Bei sozial orientierten Wohnungsunternehmen mit geringen Ausgangsmieten wird besonders offensichtlich, wie schwierig es ist, Klimaschutz, Bezahlbarkeit und wirtschaftliche Machbarkeit zu vereinen. Mit Unterstützung der Initiative Wohnen.2050 haben wir Kostenfaktoren und Refinanzierungsmöglichkeiten für verschiedene Dekarbonisierungsszenarien und betriebswirtschaftliche Handlungszwänge untersucht. Die wichtigsten Ableitungen aus dieser Studie sind nachfolgend zusammengefasst. Dabei zeigt sich, unter welchen Rahmenbedingungen die Wärmewende und ein treibhausgasneutraler Gebäudebestand machbar bzw. unmöglich werden.
Klare Effekte von Zielstandard, Modernisierungsstau und Fernwärme auf Finanzierungslücken
Von acht untersuchten Dekarbonisierungsszenarien kann einzig die günstigste Variante ohne Modernisierungsstau, mit hohem Fernwärmepotential und weniger ambitionierter Zielstandard (Niedertemperatur-Ready) unter den aktuellen förderpolitischen und mietrechtlichen Rahmenbedingungen als wirtschaftlich umsetzbar bezeichnet werden. Alle weiteren Szenarien hatten stetig steigenden Jahresfehlbeträge zur Folge. Beim gegenteiligen Szenario mit hohem Modernisierungsstau, keiner Fernwärme und ambitionierterem Zielstandard (Effizienzhaus 70) fallen gar 14-mal höhere Investitionskosten an als beim günstigsten Szenario. Auch ein Vergleich der CO2-Vermeidungskosten zeigt, dass sowohl Modernisierungsstau (im Sinne eines schlechteren energetischen Ausgangszustands) als auch ambitionierte Zielstandards und fehlendes Fernwärmepotential für Unternehmen zur besonderen Belastung werden. Nach Einbezug der aktuellen Förderkulisse werden bei diesen Portfolioeigenschaften zwischen 20-27 € mehr Investitionen fällig, um ein 1 kg CO2 bei den Jahresemissionen der simulierten Unternehmen mit 4.500 Wohneinheiten einzusparen.
MEPS für einige Unternehmen fatal und Fernwärme nur scheinbar Heilsbringer
Die hohen Mehrkosten bei einzelnen Portfolioeigenschaften zeigen, dass die Unternehmen vor sehr unterschiedlichen Herausforderungen stehen. Ein schlechter Ausgangszustand der Gebäude ist besonders problematisch. Alle Szenarien mit dieser Eigenschaft sind unwirtschaftlich, obwohl die Investitionen gleichmäßig bis 2045 gestreckt wurden. Dies zeigt, wie fatal gebäudescharfe Modernisierungspflichten (MEPS) bis 2030 für die besonders investitionsintensiven energetisch schlechtesten Bestandsportfolios wären, wie sie auf EU-Ebene lange zur Debatte standen. Dabei kann nicht ausgeschlossen werden, dass in einigen Fällen nicht nachhaltiges unternehmerisches Handeln durch aufgeschobene Instandhaltung oder fehlende Rücklagenbildung zur schwierigen Situation bei hohem Modernisierungsstau beigetragen haben. Allerdings ist die aktuelle wirtschaftliche Ausgangssituation nun mal gegeben. Anerkennend muss zudem festgehalten werden, dass z.B. im Falle kommunaler Unternehmen Gewinnausschüttungen an die Gesellschafterin i.d.R. auch der lokalen Gemeinschaft zugutekommen. Zudem könnten weitere wirtschaftliche und politische Zwänge z.B. auf die Investitionstätigkeit in Neubau oder soziale Infrastruktur gewirkt haben.
Hohe Fernwärmepotentiale bzw. -bestände sind betriebswirtschaftlich aus Sicht der Wohnungsunternehmen ein positiver Einflussfaktor. Im Rahmen der Studie werden aber keine Erkenntnisse darüber gewonnen, inwiefern die eingesparten Kosten nicht auf anderer Seite in ähnlichem Maße durch Energieversorger bzw. Verbraucher:innen zu tragen wären und damit über erhöhte Wärmekosten einkommensschwächere Mietende genauso stark oder gar stärker belasten. Hier bräuchte es weitere Untersuchungen und eine fundierte akteursübergreifende Debatte.
Effizienzpragmatismus als größter unternehmerischer Hebel
Während ein hoher Modernisierungsstau von aktuellen Entscheidungsträger:innen in Wohnungsunternehmen nicht veränderbar ist und Fernwärmepotentiale nur bedingt über Verhandlungen mit Versorgern beeinflussbar sind, bieten der Zielstandard und der Umfang der Effizienzmaßnahmen die einzigen Hebel zur unternehmerischen Gestaltung, um die teils immensen Finanzierungslücken zumindest etwas zu schließen. Diese Realität anzuerkennen, muss auch Basis von Ordnungsrecht und Förderung sein, weshalb ordnungsrechtliche Bestrebungen für pauschale und sehr hohe Mindeststandards für alle Bestandsgebäude in die Irre führen.
Mieterhöhungspotentiale und Förderung adressieren schlechtere Ausgangssituation nicht
Die aktuelle Förderkulisse bevorzugt in den untersuchten Szenarien die ohnehin etwas realistischeren Dekarbonisierungsszenarien mit weniger ambitionierter Energieeffizienz und ohne Modernisierungsstau. Dies liegt einerseits an den höheren Förderquoten für Einzelmaßnahmen bei minimalinvasiven Modernisierungen. Zum anderen werden die maximal förderfähigen Kosten bei den sehr umfassenden Investitionen in die schlechtesten Energieeffizienzklassen übertroffen, sodass die Gesamtförderquoten im Verhältnis zu den nötigen Gesamtinvestitionen geringer sind. Der Worst-Performing-Building-Bonus von 10 Prozent ist als positive Ausnahme in der Förderung hervorzuheben, kann aber die hohen Mehrkosten bei Modernisierungsstau nicht ausgleichen.
Die Refinanzierungspotentiale aus Mieterhöhungen sind insbesondere bei den kostenintensivsten Szenarien mit schlechtem Gebäudezustand und niedrigen Ausgangsmieten gering. Hier sind die sozial orientierten Unternehmen besonders benachteiligt. Ihre niedrigen Ausgangsmieten beschränken u. a. aufgrund der Kappungsgrenzen den Refinanzierungsspielraum. In den untersuchten Szenarien übertreffen die rein rechnerisch ermittelten Umlagepotentiale die faktisch möglichen Kappungsgrenzen häufig und teils sehr deutlich. Zugleich können in der Realität aus sozialen und politischen Gründen die Umlagemöglichkeiten ohnehin nicht voll ausgeschöpft werden bzw. wären in strukturschwachen Märkten auch gar nicht zu realisieren. Hier gilt es, die besonders herausfordernde Situation der sozial orientierten Bestandshalter anzuerkennen. Querfinanzierungen aus dem Gesamtbestand sind zudem schwierig, wenn in der Breite zu vergleichsweise niedrigen Ausgangsmieten (auch für etwaige wohlhabendere Mietende) und nicht ausschließlich renditeorientiert vermietet wird.
Neue Geschäftsmodelle und Fokus auf Kostensenkung und CO2 als Hoffnungsschimmer
Die begrenzten Refinanzierungsmöglichkeiten über die Miete und die aktuell nicht auskömmliche Förderung bei angespannter Haushaltssituation lassen den Blick schnell zur Kostenseite wandern. In die Analyse wurden keine seriellen Ansätze oder zukünftige Skaleneffekte einbezogen. Hier gilt es weiter an Kosteneffekten zu arbeiten. Neue Geschäftsmodelle für Wohnungsunternehmen auf Seiten der Energieerzeugung bieten weitere Potentiale zur Dekarbonisierung und zur Verringerung der Finanzierungslücken. PV-Stromerzeugung und Mieterstrommodelle wurden nicht in die Berechnungen einbezogen, könnten jedoch genutzt werden, um Einnahmen und neue Querfinanzierungsmöglichkeiten zu generieren sowie Anrechnungspotentiale bei der Dekarbonisierung ermöglichen. Daher sollte auch ordnungs- und förderrechtlich der Fokus noch stärker zur CO2-Betrachtung des Gesamtgebäudes verschoben werden. Diesbezüglich könnte die Analyse noch weiterentwickelt werden und weitere Impulse für Regulatorik und Förderung setzen.
Zunächst bleibt jedoch die Erkenntnis, dass ohne auskömmlichere Förderung, Abstrichen bei der Sanierungstiefe sowie neuer Geschäftsmodelle und Kostensenkungen der Dekarbonisierungspfad für viele sozial orientierte Wohnungsunternehmen nicht zu leisten sein wird und stattdessen in die Insolvenz führen würde.
Die Studie „Dekarbonisierungsszenarien und betriebswirtschaftliche Auswirkungen anhand unterschiedlicher Bestandsportfolios sozial orientierter Wohnungsunternehmen“ wurde im Februar 2024 von Hauke Meyer als Abschlussarbeit in einem berufsbegleitendem MBA-Studium vorgelegt. Nachfolgend finden Sie zum Download:
Anlaufstellen für ältere Menschen
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