Einigung zur EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) lässt Pragmatismus einkehren

von Michael Groschek, Staatsminister a. D., Präsident des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V.

Nach zwei Jahren intensiver Verhandlungen erzielten die europäischen Institutionen in den Trilog-Verhandlungen zwischen Vertreter:innen der EU-Kommission, des Europaparlaments und des Europäischen Rats am 7. Dezember 2023 eine vorläufige politische Einigung zur Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD). Diese weist nun in eine realistischere und praxisnähere Richtung als ursprüngliche Vorschläge. Sie erscheint auch weitestgehend kohärent mit den erst kürzlich von der Bundesregierung verabschiedeten Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG).

Die Überarbeitung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) ist eine zentrale Initiative der Europäischen Kommission im Rahmen der Strategie für eine sog. Renovierungswelle. Das Hauptziel der Richtlinie ist, die Transformation des Gebäudebestands durch einschlägige Zielvorgaben zur Energieeffizienz so anzustoßen, dass die Europäische Union bis zum Jahr 2050 ihr Ziel der Klimaneutralität erreicht. Nach der Einigung im Trilog müssen nun das Europäische Parlament und der Rat der Mitgliedstaaten dem Kompromiss zustimmen, was gemeinhin als eine reine Formsache betrachtet wird. Spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten muss die Richtlinie in nationales Recht überführt werden. Die EPBD gibt die Leitplanken für die Weiterentwicklung von Ordnungsrecht und Förderung auf nationaler Ebene vor. In Deutschland wird dies vorwiegend über das Gebäudeenergiegesetz (GEG) umgesetzt. Dass hier die letzte große Reform unabhängig von der ausstehenden EPBD-Novelle soeben erst verabschiedet wurde, deutet schon die Herausforderung an, ineinandergreifende und konsistente politische Zielvorgaben und Rechtsrahmen im Mehrebenensystem zu etablieren.

Zentrale Punkte: Ambitioniert aber weitgehend ohne Zwang

Anders als von der Europäischen Kommission vorgeschlagen (und vom Europaparlament sogar verschärft) wird es keine verbindlichen Mindeststandards für den Energiebedarf oder -verbrauch (Minimum Energy Performance Standards – MEPS) von Wohngebäuden geben, die letztlich einer Sanierungspflicht für die Gebäude der schlechtesten Energieeffizienzklassen gleichkommen könnten. Vielmehr müssen die Mitgliedstaaten nationale Zielvorgaben und Maßnahmen festlegen, um den Primärenergieverbrauch bis 2030 um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent zu senken. Die nationalen Maßnahmen müssen sicherstellen, dass mindestens 55 Prozent der Senkung des durchschnittlichen Primärenergieverbrauchs durch die Renovierung von Gebäuden mit der schlechtesten Energieeffizienz erzielt wird. Damit ist der grundsätzliche Fokus auf die sog. „Worst Performing Buildings“ weiterhin gegeben, jedoch deutlich abgeschwächter als bei den MEPS. Den Mitgliedsstaaten wird mehr Flexibilität bei der Zielerreichung eingeräumt, was angesichts bestehender unterschiedlicher Rechtsrahmen und sehr heterogener Gebäudebestände sowie begrenzter Kapazitäten von Bauwirtschaft und Handwerk auch pragmatisch erscheint.

Die Mitgliedstaaten können dabei entscheiden, ob sie den Energieverbrauch durch primäre oder endgültige Messwerte angeben. Es besteht auch die Möglichkeit, bestimmte (z. B. denkmalgeschützte) Gebäude auszunehmen. Eine Harmonisierung der Energieausweise auf europäischer Ebene wird es weiterhin nicht geben. Stattdessen sieht die Einigung ein einheitliches Format für die Energieausweise vor. Diese nationalstaatlichen Freiheiten bedeuten aber auch, dass EU-weite Vergleiche von energetischen Gebäudestandards schwierig bleiben. In einer solchen Situation wären EU-weit einheitliche MEPS ohnehin schwer vorstellbar gewesen.

Im Neubau und versorgungsseitig werden aber auch striktere Vorgaben gemacht. So müssen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass neue Gebäude solargeeignet sind, d. h. sich für die Installation von Fotovoltaik- oder Solarthermieanlagen auf dem Dach eignen. Die Installation von Solarenergieanlagen wird somit zum Standard bei neuen Gebäuden. Das greift aber hierzulande insofern ins Leere, als dass in vielen Bundesländern in Deutschland bereits jetzt im Neubau eine Solarpflicht besteht. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Sanierungsstrategien das Verbot von neuen Heizkesseln für fossile Brennstoffe bis 2040 vorsehen. Subventionen für die Installation von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Einzelkesseln sind ab dem 1. Januar 2025 nicht mehr zulässig. Auch hier ist das GEG in Deutschland bereits weiter.

Kohärenz mit nationalen Zielen und Rahmen

Die Mindesteffizienzstandards (MEPS) in ihrer ursprünglichen Form mit de facto Sanierungspflichten für bestimmte Effizienzklassen konnten durch die Einigung verhindert werden, was zu begrüßen ist. Der Worst-First-Ansatz ist zwar grundsätzlich richtig, aber in der ursprünglich geplanten Form hätten in kürzester Zeit aktuell undenkbare Sanierungsgeschwindigkeiten und Quoten erreicht werden müssen. Das wäre allein aus Kapazitätsgründen schwer vorstellbar gewesen. Auch gesellschaftspolitische Verwerfungen hätten gedroht, zumal die schlechtesten Energieeffizienzklassen bei Ein- und Zweifamilienhäusern (v.a. von älteren Eigentümer:innen) deutlich häufiger vertreten sind als bei Mehrfamilienhäusern gewerblicher Vermieter. Härtefallregelungen hinsichtlich finanzieller Kapazitäten, Wirtschaftlichkeit oder Alter von Eigentümer:innen wären sicher umfassend nötig gewesen.

Vor diesem Hintergrund erscheint es richtig, die ambitionierten Zielvorgaben EU-weit vorzugeben, jedoch die nationalen Strategien und Instrumente zur Zielerreichung nicht zu sehr einzuschränken. Die Umsetzung der Vorgaben zur Verringerung des Primärenergieverbrauchs bei Wohngebäuden kann nun nicht nur durch effizienzseitige Modernisierungen erfolgen, sondern auch durch erneuerbare Energieversorgung. Da davon allerdings mindestens 55 Prozent durch die Renovierung der schlechtesten Gebäude erreicht werden sollen, bleibt der "Worst-first-Ansatz“ grundsätzlich erhalten.

Nun bleibt abzuwarten, inwieweit im Gesetzestext auch der Heizungsaustausch zur Renovierung zählt und wie die schlechtesten Gebäude tatsächlich abgegrenzt werden. Zumindest werden aber auch schrittweise Sanierungen ausreichen und keine umfassenden Gesamtsanierungen vorgeschrieben. Damit ergibt sich insgesamt eine erhebliche Entschärfung und eine gebäudebezogene „Modernisierungspflicht“ für die schlechtesten Wohngebäude ist somit vom Tisch.

Sehr zu begrüßen ist, dass die EPBD nun dazu verpflichtet, für einkommensschwache Gruppen eine ausreichende Finanzierung zur Verfügung zu stellen, um der Energiearmut entgegenzuwirken. Hierauf zahlt bereits ein, dass die hierzulande trotz Haushaltskrise in Kraft getretene Förderrichtlinie zur "Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) – Einzelmaßnahmen" u.a. einen Einkommensbonus in Höhe von 30 Prozent der Investitionskosten enthält (für selbstnutzende Hauseigentümer mit einem zu versteuernden Haushaltsjahreseinkommen von bis zu 40.000 Euro). Dieser hilft allerdings einkommensschwächeren Mieter:innen wenig, da private Vermieter:innen und Wohnungsunternehmen davon ausgeschlossen sind.  

Insgesamt wird das Ergebnis der Trilog-Verhandlungen mit Blick auf die ursprünglichen Forderungen der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments weithin als ausgewogener Kompromiss gesehen. Die Ziele für Wohngebäude sind zwar ambitioniert, aber realisierbar, sofern national eine angemessene Förderkulisse für energetische Sanierungen und Neubauten sichergestellt wird. Die kürzlichen Reformen von GEG und Bundesförderung für effiziente Gebäude sind mit den EPBD-Vorgaben bereits weitestgehend kohärent. Das ist erfreulich, da so der Fokus schneller und stärker auf die Umsetzung gelegt werden kann, statt nach bereits langer Verunsicherung erneut die Rahmenbedingungen neu zu setzen.

Weitere Informationen

Ein Diskussionspapier zu den Trilogverhandlungen, das der DV im September 2023 veröffentlicht hat, finden Sie hier: "EU-Gebäuderichtlinie sozialverträglich und praxistauglich ausgestalten"

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