
Stichwort von Guido Beermann, Präsident des Deutschen Verbands für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V.
Die Erneuerung und Transformation kommunaler Infrastrukturen ist eine der zentralen Zukunftsaufgaben unserer Gesellschaft. Sie betrifft nicht nur technische Systeme, sondern auch soziale, ökologische und wirtschaftliche Strukturen – und damit das tägliche Leben von Millionen Menschen. Vor dem Hintergrund multipler Krisen – vom Klimawandel über demografische Veränderungen und wirtschaftsstrukturelle Umbrüche bis hin zu geopolitischen Unsicherheiten – ist es dringend notwendig, unsere Städte und Regionen resilient, nachhaltig und gerecht zu gestalten.
Die Jahrestagung des Deutschen Verbands für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V. am 2. Oktober 2025 in der Landesvertretung des Freistaates Bayern beim Bund in Berlin widmete sich genau dieser Herausforderung. Vor dem Hintergrund des Infrastrukturpaketes des Bundes diskutierten wir Expertinnen und Experten aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Praxis, wie eine integrierte Infrastrukturentwicklung gelingen kann – und was es dafür braucht.
Infrastruktur ist weit mehr als Beton, Kabel und Rohre. Sie ist das Rückgrat unserer Städte und Gemeinden, sie schafft Lebensqualität, ermöglicht Teilhabe und ist ein entscheidender Faktor für sozialen Zusammenhalt und demokratische Stabilität. Eine funktionierende Infrastruktur ist Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung, ökologische Transformation und soziale Gerechtigkeit. Deshalb müssen wir Infrastruktur ganzheitlich denken – als Zusammenspiel von Mobilität, Energie, Wasser, Bildung, Gesundheit, öffentlichem Raum und digitaler Vernetzung. Und wir müssen sie integrieren: räumlich, funktional, institutionell und finanziell.
Die Tagung zeigte eindrucksvoll, wie wichtig eine integrierte Herangehensweise ist. Diskutiert wurden unter anderem die Herausforderungen nachhaltiger Mobilität, die Bedeutung lebenswerter öffentlicher Räume, die Rolle sozialer und kultureller Einrichtungen, die Notwendigkeit grüner und blauer Infrastrukturen sowie die komplexe Transformation unserer Energieversorgung im Zuge der Wärmewende. All diese Themen sind eng miteinander verwoben und verlangen nach einer abgestimmten, strategischen Planung. Es wurde deutlich, dass es strategischer Flächenvorsorge bedarf, ebenso wie multifunktionaler Nutzungskonzepte, ämterübergreifender Steuerung und Beteiligung sowie verlässlicher, gebündelter Finanzierungsinstrumente. Nur so können wir die notwendige Transformation mit der gebotenen Geschwindigkeit und Qualität umsetzen.
Baustaatssekretärin Sabine Poschmann machte in ihrem Beitrag deutlich, dass die Bundesregierung – neben dem Ausbau der Infrastrukturinvestitionen – mit Hochdruck daran arbeitet, Planungs- und Bauprozesse zu beschleunigen. Der sogenannte „Bauturbo“, der Abbau übermäßiger Standards und die Vereinfachung von Verfahren sollen helfen, Infrastrukturprojekte schneller und kosteneffizienter umzusetzen. Thomas Gloßner vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bauen und Verkehr betonte eindrücklich, dass die mit dem Sondervermögen bereitgestellten Mittel nun zügig und sichtbar vor Ort eingesetzt werden müssen – nicht zuletzt, um Vertrauen in staatliches Handeln zu stärken. Denn funktionierende Infrastruktur habe auch eine zentrale Bedeutung für unsere Demokratie und den sozialen Zusammenhalt.
Jan Hendrik Trapp vom Deutschen Institut für Urbanistik wies auf die zunehmende Komplexität technischer Systeme und Steuerungsprozesse hin. Multifunktionalität auf Quartiersebene müsse stärker in den Fokus rücken. Die Podiumsdiskussion zeigte, dass die Herausforderungen sehr unterschiedlich sind: Während Metropolen mit Flächenknappheit kämpfen, fehlt es kleineren Kommunen oft an Personal und Know-how. Meike Heckenroth von der empirica AG hob hervor, wie wichtig der öffentliche Raum als soziale Infrastruktur ist – gerade in Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung. Die Forderung nach flexibleren und einfacheren Förderverfahren zog sich wie ein roter Faden durch die Diskussion.
Besonders eindrucksvoll waren die vorgestellten Projekte aus der Praxis. Jörg Franzen von der GESOBAU AG präsentierte das Projekt „Zukunft Märkisches Viertel“, das zeigt, wie moderne Infrastruktur in der Berliner Großsiedlung zur Klimaanpassung, Digitalisierung und sozialen Teilhabe beiträgt. Dirk Lange, Baudezernent der Stadt Jena, plädierte für realistische Zielsetzungen und Zeitschienen bei der Wärmewende und warb für vernetzte Großprojekte. Sein Appell „Panic slowly!“ Anstelle hektischer, unerreichbarer Maßnahmenplanungen, die viele verunsichern, sollte man besonnen und entschlossen die enormen Aufgaben angehen, damit am Ende die Ergebnisse gut sind und funktionieren. Prof. Oliver Weigel stellte mit der Internationalen Bauausstellung München zum Thema „Räume der Mobilität“ ein innovatives Governance-Modell vor, das Stadt und Umland in der Entwicklung von Verkehrsinfrastruktur und der Siedlungsentwicklung zusammenführt und in der gesamten Region zukunftsweisende Vorhaben realisiert.
Die abschließende politische Podiumsdiskussion machte deutlich, dass Infrastrukturpolitik heute mehr denn je strategisches Denken, klare Prioritäten und politischen Gestaltungswillen erfordert. Dr. Frank Burlein, Geschäftsführer der DSK – Stadt- und Grundstückentwicklungsgesellschaft, hob hervor die hohe Bedeutung der Städtebauförderung für wirtschaftliche Stabilität und sozialen Zusammenhalt hervor. Die von ihm vorgestellte Studie des Bundesverbandes Die.Stadtentwickler belegt, wie stark Investitionen in integrierte Stadtentwicklung auf Beschäftigung und lokale Wirtschaftskraft wirken. Er forderte einen verlässlichen Förderrahmen, um angesichts knapper Kommunalhaushalte investieren zu können. Dr. Christian Schneider vom Baden-Württembergischen Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen betonte die Notwendigkeit, öffentliche Mittel gezielt und priorisiert einzusetzen, anstelle nach dem Gießkannenprinzip zu fördern. Dazu braucht es gemeinsame Idee für Stadt und Land, getragen von Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Lars Stüwe, Haushaltspolitiker im Deutschen Bundestag, unterstrich die politische Dimension von Infrastrukturinvestitionen als Ausdruck gesellschaftlicher Verantwortung und ein sichtbares Bekenntnis zu Demokratie, Teilhabe und Vertrauen in staatliches Handeln. Gerade in Krisenzeiten müsse Politik Haltung zeigen und nicht nur verwalten, sondern gestalten. Dr. Christian Lieberknecht, Geschäftsführer des GdW – Bundesverband der deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen schließlich warnte angesichts einer aktuellen Quartiersstudie des GdW vor einer überhitzten Debatte. Die Herausforderungen seien real, doch statt Alarmismus brauche es einen klaren, pragmatischen Blick. Lokale Infrastrukturen seien das Fundament stabiler Quartiere – entscheidend sei nun, mit Augenmaß und Konsequenz zu handeln.
Die Tagung hat deutlich gemacht: Infrastrukturentwicklung ist kein technisches Nischenthema, sondern ein zentrales gesellschaftspolitisches Handlungsfeld. Es braucht langfristige Strategien, verlässliche Förderstrukturen, institutionelle Kooperation und die aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft. Nur so können wir die großen Transformationen unserer Zeit – Klimaschutz, Digitalisierung, soziale Gerechtigkeit – erfolgreich gestalten. Infrastrukturpolitik ist Zukunftspolitik. Sie entscheidet darüber, wie wir morgen leben – und ob wir es schaffen, unsere Städte und Regionen lebenswert, gerecht und widerstandsfähig zu gestalten.
