Stadtentwicklung muss auf Zuwanderung reagieren

DV setzt sich bei Jahrestagung mit urbanen Transformationsprozessen auseinander

Stuttgart, 1. Oktober 2015. Angesichts der weiter steigenden Flüchtlings- und Zuwanderungszahlen empfiehlt der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V. (DV) zwei neue Bundesprogramme zu initiieren. Diese sollen ein aktives Integrationsmanagement in Stadtquartieren und den Neubau preiswerter Wohnungen fördern. „Die Zuwanderung muss als Daueraufgabe der Stadtentwicklung erkannt, strukturiert und finanziert werden“, so der Präsident Dr. Jürgen Heyer auf der Jahrestagung des Verbandes „Stadt in Bewegung! Urbane Transformationsprozesse und ihre Auswirkungen“ am 1. Oktober 2015 in Stuttgart. In einem Empfehlungspapier regt der DV zudem an, eine Fachkommission ins Leben zu rufen, die Fakten zu Stadtentwicklung und Integration zusammenträgt, eine fundierte Auseinandersetzung garantiert und Handlungsempfehlungen für Politik und Praxis erarbeitet. Zudem wurden die Energiewende und die Digitalisierung bei der Konferenz als Herausforderungen der Zukunftsstadt diskutiert.

Eines der beiden Bundesprogramme zum Integrationsmanagement soll die dauerhaft bleibenden Zuwanderer bei der Eingliederung in ihr neues Lebensumfeld begleiten. Dafür müssen die Menschen im Quartier  betreut und über Sprachkurse, Schulstrukturen, Ausbildungsmöglichkeiten und den Zugang zum Arbeitsmarkt informiert werden. Wichtig ist es zudem, Strukturen zur Koordination aller Akteure und Initiativen in den Stadtteilen zu schaffen und die Anwohner in die Integrationsprozesse einzubeziehen. Dabei kann an die bestehenden Bundes- und Länderinitiativen wie z. B. das Programm „Soziale Stadt“ angeknüpft werden.

Auf der Suche nach Arbeit werden die bleibenden Zuwanderer längerfristig vor allem in die Ballungsräume streben, wo Wohnraum schon jetzt knapp und teuer ist. Bereits in den letzten fünf Jahren kamen über zwei Millionen ausländische Bürger nach Deutschland – in der Mehrzahl aus den EU-Staaten. Der Bund hat auf die Situation mit einer jährlichen Aufstockung um 500 Millionen Euro für die soziale Wohnraumförderung reagiert. Dies begrüßt der DV. Angesichts des akuten Flüchtlingsstroms regt er weitere Investitionszuschüsse des Bundes für den Bau von mindestens 100.000 zusätzlichen Wohnungen im preiswerten Segment an.  Um die Wohnungsmärkte zu entspannen, dürfen sich die neuen Wohnungen aber nicht nur auf Flüchtlinge oder Empfänger von Sozialleistungen beschränken, sondern müssen sich an breite Bevölkerungsschichten richten. Ergänzend sollten erhöhte steuerliche Abschreibungen den Bau preiswerter Wohnungen befördern.

Insgesamt muss nun endlich eine vertiefte fachwissenschaftliche und politische Auseinandersetzung mit den stadtentwicklungs- und wohnungspolitischen Herausforderungen von Integration stattfinden. Dazu regt der Deutsche Verband an, eine Fachkommission oder Arbeitsgruppe einzurichten. Diese soll zum einen die allgemeinen gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen in den Blick nehmen: Wie kann die Akzeptanz von Zuwanderung erhalten und gestärkt werden? Welche Angebote sollen Zuwanderern gemacht werden? Welche Integrationsleistungen müssen von diesen gefordert werden? Zum anderen soll es darum gehen, wie die Integration in den einzelnen Stadtteilen konkret umgesetzt werden kann.

Zudem soll sich die Kommission mit spezifischen Handlungsansätzen für Wohnungswesen und Stadtentwicklung auseinandersetzen: Wie lassen sich z. B. ordnungsrechtliche und förderpolitische Rahmenbedingungen für die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum anpassen, ohne die Bau- und Energiestandards aus den Augen zu verlieren? Der Deutsche Verband plädiert dafür, die für den 1. Januar 2016 vorgesehene Verschärfung der Energieeinsparverordnung (EnEV) für den Neubau zunächst für zwei Jahre auszusetzen. Während dieser „Atempause“ sollte überprüft werden, unter welchen technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der neue EnEV-Standard sowohl dem notwendigen bezahlbaren Wohnungsneubau als auch den Klimaschutzzielen gerecht werden kann.  

Die Zuwanderung steht aus aktuellem Anlass besonders im Fokus, aber auch weitere Faktoren urbaner Veränderungen wurden auf der Jahrestagung diskutiert. Technologischer Fortschritt, ökonomische Strukturbrüche und gesellschaftlicher Wertewandel scheinen sich so rasant und komplex wie nie zuvor zu vollziehen. Hinzu kommen die Herausforderungen, die der Umbau des Energiesystems, Alterung, Bevölkerungsrückgang und die fortschreitende Digitalisierung mit sich bringen. Entscheidend wird sein, inwieweit Städte mit diesen rasanten Entwicklungen Schritt halten und ihre gebauten Strukturen anpassen können. Die Teilnehmer waren sich einig, dass hierfür ein ausgewogenes und flexibles Gesamtsystem notwendig ist. Damit die Erwartungen und Trends für die Zukunft keine Visionen bleiben, sondern mit konkreten Konzepten und Maßnahmen hinterlegt werden, sind die Abstimmung, Zusammenarbeit und das Engagement aller beteiligten Akteure sowie der Bürger gefragt. Der Deutsche Verband bietet sich dafür auch weiterhin als Diskussionsplattform an. 

  • DV-Empfehlungen <link file:1578 download herunterladen der datei>"Zuwanderung als Aufgabe von Wohnungsbau und Stadtentwicklung"
  • <link internal-link internen link im aktuellen>Weitere Informationen zur Jahrestagung 2015