Notwendigkeit einer verstärkten Wohneigentumspolitik

von Oda Scheibelhuber, Ministerialdirektorin a. D., Leiterin der Arbeitsgruppe „ifs Wohneigentum“ des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung

Wohneigentum hat für die Wohnraumversorgung breiter Bevölkerungsschichten eine große Bedeutung. Auch für Vermögensbildung, Altersvorsorge und stabile städtische Quartiere spielt es eine wichtige Rolle. Gut 80 Prozent des Wohnungsbestandes in Deutschland befinden sich in privatem Eigentum. Die Menschen aus etwa 44 Prozent der Haushalte wohnen in den eigenen vier Wänden; rund zwei Drittel aller Wohnungen gehören privaten Vermietern. Mit 44 Prozent ist die Eigentumsquote in Deutschland im internationalen Vergleich sehr niedrig, zuletzt stagnierte sie sogar. Die liegt zum einen daran, dass mehr Menschen in Städte ziehen, wo Wohneigentum schwieriger zu realisieren ist. Zudem gibt es weniger Haushalte mit Kindern und Familien haben eine höhere Affinität zum Eigenheim. Auch ist der deutsche Ersterwerber mit durchschnittlich 34 Jahren recht alt. Schließlich ist ein großer Teil der Bevölkerung trotz derzeit günstiger Rahmenbedingungen von der Wohneigentumsbildung ausgeschlossen. Es ist deshalb Zeit für eine neue Wohneigentumspolitik, die breiten Schichten der Bevölkerung den Zugang zu Wohneigentum ermöglicht

Beitrag zur Entspannung städtischer Wohnungsmärkte

2014 und 2015 entstanden von den knapp 250.000 fertig gestellten Wohnungen etwa 60 Prozent im Eigentumssegment. Bedenklich ist allerdings, dass die Fertigstellungszahlen im letzten Jahr insgesamt stagnierten. Wie eine aktuelle Studie von empirica im Auftrag der LBS West belegt, entlastet der Bau von selbstgenutztem Wohneigentum angespannte Mietwohnungsmärkte. Selbst Eigenheime am Stadtrand sorgen innerhalb kurzer Zeit dafür, dass Wohnungen in stark nachgefragten innerstädtischen Lagen für Durchschnitts- und Geringverdiener frei werden. Zwar werden in den untersuchten Städten die frei gezogenen Wohnungen meist teurer weitervermietet. Dies liegt allerdings an der dortigen Knappheit, die nur durch eine Ausweisung von Bauland und mehr Wohnungsneubau bekämpft werden kann. Im Ergebnis zeigen neue Eigenheime – indirekt über die ausgelösten Umzugs- und Sickerketten – kaum geringere Versorgungswirkungen als der soziale Wohnungsbau.

Aktuell konzentrieren sich die wohnungspolitischen Diskussionen und Maßnahmen fast ausschließlich auf den preiswerten Mietwohnungsbau, der in den letzten Jahren stark zurückgegangen war und nun hohen Nachholbedarf hat. Angesichts des zusätzlichen Wohnungsbedarfs in den städtischen Wachstumsregionen gilt es jedoch, auch den Beitrag des Wohneigentums zur Wohnraumversorgung verstärkt ins Bewusstsein zu rufen. Denn gerade die Mischung verschiedener Modelle der Wohnraumversorgung – von privaten, kommunalen, genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen über private Vermieter bis hin zu Selbstnutzern – ist ein Garant für die im internationalen Vergleich ausgewogene Wohnungsmarktsituation in Deutschland. Gerade auch für die Stadtentwicklung müsste das Wohneigentum ein bedeutendes Thema sein, zum Beispiel im Zusammenhang mit der gewünschten sozialen Stabilisierung von Quartieren. Schließlich bietet das Eigentum den besten Schutz gegen Mietsteigerungen und Verdrängung aus angesagten Stadtteilen.

Vermögensbildung und Altersvorsorge

Das Wohneigentum hat aber auch einen hohen Stellenwert für die Vermögensbildung. Gerade für das Alter bietet es eine vergleichsweise sichere, kapitalgedeckte Vorsorge. Mit den sinkenden gesetzlichen Rentenniveaus und dem steigender Risiko der Altersarmut ist dies in dynamischen Wachstumsregionen von großer Bedeutung.

Die aktuelle zweite Panel Studie der Deutschen Bundesbank zu Vermögen und Finanzen privater Haushalte konstatiert, dass die Vermögen in Deutschland sehr ungleich verteilt sind und die Ungleichheit weiter steigt. Dem kann eine verstärkte Wohneigentumsbildung von Haushalten mit geringerem und durchschnittlichem Einkommen entgegenwirken. Denn Wohneigentum ist mit ausschlaggebend für die Vermögenshöhe. So konnten die Hälfte der Haushalte mit Immobilienbesitz ihre bereits höheren Nettovermögen zwischen 2010 und 2014 um mehr als 33.500 Euro steigern. Die Mehrzahl der Mieter dagegen musste sich mit Zuwächsen von weniger als 1.000 Euro begnügen oder sogar Vermögensverluste hinnehmen. Unsere im europäischen Vergleich niedrige Wohneigentumsquote ist auch mit dafür verantwortlich, dass die durchschnittlichen Vermögenswerte in Deutschland vergleichsweise gering sind. Zudem sind die Vermögen so ungleich verteilt sind wie in keinem anderen europäischen Land.

Hohe Erschwinglichkeit von Wohneigentum

Trotz vielerorts steigender Immobilienpreise ist die Wohneigentumsbildung durch das günstige Zinsumfeld derzeit vorteilhaft. So hat das Institut für Wirtschaftsforschung Köln vor kurzem im Auftrag der Bausparkasse Schwäbisch Hall analysiert, dass die laufenden Kosten für Wohneigentümer auch für angespannte Wohnungsmärkte wie Berlin, Hamburg, Köln oder Frankfurt mehr als 30 Prozent unter den Kosten der Mieter liegen. Nach dem IVD-Erschwinglichkeitsindex ist der Erwerb einer Wohnimmobilie so günstig wie seit Jahren nicht mehr. Grund sind neben den niedrigen Zinsen die zuletzt gestiegenen Einkommen.

Steigende Hemmnisse für Schwellenhaushalte und Normalverdiener

Trotz guter Voraussetzungen gibt es zahlreiche „verhinderte“ Wohneigentümer, die gerne Eigentum bilden wollen, dies aber aus unterschiedlichen Gründen nicht können. Gerade für Haushalte mit geringeren und Durchschnittseinkommen hemmen das unzureichende Eigenkapital und die verschärften Kreditvergabekonditionen den Zugang zur notwendigen Finanzierung. Durch die niedrigen Zinsen lässt sich das notwendige Eigenkapital zudem schwieriger ansparen. Die in den meisten Bundesländern stark gestiegene Grunderwerbsteuer und weitere Erwerbsnebenkosten, die aus dem Eigenkapital gedeckt werden müssen, erschweren dies zusätzlich.

Die verschärften Anforderungen für die Kreditwürdigkeitsprüfung durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie tun ihr Übriges. Im Sinne des Verbraucherschutzes muss das Kreditinstitut nachweislich die Wahrscheinlichkeit prüfen und dokumentieren, dass der Kreditnehmer den Kredit über die gesamte Laufzeit aus seinem zu erwartenden Einkommen bedienen kann und damit nicht finanziell überlastet ist. Dazu sind verfügbares Einkommen, Ausgaben sowie andere finanziellen Umstände des Darlehensnehmers eingehend zu prüfen. Da der Kreditnehmer bei einer falschen Kreditwürdigkeitsprüfung den Vertrag fristlos kündigen kann und keine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen muss, befürchten die Kreditinstituten Fehler bei der Prüfung und haben teilweise ihre Kreditvergabe eingeschränkt. So soll seit der Umsetzung der Richtlinie Anfang April 2016 das Immobilienkreditvolumen um 20 bis 25 Prozent gesunken sein. Da der deutsche Immobilienmarkt im internationalen Vergleich besonders solide dasteht, ist zu befürchten, dass der deutsche Gesetzgeber die Hürden zu hoch gesetzt hat. Sollte sich diese Entwicklung im Weiteren abzeichnen, ist eine Überprüfung mit Anpassungen notwendig.

Zusätzlich sollen makroprudenzielle Instrumente eingeführt werden, die die Anforderung an die Kreditwürdigkeitsprüfung weiter erhöhen dürften. Zu den Vorschlägen zählen maximale Beleihungswertgrenzen oder die Vorgabe einer maximalen Quote von Einkommen zur Darlehenslast. Dies würde den Zugang zu Wohnimmobilienkrediten für breite Bevölkerungsschichten weiter einengen. Aufgrund der Schwierigkeiten mit der Wohnimmobilienkreditrichtlinie sind deshalb dringend Nachbesserungen notwendig. Die Ausgestaltung der makroprudenziellen Instrumente muss mit größter Vorsicht erfolgen.

Notwendigkeit einer neuen Eigentumspolitik

Für eine Rückbesinnung auf die Eigentumspolitik wäre vor allem eine stärkere öffentliche Unterstützung von Haushalten mit geringerem und Durchschnittseinkommen beim Zugang zur Wohnungsbaufinanzierung notwendig. Um der Gefahr einer spekulativen Blase zu minimieren, müsste eine entsprechende Wohneigentumsförderung mit langfristig gesicherten Finanzierungskonditionen und kontinuierlichen, hohen Tilgungen gekoppelt werden.

Erfolgen könnte dies zum Beispiel durch staatlich garantierte Eigenkapitalersatzprogramme, die das für Schwellenhaushalte schwer aufzubringende Eigenkapital verringern und gleichzeitig bei der Tilgung unterstützen. Ähnlich wie bei öffentlichen Studienkrediten könnte der Staat durch Tilgungsnachlässe die Bildung von Wohneigentum sowie verstärkte Anstrengungen einer schnelleren Rückzahlung entsprechend honorieren. Zur Familienförderung könnten zusätzlich Kinderprämien gewährt werden. Damit ließen sich die derzeit bestehenden Kostenvorteile des Wohneigentums auch sozial- und familienpolitisch zu nutzen. Für Schrumpfungsregionen könnte dies gezielt für die Bildung von Wohneigentum im innerörtlichen Bestand zum Einsatz kommen, um einem weiteren Flächenverbrauch und dem Verfall der Ortskerne zu begegnen. Um bereits die Erwerbskosten zu reduzieren, sollte eine Befreiung oder Verringerung der Grunderwerbsteuer für Erstkäufer erfolgen.

„ifs Institut Wohneigentum“ befasst sich mit Wohneigentumsthema

Zusammen mit weiteren Verbänden wird sich der DV im Rahmen des neu eingerichteten „ifs Institut Wohneigentum“ und vor allem mit der dazugehörigen Arbeitsgruppe „ifs Wohneigentum“ kontinuierlich mit dem Thema Wohneigentum auseinandersetzen. Ziel ist es, die Bedeutung von Wohneigentum für eine ausgewogene Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik gegenüber Politik und Fachöffentlichkeit herauszustellen. Damit führt der DV die Tradition des Ende 2015 aufgelösten „ifs – Institut für Städtebau, Wohnungswirtschaft und Bausparwesen“ weiter.

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