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Bundesregierung mit ambitioniertem Programm für Bauen und Wohnen

Stichwort von Guido Beermann, Präsident des deutschen Verbands für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordung e. V. 

Gut zwei Monate nach der Bundestagswahl steht die neue Bundesregierung mit neuem Programm und einer fast komplett neuen Regierungsmannschaft. In einmalig turbulenten Zeiten mit extremen weltpolitischen Krisen und schwieriger Lage der Wirtschaft stimmt dieses Zeichen politischer Stabilität und fachlich versierter Handlungsfähigkeit – gepaart mit notwendigen Veränderungen – zuversichtlich. Dafür steht auch die neue Bundesbauministerin, die letzte Woche bei der Regierungserklärung ihren ersten Auftritt im Deutschen Bundestag hatte. Trotz ihrer erst 36 Jahre ist Verena Hubertz in der Bundespolitik keine Unbekannte. Als stellvertretende Fraktionsvorsitzende war sie bereits für die Bereiche Bauen und Wohnen, Klima und Energie sowie Wirtschaft verantwortlich. Als ehemalige Unternehmerin tritt sie zupackend und durchsetzungsfähig auf und versteht es wirtschaftliche und soziale Belange zu verbinden. So macht sie auch sehr deutlich, worauf es bei einer bezahlbaren Wohnraumversorgung ankommt: Durch eine schnellere, kostengünstigere Schaffung von mehr Wohnraum verbunden mit austariertem Mieterschutz soll einerseits die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft als Konjunkturmotor gestärkt und andererseits den Sorgen der Menschen vor überfordernden Wohnkosten begegnet werden. Wichtig wäre es aber, neben „Bauen, Bauen, Bauen“ auch die Bedeutung der Bestandsentwicklung und der Stadtentwicklung stärker hervorzuheben. 

Die für Bauen und Wohnen relevanten Teile des Koalitionsvertrags bestehen im Wesentlichen aus einem Dreiklang aus Beschleunigung, Vereinfachung und Kostensenkung. Ergänzt wird dies durch verstärkte Investitionsanreize für mehr bezahlbaren Wohnraum sowie einen Mieterschutz, der besser mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Vermietenden bei Neubau und Modernisierung in Einklang gebracht werden soll. Dies betrifft auch einen Paradigmenwechsel bei energetischen Standards weg von maximaler und teurer Energieeffizienz, hin zu CO2-Effizienz. Eine kluge Kombination beider Bereiche ist die vorübergehende Förderung des EH 55 Standards, um Bauüberhänge abzubauen.

Beschleunigtes und kostengünstiges Bauen im Fokus  

Für die Beschleunigung von Wohnungsbau soll der in der BauGB-Reform mit dem § 246 e angelegte Wohnungsbau-Turbo in einer ersten raschen Gesetzesnovelle umgesetzt werden. Dies sollte auch die erweiterten Ausnahmen für unbeplante Innenbereiche sowie Befreiungen von Vorgaben des Bebauungsplans umfassen. Teile unserer Mitgliedschaft sehen weitreichende Ausnahmen von einer fundierten Bebauungsplanung allerdings kritisch. Sollte der Bauturbo kommen, steigt damit der Stellenwert informeller Planungen, da Kommunen ansonsten keine Basis haben, um rechtssicher und im Sinne einer geordneten städtebaulichen Entwicklung ihre Zustimmung zu Bauvorhaben zu erteilen. Deshalb wäre die Bundesregierung gut beraten, auch die Weiterentwicklung und Anwendung des informellen Planungsinstrumentariums zu adressieren und neben Ausnahmen und Befreiungen in einer zweiten großen Bau-GB-Novelle insgesamt das städtebaurechtliche Instrumentarium grundlegend einfacher und rechtsicherer anwendbar zu gestalten.

Zur Kostensenkung will die schwarz-rote Koalition die im Rahmen von Bauordnungsrecht und Normung gestarteten Initiativen mit den Ländern fortsetzen und intensivieren und auch weitergehende Maßnahmen zur Eindämmung der kostentreibenden Wirkung der Normung umsetzen. Der Gebäudetyp E soll auch zivilrechtlich abgesichert werden, indem ein Abweichen von anerkannten Regeln der Technik keinen Mangel mehr darstellt und eine gesetzliche Verknüpfung mit den technischen Baubestimmungen der Länder erfolgt. In der letzten Legislaturperiode konnten hier gerade mit dem Bündnis für Wohnen und dem Beschleunigungspakt von Bund und Ländern erste Schritte erfolgen und einige Bundesländer haben ihre Bauordnungen teils erheblich angepasst oder wie Schleswig-Holstein oder Hamburg weitergehende Maßnahmen wie den “Förderstandard E“ oder den Hamburg-Standard auf den Weg gebracht.

CO2-Effizienz statt maximaler Energieeffizienz mit Stärkung des Quartiersansatzes

Zur Senkung von Baukosten hilft auch der angekündigte Richtungswechsel bei der Dekarbonisierung des Gebäudebestandes: So soll die CO2-Vermeidung zur zentralen Steuerungsgröße werden und maximale Effizienzstandards ablösen. Zudem wird die Abschaffung des Heizungsgesetzes angekündigt sowie eine technologieoffenere, flexiblere und einfachere Ausgestaltung des Gebäudeenergiegesetz (GEG). Auch die Verzahnung von GEG und kommunaler Wärmeplanung soll vereinfacht werden. Hier gilt es zu beachten, dass sowohl Immobilien- als auch Energiewirtschaft mit Blick auf die Klimaneutralität im Jahr 2045 und ihre langfristigen Investitionszyklen einen verlässlichen Rahmen benötigen und außerdem die Leitplanken der EU-Gesetzgebung einzuhalten sind. Dazu stellt der Koalitionsvertrag klar, dass man bei der Umsetzung der Europäischen Gebäuderichtlinie (EPBD) alle Spielräume ausschöpfen will und nicht wie so oft in der Vergangenheit eine noch ambitioniertere Umsetzung anstrebt. In Richtung Europa ist ebenso wichtig, den Wohnungsbau von den Beihilferegelungen auszunehmen und die EU-Taxonomie zu reformieren.

Zu begrüßen ist das klare Bekenntnis zur Verstärkung des Quartiersansatzes, zusammen mit der Fortsetzung von Heizungs- und Sanierungsförderung. Aus dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen war bereits zu vernehmen, dass für das KfW Programm „Energetische Stadtsanierung“ wieder Haushaltsmittel angemeldet wurden. Kommunen benötigen zusammen mit Wohnungswirtschaft und Versorgungsunternehmen neben der kommunalen Wärmeplanung, der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) und für effiziente Wärmenetze (BEW) dieses konkrete quartiersbezogene Umsetzungsinstrument für die Wärmewende und Dekarbonisierung.

Bewährte Investitionsanreize stärken und neue Investitionsoffensiven starten

Die neue Bundesregierung kündigt auch eine Reihe von Initiativen zur Verstärkung und Weiterentwicklung der Investitionsförderung an. Noch ist dies teils eine Auflistung instrumenteller Elemente unter mehreren Initiativen, die noch konkretisiert und auf ihre tatsächliche Umsetzbar- und Wirksamkeit geprüft werden müssen. Gut ist, dass alle Segmente und Akteure des Wohnungsmarktes in gleicher Wiese adressiert werden.

Für die Wohneigentumsbildung für Familien sollen mit einer „Starthilfe Wohneigentum“ für Neubauförderung und Sanierung bestehenden Wohnraums steuerliche Maßnahmen verbessert, eigenkapitalersetzende Maßnahmen geschaffen und die Übernahme von staatlichen Bürgschaften für Hypotheken geprüft werden. Richtig ist, dass ein zentraler Engpass für die Eigentumsbildung beim Eigenkapital liegt und dafür das Programm „Jung kauft Alt“ mit seinen übergesetzlichen Energiestandards ungeeignet war. Ob aber eigenkapitalersetzende Maßnahmen und Bürgschaften wirklich helfen und Bundesprogramme dafür rasch auf den Weg gebracht werden können, wird aus Sicht von Experten und der Finanzierungspraxis mitunter skeptisch betrachtet. Bedauerlich ist, dass Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer für den Ersterwerb nicht mehr erwähnt werden. Hier sollte die Bundesregierung auch in der neuen Legislaturperiode gemeinsam mit den Ländern nach einer Lösung suchen. Schließlich würde die Entlastung bei den Erwerbsnebenkosten weit stärker die Eigentumsbildung unterstützen als komplexe staatliche Förderung.

Für den Mietwohnungsbau wurde erkannt, dass neben Zuschüssen und Förderkrediten auch die Eigenkapitalbasis der Wohnungswirtschaft gestärkt werden muss. Mit einer neuen Investitionsoffensive zur Vergabe von Eigen- und Fremdkapital soll im Zusammenspiel von öffentlichen Garantien (zum Beispiel der KfW) und privatem Kapital ein Investitionsfonds für den Wohnungsbau aufgelegt und auch kommunale Wohnungsbaugesellschaften durch eigenkapitalentlastende Maßnahmen unterstützt werden. Durch eine Bündelung der günstigeren Finanzierungskonditionen des Bundes mit der Expertise der Wohnungswirtschaft für schnelles und effizientes Bauen sollen die Finanzierungskosten so gesenkt werden, dass in großer Zahl Wohnungen in angespannten Wohnungsmärkten für unter 15 Euro pro Quadratmeter entstehen können. Zudem will die Bundesregierung die Mittel für den sozialen Wohnungsbau schrittweise deutlich erhöhen, wofür aber keine konkreten Zahlen genannt werden und die Haushaltsengpässe der Länder eine weitere deutliche Erhöhung erschweren dürfte.

Mieterschutz vor hohen Wohnkosten mit Leistungsfähigkeit der Vermietenden austarieren

Schließlich hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, bestehende Spannungsfelder zwischen bezahlbarem Wohnen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Vermietenden lösungsorientiert anzugehen. Die Mietpreisbremse soll zunächst rasch um vier Jahre verlängert, gleichzeitig aber Alternativen in einer Expertengruppe aus Mieter- und Vermietergruppen erörtert werden, wie eine Harmonisierung mietrechtlicher Vorschriften und die Präzisierung der Mietwucher-Vorschrift. In angespannten Wohnungsmärkten sollen gleichzeitig Indexmieten bei der Wohnraumvermietung, möblierte und Kurzzeitvermietungen einer erweiterten Regulierung unterworfen werden. Schließlich hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, die Modernisierungsumlage so anzupassen, dass einerseits wirtschaftliche Investitionen in den Wohnungsbestand angeregt werden und andererseits die Mietkosten für die Bewohnenden weiterhin bezahlbar bleiben.

Bei der Stadtentwicklungspolitik noch Luft nach oben

Im Vergleich zu den Bereichen für Bauen und Wohnen sind die knappen Passagen zur Stadtentwicklung und auch die ersten Aussagen der Ministerin noch eher wenig aussagekräftig und ambitioniert. Dennoch wird die Bedeutung von städtebaulicher Erneuerung und Entwicklung, die Bekämpfung von Leerstand und die Stärkung der Innenstädte betont. Besonders zuversichtlich stimmt das klare Bekenntnis zu Städtebauförderung und die angestrebte schrittweise Verdopplung der Mittel – verbunden mit Modellvorhaben zu deren Weiterentwicklung. Aber wie bei der angekündigten weiteren Erhöhung der Mittel für den sozialen Wohnraumförderung steht dies unter generellem Finanzierungsvorbehalt. Zudem stellt sich die Frage der Mitfinanzierung durch die Bundesländer. Bedenklich wäre aber, wenn vor dem Hintergrund der gewünschten Vereinfachung und Komplexitätsreduzierung der Mehrwert vieler formeller und informeller stadtentwicklungspolitischer Instrumente angezweifelt wird. Aus diesem Grund hoffen wir, dass eine Nichterwähnung vieler erfolgreicher Maßnahmen und Instrumente der Stadtentwicklung, wie auch die Nationale Stadtentwicklungspolitik, bedeutet, dass diese mittlerweile etabliert sind und im Koalitionsvertrag deshalb nicht gesondert hervorgehoben werden mussten.

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