Gemeinwohl trifft Wirtschaftlichkeit

10. Februar 2025

Gemeinwohl trifft Wirtschaftlichkeit: Impulse für eine nachhaltige Stadt- und Immobilienentwicklung

Wie lassen sich Gemeinwohl und Wirtschaftlichkeit vereinbaren? Und wie kann eine nachhaltige Stadt- und Immobilienentwicklung praktisch umgesetzt werden?

In der zweiten Sitzung unseres Dialogformats „Generationenfrage Gemeinwohl diskutierten rund 80 Teilnehmende aus der Stadt- und Immobilienentwicklung, der Immobilienwirtschaft, öffentlichen Verwaltungen, Verbänden sowie Kultur-, Sozial- und zivilgesellschaftlichen Initiativen wie Gemeinwohlkriterien stärker in Stadtentwicklungsprozesse integriert werden können. Mit diesem Format des Deutschen Verbands für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V. (DV), bringen wir diverse Akteure und Perspektiven der Stadt- und Projektentwicklung zusammen. Ziel ist es, den Austausch zwischen verschiedenen Disziplinen, Generationen und Ebenen zu zukunftsfester, nachhaltiger Stadtentwicklung und Wohnungswesen zu fördern und sich einem gemeinsamen Nenner beim Thema Gemeinwohl anzunähern. In der Online-Sitzung am 10. Februar 2025 ging es um das Thema „Gemeinwohl trifft Wirtschaftlichkeit: Impulse für eine nachhaltige Stadt- und Immobilienentwicklung“. Mona Gennies der Montag Stiftung Urbane Räume und Paul Kowitz von KPC Berlin GmbH unterstützen das Format fachlich und gaben wichtige Impulse für die Diskussion.

Soziale Rendite - Von der Nische zum Mainstream in der Immobilienwirtschaft

Zum Einstieg in die Thematik stellte Karin Barthelmes-Wehr, Geschäftsführerin des Instituts für Corporate Governance der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG), Ansätze des Social Impact Investments in der Immobilienentwicklung vor. Das Social Impact Investing sieht vor, bei der Bewertung einer Investitionsentscheidung nicht nur die monetäre Rendite zu berücksichtigen, sondern auch die Wirkungen, die durch die Investition im Quartier erreicht werden können. „Wir stellen noch eine Nische dar, die wir zum Mainstream bringen wollen.“ – so Barthelmes-Wehr über das Social Impact-Investing-Prinzip. In der Immobilienbranche müsste breiter bekannt werden, dass durch die Anerkennung und Wertschätzung einer sozialen Rendite, ein nachhaltiger Erfolg des Projekts gesichert werden kann.

Gemeinwohlorientiert und wirtschaftlich tragfähig: Partizipative Projekte

Wie gemeinwohlorientierte Projekte konkret aussehen und wie sie wirtschaftlich umgesetzt werden können, zeigten Karin Drexler, Prokuristin für Projektakquise der Max von Bredow Baukultur GmbH und die Geschäftsstelle KulturQuartier des Schauspielhauses Erfurt, vertreten durch Sarah Hertam und Björn Schorr in ihren Beiträgen auf.

Die Max von Bredow Baukultur GmbH entwickelt nach dem Prinzip „besser bauen, besser leben“ gemeinwohlorientierte Projekte der Immobilien- und Quartiersentwicklung. Am Beispiel des Projekts „Tannenhof“ in Bad Fallenbach macht Karin Drexler deutlich, dass sich durch eine umfassende Beteiligung und daraus resultierende bedürfnisorientierte Planung, langfristige Win-win-Situationen für alle Projektbeteiligten ergeben. In dem neuen Wohnquartier realisierte die Max von Bredow GmbH zusätzliche Gemeinschaftsräume, die von den Bewohner:innen mit vielfältigen Angeboten bespielt werden, Mehrgenerationenhäuser, Büros für soziale Dienstleistungen sowie attraktive, öffentliche (Spiel-)Plätze und Gemeinschaftsgärten. Auch wenn die aktuellen wirtschaftlichen Umstände, wie hohe Baukosten und hohe Zinsen, eine Gemeinwohlorientierung im Bau erschweren, sei der Bedarf und die Notwendigkeit für solche Projekte höher denn je.

Kulturellen Mehrwert schaffen durch Bottom-up-Projekte

In Erfurt zeigt die Genossenschaft KulturQuartier am Beispiel des Schauspielhauses Erfurt, wie Bottom-up-Projekte erfolgreich gelingen können. Das Schauspielhaus in Erfurt stand lange leer, bis sich 2012 der Verein KulturQuartier gründete, um das Gebäude wieder zu bespielen und neue Nutzungen zu entwickeln. Seitdem ist es der Initiative gelungen, durch die Gründung einer Kulturgenossenschaft und viel ehrenamtlicher Beteiligung, das Schauspielhausgebäude aufzukaufen. Sarah Hertam und Björn Schorr, die beiden einzigen Hauptamtlichen von KulturQuartier berichten, dass in Erfurt eine große Bereitschaft von kulturinteressierten Privatpersonen vorhanden war, sich an dem Projekt finanziell zu beteiligen. „Die Dividende ist die Kultur, die dort entsteht“, so Björn Schorr. In den letzten Jahren wurden bereits verschiedene Zwischennutzungen auf dem Areal getestet und partizipativ ein Konzept für den Umbau entwickelt, welcher 2026 fertig gestellt werden soll. Einzigartig für das Projekt sei, dass es auf „so vielen Schultern“ getragen werde, so Sarah Hertam. Das hohe ehrenamtliche Engagement sei jedoch nicht leicht zu erreichen und die längerfristige Beschäftigung von Hauptamtlichen sei essenziell für das Fortbestehen solch einer Bottom-up-Initiative.

Perspektiven zusammenbringen für eine gemeinwohlorientierte Stadt- und Immobilienentwicklung

In dem Abschlussbeitrag von Christian Huttenloher, Generalsekretär des DV, wurde deutlich, dass nachhaltige, gemeinwohlorientierte Projekte nur in Zusammenarbeit und unter Berücksichtigung verschiedener Akteur:innen und Perspektiven gelingen können. Die große Bandbreite an Speakern und Teilnehmenden bei der Veranstaltung spiegelte genau diese Herangehensweise wider. Dabei spielen starke Netzwerke eine ausschlaggebende Rolle und können auch kleinen Projekten zu großer Wirkungskraft verhelfen. Mona Gennies hob in ihrer Einschätzung der vorgestellten Projekte insbesondere die Bedeutung „kleinerer“ Lösungen hervor, die in der aktuellen wirtschaftlichen Lage bereits Wirkung entfalten können. Dazu gehören beispielsweise der Tausch von Grundstücken gegen Wohneigentum auf der entwickelten Fläche, die Bereitstellung von Arbeitsleistungen gegen Herstellungskosten, der Verkauf von Objekten an die Gemeinde für gemeinwohlorientierte Nutzungen, die Berücksichtigung von Mischfinanzierung, Crowdinvesting und Mischnutzung sowie die Unterstützung von Konzeptverfahren zum Festpreis und Beteiligungsprozessen für bedarfsgerechte Immobilien. Paul Kowitz unterstrich, wie wichtig es sei, dass aus der Immobilienwirtschaft heraus das Thema des „Social Impact“ mit dem Institut Corporate Governance der deutschen Immobilienwirtschaft bearbeitet werde. Er betonte, dass Gemeinwohl nicht zwangsläufig mit Renditeverzicht gleichzusetzen sei, dass es aber ein wesentlicher Hebel für die Entwicklung von Projekten sein könne.

Gemeinwohlkriterien und Herausforderungen in der Stadt- und Immobilienentwicklung

Unsere Slido-Umfrage, siehe unten, bietet einen Einblick in die von den Teilnehmenden als besonders wichtig erachteten Gemeinwohlkriterien in der Stadt- und Immobilienentwicklung. Teilhabe, Gemeinschaft sowie Dritte Orte, der Aspekt der Konsumfreiheit und die soziale Inklusion werden hier als besonders relevant bewertet. Womit aber alle im Moment zu kämpfen haben, ist das Thema der hohen Baukosten und der Zinsentwicklung – Herausforderungen, die auch gemeinschaftlich angegangen werden müssen. In diesem Kontext ist es umso wichtiger, Win-win-Situationen zu schaffen und sowohl Gemeinwohl als auch Wirtschaftlichkeit von Beginn an mitzudenken.

Vielen Dank an unsere fachlichen Koordinator:innen Mona Gennies und Dr. Paul Kowitz sowie an alle Speaker:innen und Teilnehmenden für den spannenden Austausch! Wir freuen uns auf die nächste Sitzung am 12. Mai 2025.