Empfehlungen des DV für die neue Legislaturperiode der Bundesregierung

von Christian Huttenloher, Generalsekretär des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V.

Am 24. September 2017 hat Deutschland gewählt. Die nun anstehende Regierungsbildung dürfte angesichts der grundlegend veränderten Zusammensetzung des Bundestages und dem erstmaligen Einzug der AfD als gleich drittstärkste Kraft in den Bundestag nicht einfach werden. Doch wie auch immer die Koalition am Ende aussehen wird: eine sozial verantwortliche Wohnraumversorgung und eine ausgewogene städtebauliche und räumliche Entwicklung müssen einen hohen Stellenwert haben, meint der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (DV). Denn die Wohnungsknappheit in den Ballungsräumen, die hohen Mieten und Kaufpreise, aber auch die immer stärker werdenden Unterschiede zwischen boomenden Großstädten und schrumpfenden Regionen haben nichts von ihrer Dringlichkeit verloren – ganz im Gegenteil. Sie sind mit ein Grund dafür, dass viele Menschen daran zweifeln, ob die Politik für die Lösung zentraler Zukunftsfragen gut gerüstet ist.

Für die 19. Legislaturperiode hat der DV deshalb Handlungsempfehlungen formuliert, in denen er die in seinen Augen zentralen künftigen Aufgaben im Bereich Wohnungs-, Städtebau und Raumordnungspolitik zusammenfasst. Um eine integrierte Umsetzung zu gewähren, fordert er auch, dass die Bereiche Wohnen, Bauen, Stadtentwicklung und Raumordnung wieder in einem Bundesministerium zusammengefasst werden. Insgesamt müssen die für Wohnen, Stadt- und Raumentwicklung relevanten Handlungsfelder in einem integrierten Konzept über die verschiedenen staatlichen Ebenen zusammengeführt werden. Dazu gilt es Wechselwirkungen, Synergien und Gegensätze zwischen bezahlbarer und qualitativ hochwertiger Wohnraumversorgung, Anforderungen von Klima- und Umweltschutz, Verkehr, Mobilität und Logistik sowie Baukultur, städtebaulicher und architektonischer Qualität zu berücksichtigen und auszugleichen.

Oberste Priorität für bezahlbares Wohnen

Einen Schwerpunkt sieht der Verband in einer bezahlbaren Wohnraumversorgung aller Bevölkerungsschichten, insbesondere in den angespannten Wohnungsmarktregionen. Dazu sollte der Bund das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen fortführen und dessen Ergebnisse umsetzen. Für erschwinglichen Wohnraum müssen Bund und Länder einen gemeinsamen Weg finden, um die enorm gestiegenen Baukosten zu senken. Noch wichtiger ist es, die großen Engpässe beim Bauland zu beseitigen und dadurch auch die hohen Baulandpreise zu dämpfen. Kommunen unbedingt ihr Baulandangebot ausweiten, bestehendes Bauland stärker mobilisieren und insbesondere dafür sorgen, dass preiswerte Baugrundstücke für den Bau bezahlbarer Wohnungen bereitgestellt werden. Dafür ist es notwendig, das städtebau- und bodenrechtliche Instrumentarium weiterzuentwickeln, um den Rahmen für eine wirkungsvolle kommunale Bauland- und Liegenschaftspolitik zu verbessern.

Baulandengpässe beseitigen: Instrumentarium weiterentwickeln

Der DV hat dazu bereits mit der Arbeitsgruppe „Aktive Liegenschaftspolitik“ im Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen Vorschläge erarbeitet, die teilweise bereits auf den Weg gebracht wurden. So etwa die verbilligte Abgabe von Bundesliegenschaften oder die Einführung der neuen Kategorie des „urbanen Gebiets“ in die Baunutzungsverordnung, das eine dichtere, nutzungsgemischte Bebauung in lärmvorbelasteten Gebieten ermöglicht. Auch erprobt der DV aktuell im Rahmen eines Planspiels gemeinsam mit der Universität Bonn im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) eine Innenentwicklungsmaßnahme, mit der unbebaute oder mindergenutzte innerstädtische Baugrundstücke besser mobilisiert werden könnten. Auf diesen Teilerfolgen sollte sich die neue Koalition aber nicht ausruhen: Diese Maßnahmen gilt es weiterzuentwickeln und das Instrumentarium kontinuierlich zu erweitern. In diesem Zusammenhang empfiehlt der DV auch dringend, dass der Bund das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen fortführt und die erarbeiteten Empfehlungen nun in die Umsetzung bringt.

Klimaschutz und bezahlbares Wohnen dürfen kein Gegensatz sein

Eine wichtige Aufgabe wird es auch sein, bezahlbares Wohnen mit dem Klimaschutzkonzept der Bundesregierung und baukulturellen Ansprüchen unter einen Hut zu bringen. Der DV empfiehlt, den CO2-Ausstoß bei der energetischen Gebäudebewertung stärker zu gewichten - als Alternative zu den bisherigen Parametern Primärenergiebedarf und Transmissionswärmeverlust. Dazu muss zu Beginn der neuen Legislaturperiode der Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes verabschiedet werden, der EnEV und EEWärmeG künftig verbinden soll. In erster Linie sollten damit die Möglichkeiten erweitert werden, für die Erhöhung der energetischen Qualität der Gebäude verstärkt die klimafreundliche Energieversorgung einzubeziehen, wie z.B. durch erneuerbare Energien und Kraft-Wärme-Kopplung. Dazu gilt es vor allem, die klimafreundliche Versorgung im Vergleich zur Steigerung der Energieeffizienz stärker als bisher zu gewichten. So hätten die Eigentümer künftig eine höhere Flexibilität zwischen Energieeffizienzmaßnahmen (z.B. durch Dämmung) und klimafreundlicher Versorgung, um so die günstigste und technisch am besten geeignete Sanierungsvariante zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes zu wählen.

Zudem fordert der DV, energetische Quartiersansätze stärker in Ordnungsrecht und Förderpolitik zu verankern. Denn die integrierte Betrachtung der Strom- und Wärmeversorgung ganzer Stadtviertel eröffnet zusätzliche Möglichkeiten, Einsparpotenziale und dezentrale Versorgungskonzepte zu kombinieren. Weiterhin regt er an, größere Anstrengungen bei der Mobilisierung von Wohneigentümern zu unternehmen: Insbesondere Kleinvermieter und Selbstnutzer müssen bei der Planung, Finanzierung und Durchführung energetischer Maßnahmen an ihren Häusern besser beraten und begleitet werden. Auch finanzielle Anreize gilt es zu verbessern.

Räumlich ausgewogene Entwicklung von Städten und Gemeinden

Neben Wohnraumversorgung, Bauland und Energieeffizienz legt der DV bei seinen Empfehlungen eine Priorität auf die räumlich ausgewogene Gestaltung der Städte und Gemeinden. Er rät, wachsende überregionale und teils kleinräumige Entwicklungsunterschiede mit einer Stärkung der Bundesraumordnung und durch die Verstetigung und Weiterentwicklung der bewährten Städtebauförderung auszugleichen. Insbesondere in strukturschwachen Regionen seien integrierte Entwicklungskonzepte und neue Formen der Kooperation in der Regionalentwicklung erforderlich, so der Verband. Gelder von EU, Bund, Ländern und Kommunen sollten künftig nur auf Grundlage solcher Konzepte zum Einsatz kommen. Unter anderem fordert der DV eine bessere Abstimmung und Verzahnung von Regionalplanung und Regionalentwicklung und eine stärkere Abstimmung nationaler Instrumente auf die Bedürfnisse der Regionen.

Die Zukunft ist digital

Für eine ausgewogene, nachhaltige Raum- und Stadtentwicklung sind zudem digitale Infrastrukturen und Dienste von großer Bedeutung. Der Bund muss Städte und Gemeinden bei der digitalen Transformation unterstützen. Etwa durch einen flächendeckenden Ausbau hochwertiger digitaler Infrastrukturen und die Förderung von Pilotansätzen. Bei der Anwendung digitaler Lösungen in der Stadtentwicklung ist es auch wichtig, den Erfahrungsaustausch der Kommunen zu unterstützen, die in diesem Bereich viel voneinander lernen können. Ebenso entscheidend sind intelligente und leistungsfähige Verkehrsinfrastrukturen und -dienstleistungen. Dies gilt für eine nachhaltige innerstädtische Mobilität ebenso, wie für die Verbindung von Städten und ihrem Umland oder die überregionale Anbindung.

Der Artikel gibt nur ausgewählte Schwerpunktthemen des Empfehlungspapiers wider. Das gesamte Papier des Deutschen Verbandes finden Sie hier.

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