
Berlin, 2. Oktober 2025.
Die Erneuerung und Transformation kommunaler Infrastrukturen gehört zu den größten Zukunftsaufgaben in Deutschland. Vor dem Hintergrund des umfassenden Infrastrukturpakets des Bundes diskutierten die Teilnehmenden der Jahrestagung des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. (DV) am 2. Oktober 2025 in der Landesvertretung des Freistaates Bayern beim Bund in Berlin die zentrale Frage: Wie lassen sich städtische und regionale Infrastrukturen nachhaltig, integriert und zukunftsfähig entwickeln und ausbauen? DV-Präsident Guido machte in seiner Eröffnungsbotschaft klar: „Infrastrukturen sind mehr als Bauten und Technik. Sie schaffen Lebensqualität, Teilhabe und sind die Grundlage für resiliente Städte. “
Themenschwerpunkte
Im Mittelpunkt der Tagung standen die Infrastrukturentwicklung vom Quartier bis zur Stadtregion sowie unterschiedliche Facetten der Infrastrukturentwicklung - nachhaltige Mobilität, die Aufwertung öffentlicher Räume, soziale, kulturelle, Bildungs- und Sportinfrastrukturen, grüne und blaue Infrastrukturen sowie die Transformation der Energieversorgung im Zuge der Wärmewende. Die Teilnehmenden plädierten für die zentrale Bedeutung einer strategischen Flächenvorsorge, von Multifunktionalität und integrierter Planung, ämterübergreifender Steuerung und Beteiligung sowie verlässlichen und gebündelten Finanzierungsinstrumente. Insbesondere die fachkundige und engagierte Moderation durch Reiner Nagel, Vorstand der Bundesstiftung Baukultur mit den Erkenntnissen aus dem letzten Baukulturbericht zum Thema Infrastruktur verliehen der Veranstaltung wichtige Impulse.
Wesentliche Erkenntnis war: Zukunftsfähige Infrastrukturen brauchen integrierte Planung sowie flexible, aber verlässliche Förderung und Finanzierung.
Mehr Tempo, geringere Kosten, bessere Sichtbarkeit
Baustaatssekretärin Sabine Poschmann betonte in Ihren Eröffnungsworten, dass die Bundesregierung neben dem massiven Ausbau der Infrastrukturinvestitionen, im Hochdruck daran arbeite, mehr Geschwindigkeit und eine Senkung der Kosten zu erreichen. „Im Angesicht der heutigen Krisen müssen politische Maßnahmen einen schnellen und kostengünstigeren Ausbau und Erhalt von Infrastrukturen erreichen. Dafür arbeiten wir am Bauturbo am Abbau von Standards und einer Vereinfachung von Verfahren in der Infrastrukturplanung,“ so Poschmann. Thomas Gloßner, Ministerialdirektor im Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bauen und Verkehr, unterstrich, dass die mit dem Sondervermögen nun machbaren Investitionen rasch und sichtbar für die Menschen vor erfolgen müssen. Denn funktionierende Infrastruktur haben auch eine zentrale Bedeutung für unsere Demokratie und den sozialen Zusammenhalt.
Zukunftsfähige Infrastrukturen brauchen integrierte Planung und verlässliche Förderung
Jan Hendrik Trapp, Teamleiter am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu), betonte in seinem Impuls, dass integrierte Infrastrukturplanung angesichts wachsender technischer Vielfalt, komplexer Steuerungsprozesse und veränderter Flächenbedarfe immer wichtiger wird und künftig noch stärker auf Multifunktionalität mit Fokus auf die Quartiersebene ausgerichtet sein muss. In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde deutlich, dass die Herausforderungen von Flächenknappheit in Metropolen bis hin zu mangelnden personellen Kapazitäten in Kleinstädten reichen, wie der Referatsleiter für Stadtentwicklungsplanung bei Berliner Senat Tondorff und die Leiterin der Kleinstadtakademie aus Wittemberge Siv Foge deutlich machten. Meike Heckenroth, Vorstandsmitglied der empirica AG, unterstrich die Bedeutung des öffentlichen Raums als soziale Infrastruktur, die sozialen Zusammenhalt fördert. Ein klarer Wunsch der Diskussionsteilnehmenden war mehr Flexibilität und einfachere Förderverfahren, die auf Quartiersebene greifen. Als gutes Beispiel für eine integrierte Planung und Umsetzung der Dekarbonisierung von Quartieren stellte Dr. Christian Schmidt von der KfW-Bank das im nächsten Jahr wieder anlaufende Bundesprogramm „KfW 432 Energetische Stadtsanierung“ vor.
Förderung, Priorisierung und soziale Wirkung
Vertreter:innen aus Politik, Verbänden und Stadtentwicklung diskutierten anschließend über die Bedeutung integrierter kommunaler Infrastruktur. Dr. Frank Burlein von der DSK Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft unterstrich auf Basis einer aktuellen Untersuchung des Bundesverbandes DIE.Stadtentwickler welche Wirkungen die Städtebauförderung auf Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigung, Schaffung von Wohnraum und sozialen Zusammenhalt hat. Wichtig sei es angesichts der geplanten Verdopplung der Bundesmittel, dass Bund und Länder den finanziell überlasteten Kommunen einen Förderrahmen zu bieten, um die Milliarden nun tatsächlich in Investitionen umsetzen zu können. Dr. Christian Schneider Amtschef im Baden-Württembergischen Landesministeriums für Wohnen und Landesentwicklung plädierte für eine stärkere Priorisierung des Mitteleinsatzes auf die wichtigsten und wirkungsvollsten Investitionen. Auch mit den deutlich höheren Fördervolumen sei nicht alles, was wünschenswert ist, machbar. „Dazu brauchen wir wieder eine Idee für das Land, für die Stadt und dann auch Leute, die dahinter stehen, diese Idee umzusetzen“, so Schneider. Dafür müsse man aber stärker konzeptionell arbeiten und weniger reine Insellösungen umsetzen.
Auch der Berliner Bundestagsabgeordnete Stüwe zeigte sich überzeugt davon, dass die Akzeptanz von Maßnahmen steigt, wenn man ein klares Bild zeige, wofür diese gemacht werden. „Politik muss dafür Haltung zeigen. Investitionen sind integral für ein funktionierendes Gemeinwesen“. Genau diese Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt unterstrich ebenfalls Dr. Christian Lieberknecht vom GdW – Bundesverband Deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Er ließ Erkenntnisse einer aktuellen Studie zu überforderten Quartieren einfließen und sprach sich für die enorme Bedeutung lokaler Infrastrukturen für stabile Wohnquartiere aus. „Wir müssen die Herausforderungen erkennen, dürfen sie aber nicht überdramatisieren, sondern einfach mit entsprechenden Maßnahmen konsequent angehen, um überforderte Quartiere zurückzuholen.
Praxisbeispiele
In Kurzimpulsen wurden erfolgreiche Ansätze auf verschiedenen räumlichen Ebenen vorgestellt:
Im Märkischen Viertel in Berlin verdeutlichte die Jörg Franzen, Vorstandsvorsitzender der GESOBAU AG mit dem Vorhaben „Zukunft Märkisches Viertel“, dass Infrastruktur auch in einem bereits umfassend modernisierten Quartier zentrale Bedeutung hat, etwa bei Klimaschutz und Mobilität, Grünflächen, Digitalisierung sowie sozialer Integration und Teilhabe. Dies sei entscheidend für stabile Nachbarschaften und unsere Demokratie. Dabei geht es nicht nur um Investition, sondern vor allem um die Vernetzung mit Partnern sowie neue Formen der Beteiligung der Bewohnenden.
Der Jenaer Baudezernent Dirk Lange mahnte sowohl anhand der ambitionierten Transformation der Wärmeversorgung als auch an der multifunktionalen Vernetzung von 16 Großbauprojekten in der Innenstadt zu Sorgfalt und Synchronisierung von Bauvorhaben, schnellen kleinen Erfolgen bei einem langen Umsetzungszeiträumen sowie insgesamt realistischen Zielhorizonten. Es sei bereits heute absehbar, dass die Stadt nicht bis 2035 klimaneutral werden könne. Angesichts vieler Herausforderungen, einer gefühlten Überforderung und medialer Aufgeregtheit prägte er den Slogan „Panic slowely – am Ende müssen die Ergebnisse gut sein und funktionieren“.
In der Metropolregion München konzentriert sich die IBA „Räume der Mobilität“ auf die integrierte Entwicklung von Verkehrsinfrastruktur, Stadtentwicklung und Immobilienprojekten. IBA Geschäftsführer Prof. Oliver Weigel stellte dabei weniger die Exzellenz jedes Einzelprojektes in den Vordergrund, sondern die Neuartigkeit und Innovation des Governance-Modells, das die Zusammenarbeit von Stadt und Umland in den Mittelpunkt steht, um die Region zukunftsfähig und lebenswert zu gestalten.
Fazit: Infrastrukturen weiterdenken: Integration, Innovation, Umsetzung
Deutlich wurde, dass Infrastruktur allein nicht ausreicht: Neben Investitionen sind Vernetzung, gemeinsame Nutzung und Kooperation zwischen öffentlichen Stellen, Wohnungsunternehmen und sozialen Trägern sowie neue Formen der Beteiligung der Bewohner:innen entscheidend. Städtebauförderung und Bundesprogramme wie das Infrastrukturpaket tragen wesentlich dazu bei, Defizite auszugleichen, soziale Innovationen zu ermöglichen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Förderprogramme müssen klar strukturiert, gebündelt und langfristig verlässlich sein, um steigende Baukosten, Personalengpässe und komplexe Genehmigungsverfahren zu bewältigen. Integrierte Planung, die städtebauliche Qualität, Energie- und Klimathemen sowie die Verknüpfung von Infrastruktur und Stadtentwicklung berücksichtigt, bleibt ein zentraler Hebel für nachhaltige Quartiere und sozialen Zusammenhalt.
