Wohnungspolitik und Eigentumsbildung: Aktive Mitarbeit aller ist gefragt

ifs Wohnungspolitisches Forum zieht nach neun Monaten Regierungsarbeit am 26. November 2018 in Berlin Bilanz

Mit dem Wohngipfel haben Bund, Länder und Kommunen gezeigt, dass sie wohnungspolitisch an einem Strang ziehen, um die angekündigte Wohnraumoffensive umzusetzen - ein positives Signal! Dieser Meinung waren auch die Verbändevertreter und die Bundestagsabgeordneten, die in zwei Podien beim ifs Wohnungspolitischen Forum des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung am 26. November 2018 den Umsetzungsstand der Wohnungspolitik des Bundes diskutierten. Einig waren sich alle Teilnehmer auch, dass es jetzt darauf ankommt, konkrete Maßnahmen anzugehen und an manchen Stellen nachzubessern.

Michael Groschek, neuer Präsident des DV, forderte in seiner Eröffnungsrede dazu auf, Baupolitik rational und zielorientiert zu verhandeln: „Zu häufig wird die Diskussion über die Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik sehr emotional, manchmal auch irrational geführt und setzt so vorschnell falsche politische Leitplanken.“ Der DV als Vertreter des Gemeinwohls bringe viele Entscheider des Bauens und Wohnens zusammen und trage dazu bei, die Debatte zu versachlichen und geeignete Lösungsansätze zu finden. Auch Gunther Adler, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), betonte, wie wichtig die Zusammenarbeit für eine nachhaltige Wohnungs- und Städtebaupolitik sei. „Keiner darf sich in die Büsche schlagen! Ich lade Sie alle ein, aktiv mitzuarbeiten“, appellierte er. Außerdem mahnte er zu einer langfristig ausgerichteten und vorausschauenden Wohnungspolitik, um Fehleinschätzungen wie in der Vergangenheit künftig zu vermeiden. Nur so sei es möglich, den Menschen die Sicherheit einer angemessenen und bezahlbaren Wohnraumversorgung in ihren Quartieren zu geben.

Maßnahmen des Wohngipfels verbindlich umsetzen

Die Ergebnisse des Wohngipfels stellte Monika Thomas vor, Abteilungsleiterin im BMI. Eine gute Wohnversorgung sei ein Stabilitätsanker für unsere Gesellschaft; die aktuellen Rahmenbedingungen für nachhaltige Wohnungspolitik besser denn je. Durch das umfassende Maßnahmenpaket des Wohngipfels sollen die Voraussetzungen für bezahlbaren Wohnungsneubau weiter verbessert werden, damit von 2018 bis 2021 1,5 Millionen neue Wohnungen gebaut werden können. Dazu dienen unter anderem die Verstetigung der sozialen Wohnraumförderung, das Baukindergeld, eine Sonderabschreibung, der Bau von Mitarbeiterwohnungen, die Stärkung der Städtebauförderung sowie die Senkung der Baukosten. Vor diesem Hintergrund lobten auch der Immobilienverband Deutschland (IVD), Haus und Grund, die Landesbausparkassen (LBS) und der Deutsche Städte- und Gemeindebundes (DStGB) in der ersten Diskussionsrunde der Verbände die Bemühungen der Bundesregierung mit dem Wohngipfel. Erstmals hätten sich Bund, Länder, Kommunen und die Wohnungswirtschaft an einem Tisch versammelt und gemeinsam Ziele und Maßnahmen verabschiedet. Diese gelte es nun allerdings verbindlich umzusetzen damit es nicht nur bei politischen Ankündigungen bleibt.

Baukindergeld: Guter Start, aber Mitnahmeeffekte

Im Zentrum der Diskussionen über die wohnungspolitische Zwischenbilanz der Bundesregierung stand die Wohneigentumsbildung. Denn bei den unter 40-Jährigen liegt die Wohneigentumsquote lediglich bei 25 Prozent – Tendenz weiter sinkend. Für viele junge Menschen ist der Traum von den eigenen vier Wänden heute angesichts hoher Bauland- und Baukosten sowie zu wenig Eigenkapital unerreichbar. Insofern begrüßten die Verbände, dass die Eigentumsförderung nach langer Durststrecke endlich wieder Bestandteil der Wohnungspolitik des Bundes sei. Das Baukindergeld, das zum Zeitpunkt der Veranstaltung bereits 36.000 Abrufe verzeichnen konnte, sei dafür ein erster Schritt. Dies darf allerdings nicht die einzige eigentumspolitische Maßnahme bleiben, sonst bestehe ein starkes Ungleichgewichtig im Vergleich zu den Instrumenten für den Mietwohnungsbereich, wie der Präsident von Haus & Grund Dr. Kai Warnecke mahnte. Zusammen mit den Oppositionspolitikern verwies er zudem auf Mitnahmeeffekte des Baukindergeldes. Dazu merkte der Grünen-Abgeordnete Christian Kühn an: „Es braucht zielgerichtetere Förderinstrumente und keine Gießkanne“. Einig waren sich die Verbandsvertreter und die Abgeordneten auch darin, dass in den teuren Wachstumsstädten das Baukindergeld nur für wenige Haushalte ausreiche, um dort eine Immobilie finanzieren zu können. Die Förderung wirke damit eher im ländlichen Umland der Städte und auf dem Land. Herr Guthmann, Verbandsdirektor der LBS sah aber gerade darin auch einen gewünschten Effekt des Baukindergelds. Denn eine Verbesserung der Eigentumsbildung in diesen Regionen könne dazu beitragen, die angespannten Kernstädte zu entlasten und Eigentumsbildung zu ermöglichen.

Wohneigentum und Daseinsvorsorge zusammen denken

Es wurde allerdings auch deutlich, dass die Wohneigentumsbildung im ländlichen Raum nicht isoliert gesehen werden kann. „Mir kommt die Raumordnung in der aktuellen Debatte zu kurz: in der Fläche gibt es keinen Wohnungsmangel, sondern eher ein Überangebot. Stadt und Land müssen vielmehr regional und im Gesamtzusammenhang gedacht werden“, so die Christdemokratin Mechthild Heil, Vorsitzende des Bauausschusses im Bundestag. Zwischen den Parteien herrschte auch Einigkeit darüber, dass dazu die bestehende Bausubstanz in den Stadt- und Ortskernen gestärkt werden müsse und die Eigentumsförderung nicht zu noch mehr Flächenverbrauch an den Siedlungsrändern führen dürfe. Dazu betonte die SPD-Baupolitikerin Ulli Nissen unter Zustimmung aller Diskutanten die Bedeutung von Programmen wie „Jung kauft Alt“, die mit dem Baukindergeld verknüpft werden sollten. Zudem müssten Verkehrsanbindung sowie Bildungs- und Sozialinfrastruktur ausgebaut werden, wenn Wohnen und Leben dort attraktiv bleiben sollen. Nur unter diesen Umständen stellt Eigentum auf dem Land auch weiterhin eine werthaltige Investition und eine verlässliche Altersvorsorge dar.

Weitere Instrumente

Neben dem Baukindergeld diskutierten die Verbandsvertreter und Politiker weitere Instrumente zur Förderung der Eigentumsbildung wie die Wohnungsbauprämie und das geplante Bürgschaftsprogramm der KfW. Von letzterem erwartet sich Sun Jensch, Bundesgeschäftsführerin des IVD, einen „echten Schub“ für die Eigentumsbildung von Haushalten mit wenig Eigenkapital. Vor diesem Hintergrund bedauerte Oda Scheibelhuber, Vorsitzende des ifs Instituts Wohneigentum im DV, dass das Bürgschaftsprogramm nicht im Wohngipfelpapier  steht. Frau Heil versicherte allerdings, dass die Regierungskoalition im Bundestag alle Maßnahmen des Koalitionsvertrag auf den Weg bringen werde. Das gelte ebenso für die vorgesehene Anhebung der Einkommensschwellen und Förderhöhe der Wohnungsbauprämie. Diese setzt den notwendigen Anreiz zum langfristigen Eigenkapitalaufbau für die Eigentumsbildung. Der FDP-Baupolitiker Daniel Föst brachte deshalb eine automatische Dynamisierung der Prämie im Verhältnis zur Preisentwicklung ins Spiel. Schließlich plädierten alle Diskutanten eindringlich für eine Absenkung der in den meisten Bundesländern drastisch erhöhten Grunderwerbsteuer, um die aus dem Eigenkapital zu tragenden Kaufnebenkosten zu verringern. Da diese allerdings eine wichtige Einnahmequelle der Länder darstelle, die die Länder autonom gestalten können, waren die Hoffnungen für eine baldige bundesweite Senkung eher verhalten.

Bau- und Grundstückskosten senken

Kontrovers diskutiert wurden schließlich die in den letzten Jahren massiv gestiegenen Bau- und Grundstückskosten. Für die Eigentumsbildung breiter Schichten gilt es dringend an der Kostenschraube zu drehen. Zentral ist hier zum einen die Bereitstellung von ausreichend preiswertem Bauland, wozu Norbert Portz, Beigeordneter des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, mehr Möglichkeiten für die Kommunen forderte. Dem stimmte Haus & Grund Präsident Dr. Warnecke grundsätzlich zu, sprach sich aber gegen Zwangsinstrumente wie verschärfte Vorkaufsrechte und Baugebote aus und plädierte für eine kleinteiligere und zielgruppenspezifische Grundstückvergabe an unterschiedliche, vor allem auch private Bauherren.

Standards und Normen auf Prüfstand stellen

Zum anderen sprachen sich auch zahlreiche Verbandsvertreter und Politiker dafür aus, die überbordenden Standards und Normen auf den Prüfstand zu stellen. Die immobilienwirtschaftlichen Verbände sowie die Politiker von FDP und AfD zweifelten die Verhältnismäßigkeit der energetischen Standards an und identifizierten diese als wesentliche Baukostentreber. Udo Hemmelgarn von der AfD forderte gar ein Moratorium der Energieeinsparverordnung (EnEV). Die Vertreter der Regierungskoalition verwiesen darauf, dass der aktuelle EnEV-Neubaustandard beibehalten und als Niedrigstenergiestandard nach EU-Recht definiert werde. Der FDP-Politiker Föst plädierte dafür, stärker im Quartierskontext und nicht mehr nur vom Gebäude aus zu agieren und dabei Energieeffizienz und erneuerbare Energien im Zusammenspiel zu bearbeiten. Dem hielt Christian Kühn entgegen, dass Baukostensenkung nicht zu Lasten des Klimas geschehen dürfe und betonte zudem: „Der Effizienzpfad ist volkswirtschaftlich gesehen der günstigste Pfad der CO2-Einsparung – und das ist besser, als nur auf erneuerbare Energien zu setzen“.

Beitrag zur Altersvorsorge

Wie das Forum gezeigt hat, wird die Umsetzung der beim Wohngipfel beschlossenen Maßnahmen weiterhin von einem Ringen um die richtigen Instrumente begleitet werden – vor allem bei der Eigentumsbildung als gesellschaftspolitischem Querschnittsthema. „Es handelt sich bei der Eigentumsförderung immer auch um Familienförderung und um ein wirksames Instrument der Altersvorsorge“, stellte Oda Scheibelhuber, Leiterin des ifs Institut Wohneigentum, abschließend fest. Folglich bleiben Diskussionen und große gesellschaftspolitische Kontroversen auf dem Weg zu differenzierten und bestmöglichen Lösungen nicht aus. Der Wohngipfel war hier ein Schritt in die richtige Richtung. Um noch weiter voranzukommen, wird der DV seiner Rolle als Mittler für alle Akteure des Bauens und Wohnens auch zukünftig gerne nachkommen.

Weitere Informationen

Termin: 26. November 2018, 16.00 Uhr bis 19.15 Uhr mit anschließendem Get-together
Ort: Bausparhaus, Klingelhöfer Straße 4, 10785 Berlin

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