"Das Bauministerium muss auf Dialog und Kooperation bauen"

von Michael Groschek, Präsident des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. und Staatsminister a.D.

Das neue Bauressort stimmt optimistisch und von der neuen Hausspitze um Bundesministerin Klara Geywitz sind wichtige Akzente für die integrierte und nachhaltige Quartiersentwicklung zu erwarten. Der DV wird hier auf vielfältige Weise unterstützen und Input liefern, so Verbandspräsident und Staatsminister a.D. Michael Groschek.

Schon Mitte Januar hatte ich als Präsident des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. (DV) zusammen mit unserem Generalsekretär Christian Huttenloher die Gelegenheit, Bauministerin Klara Geywitz und ihren Staatssekretär Dr. Rolf Bösinger zu treffen. Das Gespräch mit der Spitze des neuen Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) hat deutlich gemacht, dass das quantitative Ziel, den Neubau von 400.000 Wohnungen zu erreichen, nicht mit Qualitätsverlust erkauft wird. Das Verständnis von Baukultur und das Bekenntnis zur Sozialverträglichkeit waren ebenso erfreulich, wie der Verzicht auf ideologisches Phrasendreschen.

Interessenausgleich und Bündnisprozess sind wichtiger denn je

Große Erwartungen lasten auf dem angekündigten Prozess zur Bildung eines „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“. Von den ambitionierten Neubauzielen bis hin zur Gewährleistung bezahlbaren Wohnraums bei weiter hohen Baukosten und Bodenpreisen sowie dem Handlungsdruck zur Dekarbonisierung unseres Wohngebäudebestands stehen komplexe Herausforderungen an. Diese sind allesamt Querschnittsthemen mit zahlreichen Betroffenen, denen Politik nur in enger Kooperation und mit dem Wissen der Praxis gerecht werden kann.

Bei der Energiewende im Gebäudesektor muss beispielsweise zwingend ein Scheitern an der Praxis verhindert werden – also an den Wohnungseigentümer:innen, die die Investitionsentscheidungen treffen sowie an den Kapazitäten der Dienstleistenden entlang energetischer Sanierungsprozesse. Gerade hier gilt es auch zwischen den Ressorts noch so manches fachpolitisches Detail abzustimmen und es wird eine Herausforderung, darüber hinaus auch die Bündnisakteure erweitert um verschiedene Vertreter:innen aus den Bereichen Energie und Umwelt in konstruktiven Debatten zusammenzubringen. Hier sind wohl noch andere Formate neben dem Bündnis notwendig.

Unabhängig davon muss das neue Bündnis ein Arbeitsprozess in gemeinsamer Verantwortung von Wohnungswirtschaft, Gesellschaft und Politik aller Ebenen werden und damit weit mehr, als nur die Wiederholung eines Wohngipfels. Hier bringen wir uns mit unserem Netzwerk und Know-how gerne ein. Darüber hinaus stehen 2022 für den DV einige neue Aktivitäten in Kooperation mit dem Bauministerium an.

Gemeinwohlorientierung definieren und stärken

Das Gemeinwohl als Zielgröße von Stadt- und Quartiersentwicklung oder auch Wohnungspolitik florierte zuletzt. Es droht aber auch zur Worthülse zu werden, wenn es nicht mit Inhalt gefüllt wird und vor allem gemeinsame Definitionen geteilt werden. Mit der Neuen Leipzig-Charta, deren Entstehungsprozess der DV für den Bund eng begleitet hat, wurde ein Leitdokument geschaffen, das die Konturen des Gemeinwohlbegriffs schärfen sollte ohne diese zu eng zu fassen. Ökologische, soziale ebenso wie ökonomische Komponenten müssen lokal und ko-kreativ in Einklang gebracht werden.

Wie das gelingen kann, beschäftigt uns auch dieses Jahr weiter. Einerseits wird der DV mit einer Dialogplattform von 2022 bis 2024 gemeinsam mit dem BMWSB und dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) die verschiedenen Dimensionen von Gemeinwohl in der Wohnungspolitik diskutieren und vertiefen. Inhaltlich schließt das Format damit auch an unserer vom BBSR im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik geförderten Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“ an. Auch sie wird 2022 fortgeführt und bringt weiter etablierte Akteure der Immobilienwirtschaft, aus Kommunen und Wohlfahrtsorganisationen mit zivilgesellschaftlichen Initiativen und Akteuren aus den Bereichen Bildung, Kreativwirtschaft und Kultur zusammen, um eine kooperative und gemeinwesenorientierte Quartiersentwicklung zu fördern.

In beiden Formaten geht es auch darum, die verschiedenen Handlungsmotive im Dialog übereinander zu legen, um so auch Schnittmengen für gemeinsames Handeln und das gemeinsame Wohl auszumachen und umzusetzen, um die generelle Funktion dieser Handlungsräume auch langfristig sicher zu stellen.

Neue Ideen für resiliente Innenstädte und Zentren

Schließlich freuen wir uns als Begleitagentur im Rahmen des Bundesprogramms „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ (ZIZ) das BMWSB und das BBSR gemeinsam mit empirica, BTU Cottbus und DSK zu unterstützen. Bereits vor der Pandemie unterlagen unsere Innenstädte einem Strukturwandel. Hier setzt das neue Programm an, indem Innenstädte, Stadt- und Ortsteilzentren dabei unterstützt werden sich wieder zu vielfältigen und kooperativen Identifikationsorten der Kommune zu entwickeln. Der DV berät Kommunen bei der Erarbeitung innovativer Konzepte und Handlungsstrategien und deren Umsetzung im Programmverlauf, erstellt fachliche Analysen und organisiert Austausch- und Informationsformate im Rahmen des Bundesprogramms.

Das Quartier und der integrierte Ansatz weiterhin als Kompass

Die dargestellten Formate bieten uns einige Chancen zu einem konstruktiven Dialog zwischen allen Ebenen und Akteuren beizutragen. Darüber hinaus haben Klara Geywitz und Dr. Rolf Bösinger deutlich gemacht, dass das Bauministerium selbst auch den Anspruch und das Potential besitzt, im Kabinett volle politische Schlagkraft zu entfalten. Das wird eine schwierige Aufgabe, ist für den Quartiersansatz aber ein wichtiges Signal. Denn im Quartier kommen unterschiedlichste Lebensrealitäten und Bedürfnisse zusammen – ob kulturelle, soziale, Wohn-, Mobilitäts- oder Energieinfrastrukturen. Als der „Quartiersverband“ in Deutschland bleiben wir gerne Pfadfinder und runder Tisch für eine solche Energie-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik und helfen dabei einen fachlich fundierten Interessenausgleich als Grundlage für wegweisende politische Entscheidungen bereitzustellen. Es gilt, ressortübergreifend eng zu kooperieren und integriert zu denken. Nur so können Synergien genutzt und Zielkonflikte vermieden werden. Hier braucht es einen pragmatischen aber progressiven Interessenausgleich und kein ideologisiertes Gegeneinander. Mein Eindruck ist: Das Bauministerium muss weiter auf Dialog und Kooperation bauen. Das wurde auch von den Verantwortlichen erkannt und wir als DV sind froh, dass wir hierbei unterstützen können!

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