlässlich.

Um diese vielfältigen Transformationsprozesse bewältigen zu können, brauchen Städte und Gemeinden Unterstützung. Das neue Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ des Bundesbauministeriums fördert deshalb die Erstellung und Umsetzung von innovativen Konzepten. Der DV übernimmt in einem Konsortium mit weiteren Partnern die Rolle der Geschäftsstelle des Programms und war in diesem Rahmen auch für die Organisation des Innenstadtkongresses am 6./7.Juli 2022 verantwortlich.

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