Ein Jahr Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“

Bilanzveranstaltung am 3. Dezember 2020 (online)

Anlässlich ihres einjährigen Bestehens lud die Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“ am 3. Dezember 2020 alle Mitwirkenden zu einer Bilanzveranstaltung im Webformat ein. Versammelt waren an die 40 Praktiker*innen und Vertreter*innen von Verbänden und Netzwerken, aus Kommunen, Wirtschaft, Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Wohlfahrtsorganisationen, der Kultur- und Kreativszene sowie aus zivilgesellschaftlichen Initiativen. Die Vernetzungsinitiative zog ein Resümee über die bisherige gemeinsame Arbeit zur Stärkung einer kooperativen, aktivierenden und gemeinwesenorientierten Quartiersentwicklung.

Michael Groschek, Präsident des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung, und Dr. Oliver Weigel, Referatsleiter für Stadtentwicklung im Bundesinnenministerium, machten in ihren Eingangsbeiträgen deutlich, dass mit der Vernetzungsinitiative bereits zentrale Prinzipien der am 30. November 2020 verabschiedeten Neue Leipzig-Charta vor Ort umgesetzt werden. Die aktualisierte Charta betont die Ausrichtung der Stadtentwicklung auf das Gemeinwohl und hebt hervor, dass eine wirkliche Mitgestaltung und Co-Produktion von Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und öffentlicher Hand notwendig ist. Genau diese beiden Aspekte will die Vernetzungsinitiative weiter in die Breite tragen und setzt dies mit Aktivitäten vor Ort und im Dialog mit Verbänden und Netzwerken um.

Gute Beispiele aus der Praxis

Zunächst stellten Praktiker*innen der Stadtentwicklung erfolgversprechende Handlungsansätze vor. So verfolgt Offenbach schon lange einen auf Mitgestaltung ausgelegten Prozess der Quartiers- und Stadtentwicklung. Die lokale Industrie- und Handelskammer bringt dabei als treibend Kraft die vielen engagierten Akteure aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft sowie kulturell-kreative Stadtmacher zusammen. Nun soll mit diesem Ansatz die Innenstadt angegangen werden, die erhebliche Funktionsdefizite und Leerstände aufweist. Auch die Stadt Mannheim möchte die Transformation der Innenstadt angehen. Sie kann dabei auf Erfahrungen mit kooperativen Projekten im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft in zwei benachteiligten Stadtteilen zurückgreifen.

In der Stadt Göttingen kümmern sich eine Innenstadtinitiative, Jugendtheater und soziokulturelle Zentren darum, die Situation ausgegrenzter Bewohner*innen in sozialen Brennpunkten zu verbessern und diese in das Stadtleben zu integrieren. Eine ähnliche Zielsetzung verfolgt auch die Stiftung „Berliner Leben“ des landeseigenen Wohnungsunternehmens Gewobag. Sie organisiert Jugend-, Kultur- und Sportprojekte, unter anderem für benachteiligte Jugendliche. So gibt es eine Kooperation mit der Komischen Oper Berlin, bei der Schüler*innen aus Brennpunktschulen selbst ein Stück entwickeln.

Der von Studierenden der Hochschule Anhalt in Bernburg betriebene, nicht kommerzielle Projektraum COI ist ein offener Raum für Projekte, Co-Working, Start-Ups und Events. Das Vorhaben wird gerade mit Unterstützung der Kommune und des kommunalen Wohnungsunternehmens verstetigt. Mit einer ähnlichen gemeinwesenorientierten Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Kultur- und Kreativwirtschaft, Co-Working und Gemeinschaftsräumen sowie Gastronomie realisieren die Brandenburger „Zukunftsorte“ die Aufwertung von ungenutzten Immobilien und Freiräumen in Dörfern. Auch das „Wiesenburg-Areal“ in Berlin-Wedding soll zu einem soziokulturellen Ort mit Wohnen, Kultur, Kunst, Handwerk weiterentwickelt werden. Dazu arbeitet die größte Berliner Landeswohnungsbaugesellschaft degewo als Eigentümerin mit einem Verein zusammen.

Initiative wird unter breiter Mitwirkung fortgesetzt

Anschließend stellte die Initiative ihre Handlungsempfehlungen vor, die in verschiedenen Werkstattveranstaltungen, bilateralen Gesprächen und bei einer Fachkonferenz erarbeitet worden sind. Danach gaben viele der beteiligten Verbände und Netzwerke ihr Feedback zu den bislang erreichten Zwischenergebnissen. Alle sagten ihre künftige Mitwirkung zu. Allen Mitgliedern der Initiative bringt der Austausch einen Mehrwert: Sie können die Kooperationsansätze und die Potenziale der Quartiersentwicklung weiterverbreiten und gleichzeitig ihren Horizont, ihre Handlungsweisen und Strukturen mit neuen Impulsen zu erweitern. Die Vernetzungsinitiative deshalb aufbauend auf den Ergebnissen des ersten Jahres als prototypisches Projekt der Nationalen Stadtentwicklungspolitik verstetigt. Sie setzt sich künftig noch mehr mit praxisorientierten, übertragbaren Handlungsansätzen auseinander. Der Diskurs mit den Netzwerken und Verbänden soll weiter intensiviert werden.

Gerade der Dialog zwischen etablierten Akteuren und der informellen Welt der kulturellen, kreativen, zivilgesellschaftlichen Stadtmacher sollte verstetigt und in die Breite getragen werden. Es gibt zwar schon viele gut funktionierende Beispiele. Allerdings sind Qualität und Intensität der Vorhaben sehr unterschiedlich und noch nicht überall in der Fläche etabliert. Besondere Bedeutung kommt Experimenten und unkonventionellen Ansätzen zu. Diese müssen in der Krisensituation, in der sich viele Innenstädte aufgrund der Corona-Folgen befinden, vermehrt angewandt werden; aber auch um der sozialen Erosion mancher Wohnviertel entgegenzuwirken.

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