Bezahlbares Wohnen

12. Mai 2025 

Wohnen als Schlüssel zum Gemeinwohl:
Neue Wege zwischen Markt, Staat und Gemeinschaft

Artikel von Dr. Paul Kowitz, Partner, KPC Berlin GmbH & Praxiskoordinator des Dialogformats Generationenfrage Gemeinwohl" 


Das Gemeinwohl umfasst all jene Bedingungen, die ein gutes Leben für alle ermöglichen – soziale Gerechtigkeit, Sicherheit, Teilhabe und ein menschenwürdiges Dasein. Kaum ein Bereich berührt diese Grundprinzipien so unmittelbar wie das Wohnen. Eine bezahlbare, sichere und angemessene Unterkunft ist nicht nur ein Grundbedürfnis, sondern auch Voraussetzung für gesellschaftliche Integration und individuelle Entfaltung. Angesichts wachsender sozialer Ungleichheit und urbaner Verdrängungsprozesse wird deutlich: Wer ernsthaft über das Gemeinwohl spricht, muss auch über Wohnraum, Wohnpolitik und die Verteilung von Lebensraum reden – denn Wohnen ist weit mehr als ein Dach über dem Kopf.

In der letzten Sitzung des Dialogformats „Generationenfrage Gemeinwohl“, die von Mona Gennies von der Montag Stiftung Urbane Räume und Dr. Paul Kowitz von KPC Berlin unterstützt wurde, stand daher die zentrale Frage im Mittelpunkt, wie bezahlbares Wohnen heute und in Zukunft gesichert werden kann. Dabei ging es sowohl um bestehende Ansätze und Modelle, die bereits erfolgreich zu leistbarem Wohnraum beitragen, als auch um innovative Ideen und Instrumente, die noch entwickelt werden müssen. Diskutiert wurde außerdem, welche Rolle das Gemeinwohl als Leitprinzip in der Wohnraumpolitik spielt – und spielen sollte. Wie kann Wohnen so gestaltet werden, dass es nicht nur individuell, sondern auch gesellschaftlich tragfähig ist? Und welche Verantwortung tragen dabei Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gemeinsam?

Neue Wohngemeinnützigkeit: Hoffnungsträger mit Hürden

Im ersten Teil ging es deshalb beinahe folgerichtig um die Beschreibung der Neuen Wohngemeinnützigkeit (NWG). Eingeführt von der Ampelregierung setzt auch die neue Regierung ausweislich ihres Koalitionsvertrages offenkundig auf diese dritte Säule neben der sozialen Wohnraumförderung und dem frei finanzierten Wohnungsbau. Die NWG ist bislang „nur“ in der Abgabenordnung eingeführt. Das heißt, der bestehende steuerbegünstigende Zweck nach der Abgabenordnung wurde auf „wohngemeinnützige Zwecke“ erweitert. Dabei muss nicht das gesamte Unternehmen in die Gemeinnützigkeit überführt werden, sondern im Zweifelsfall auch nur ein bestimmter Anteil des Wohnungsbestandes, der per Satzungsbeschluss nach gemeinnützigen Kriterien vermietet wird. Diese Teile werden dann von der Körperschafts- und Gewerbesteuer befreit – ein Effekt, der an Wirkung verliert, wenn beispielsweise die Körperschaftssteuer in der laufenden Legislaturperiode gesenkt werden sollte. Schenkungs- und Erbschaftssteuer entfallen ebenfalls. Doch der NWG fehlt noch der entscheidende Hebel; in dieser Legislaturperiode soll ihr mit Investitionszuschüssen unter die Arme gegriffen werden. Außerdem dürfen im Vergleich zur alten Wohnungsgemeinnützigkeit in der NWG im Rahmen der Abgabenordnung keine Renditen an Mitgesellschafter ausgeschüttet werden. Dies schränkt deren Möglichkeiten erheblich ein, größere Bestände in die Gemeinnützigkeit zu überführen und damit eine wirkliche quantitativ relevante Größe zu erreichen. Mit Mathias Metzmacher vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung und mit Robin Mohr vom wohnbund e.V. diskutierten deshalb zwei Experten, was die NWG bringt, wo ihre Potentiale, aber auch ihre praktischen Stolperfallen liegen. Angesichts von 23 Mio. Mietwohnungen in Deutschland werden die anfänglich vom Bundesbauministerium avisierten 100.000 Wohnungen erst einmal nur ein kleines Nischensegment bleiben. Ob und inwieweit die NWG eine echte dritte Säule werden kann, gilt es in den nächsten Jahren zu evaluieren.  

Gemeinwohl im freien Markt? Neue Perspektiven aus der Immobilienwirtschaft

Im zweiten Teil der Sitzung ging es um den Teil der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, dem häufig die Gemeinwohlorientierung abgesprochen wird. So wird nicht selten unterstellt, dass man sich im frei finanzierten Wohnungsmarkt zwar schon um die Bezahlbarkeit des Wohnens sorge, allerdings vor allem deshalb, weil die preisliche Durchsetzungsfähigkeit für wirtschaftliche Vorhaben nicht mehr in allen Märkten gewährleistet ist. Dass dieses Bild der Immobilienwirtschaft nicht auf alle Akteure gleichermaßen zutrifft, zeigte die Diskussion mit Christian non Malottki von der BPD Immobilienentwicklung GmbH und Gunnar Laufer-Stark von der nestbau AG. Denn beide Unternehmen suchen stets nach neuen Ansätzen, wie der bezahlbare Wohnraum trotz aller Widrigkeiten entstehen kann. So verlief die Diskussion jenseits der üblichen Diskussionspfade rund um die Baukostensteigerungen, die spätestens seit 2014 und den Ergebnissen der Baukostensenkungskommission politisch geradezu ritualisiert scheint. 

BPD Immobilienentwicklung und nestbau AG: Gemeinwohl in der Praxis

Die BPD Immobilienentwicklung ist inspiriert vom niederländischen Modell und versucht, weg vom Quadratmeterpreis zu denken, hin zu einer absoluten Zahl pro Wohnung, die es in einem vorgegebenen, wirtschaftlichen Rahmen zu erstellen gilt. Das schafft Anreize, kleinere Wohnungen zu bauen – ein Segment, das in der fragmentierten, heterogenen und zunehmend flexibler werdenden Gesellschaft dringend gebraucht wird. Ein weiteres Beispiel ist die Frage der Wohneigentumsbildung, die auch ihren Beitrag zum Gemeinwohl leisten kann. So stellt sich die Frage schon seit geraumer Zeit, wie sich die Zinslast durch eine Stärkung des Eigenkapitals, etwa durch eigenkapitalersetzende Instrumente, gesenkt werden kann. Überraschenderweise findet sich auch jenes Gedankenspiel im Koalitionsvertrag der neuen Regierung. Die nestbau AG ist eine gemeinwohlorientierte Aktiengesellschaft im Immobilien-Bereich. Gemeinsam mit vielen Kleinanlegern investieren sie in die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum unterhalb des Mietspiegels. Angesichts der gestiegenen Baukosten engagiert sich die nestbau AG auch im Bestand: Sie entwickelt Wohnangebote für ältere Menschen, damit deren bisherige, oft zu großen Wohnungen beispielsweise jungen Familien zur Verfügung stehen können.

Gemeinwohl beginnt beim Wohnen: Aufbruch statt Absichtserklärung

Die Diskussion zeigte eindrucksvoll: Gemeinwohlorientiertes Wohnen ist kein abstraktes Ideal, sondern ein konkreter Gestaltungsauftrag, der kreative Lösungen, politisches Rückgrat und unternehmerische Verantwortung gleichermaßen verlangt. Ob durch eine Neue Wohngemeinnützigkeit, innovative Marktansätze oder neue Modelle der Eigentumsbildung – die Vielfalt der Ansätze ist da, was fehlt, ist oft der politische Wille zur strukturellen Umsetzung und Skalierung. Wenn Wohnen mehr sein soll als ein Ort zum Schlafen – nämlich ein Raum für soziale Teilhabe, Sicherheit und Entwicklung – dann braucht es jetzt entschlossenes Handeln. Denn das Gemeinwohl beginnt nicht irgendwo – es beginnt zuhause.