Energiewende

Ein neuer Ansatz für die Energiewende im Gebäudebereich

von Dr. Josef Meyer, Vizepräsident des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V.

Die Energiewende im Gebäudebereich kommt nicht richtig in Schwung: Die Sanierungsrate liegt seit Jahren unter einem Prozent. Nach der Analyse der Bestandsinvestitionen des BBSR lagen die Ausgaben für energetische Modernisierungen im Wohnungsbau im Jahr 2014 mit 32,5 Milliarden Euro 16 Prozent unter dem Wert von 2010. Dabei zeigt sich, dass die energetischen Maßnahmen an der Gebäudehülle mit 20 Prozent wesentlich stärker von den Rückgängen betroffen sind als der Bereich Energieerzeugung, der um zehn Prozent geschrumpft ist. Mitverantwortlich dafür dürfte der komplexe, ambitionierte ordnungs- und förderpolitische Rahmen sein. Wohnungsunternehmen, Kleinvermieter und Mieter stellen immer häufiger in Frage, dass sich die Zusatzinvestitionen für eine sehr hohe Energieeffizienz über die eingesparten Energiekosten refinanzieren lassen. Zudem bieten die schwer nachvollziehbaren Anforderungen im Ordnungsrecht Raum für Fehlinformationen und Missverständnisse.

Der Gebäudesektor kann einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Insgesamt entfallen 35 Prozent der Endenergie und ein Drittel der Treibhausgase auf Gebäude – und zwar im Verhältnis 60 zu 40 zwischen Wohn und Nichtwohngebäuden. Die Systematik von Ordnungsrecht und Förderung führt derzeit allerdings dazu, dass die CO2-Minderungspotenziale nicht ausreichend genutzt werden. Notwendig ist eine Verbindung von volkswirtschaftlich kosteneffizienten mit betriebswirtschaftlich tragfähigen Lösungen. Denn so wird auch die Sozialverträglichkeit für Verbraucher, Mieter und Bewohner gewährleistet. Vor diesem Hintergrund muss das Energieeinsparrecht für Gebäude dringend auf den Prüfstand; vor allem die Energieeinsparverordnung (EnEV) und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG).

Mehr Technologieoffenheit und Flexibilität erforderlich

Zentral ist ein Verzicht auf Technologiefestlegung. Zudem ist mehr Flexibilität zwischen Maßnahmen zur energetischen Sanierung und einer CO2-armen Energieversorgung notwendig. Eine zusätzliche CO2-Minderung kann durch dezentrale Quartiersversorgungslösungen erreicht werden und indem die Fernwärme über den Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und erneuerbaren Energien angepasst wird. Dies gilt insbesondere dort, wo sehr hohe Effizienzniveaus bisweilen an wirtschaftliche, soziale und baukulturelle Grenzen stoßen, oder wo auf Objektebene gesetzliche Vorschriften und ein limitiertes Flächenangebot den Einsatz von erneuerbaren Energien beschränken.

Derzeit bildet die EnEV einen sehr starren Rahmen, da sie vornehmlich auf Gebäudeeffizienz ausgerichtet ist. Maßnahmen einer CO2-armen Energieversorgung werden in dieser Systematik zu wenig anerkannt. Im Wettbewerb um die besten Lösungen zur CO2-Einsparung gilt es jedoch, die technologische Innovationskraft nicht einzuschränken. Je nach lokaler und gebäudeindividueller Ausgangslage muss es möglich sein, die gesamte Bandbreite an Technologien zur regenerativen Energieerzeugung und Effizienzverbesserung im Gebäude einzusetzen und zu kombinieren.

CO2-Ansatz bei der energetischen Gebäudebewertung

Deshalb sollte die EnEV direkter auf die Klimaschutzziele ausgerichtet werden. Eine Berücksichtig des CO2-Ausstoßes als Kriterium für die energetische Gebäudebewertung in der EnEV eröffnet den Einsatz technologieoffener und flexibler Lösungen. Dazu ist ein alternativer, CO2-basierter Ansatz zur energetischen Gebäudebewertung zumindest parallel zur geltenden EnEV-Systematik anzuwenden. Kurzfristig muss dafür eine Methodik zur Deklaration der CO2-Emissionen im Gebäudesektor entwickelt werden. So kann bei der Bilanzierung von Neubau und Sanierungen die CO2-Minderung ermittelt werden. Die geplante Zusammenlegung von EnEV und dem EEWärmeG bietet hierfür gute Möglichkeiten, da die im EEWärmeG geforderte anteilige Nutzung erneuerbarer Energien einen erheblichen Einfluss auf den Primärenergiebedarf nach der EnEV hat. Konsequenterweise sollten die Möglichkeiten zur Erfüllung der Anforderungen über versorgungsseitige Maßnahmen erweitert und flexibler gestaltet werden.

Energetische Quartiersansätze

Gleichzeitig müssen energetische Quartiersansätze Eingang in Ordnungsrecht und Förderpolitik finden. Dazu ist die EnEV in Verbindung mit dem EEWärmeG um einen gebäudeübergreifenden Quartiersansatz zu ergänzen. Die Quartiersbetrachtung ermöglicht eine größere Bandbreite an Sanierungsvarianten, bei denen Einsparpotenziale mit dezentralen Versorgungkonzepten verbunden werden. Dies bringt einen Mehrwert gegenüber der Einzelgebäudebetrachtung. Relevante energetische Zielgröße für das Quartier könnte die CO2-Einsparung gemeinsam mit einer zu erreichenden Sanierungsrate von zum Beispiel zwei Prozent sein. Die Summe der CO2-Einsparungen führt dabei nicht zu einer Absenkung der energetischen Standards. Es bleibt aber technologieoffen, wie die Einsparziele im Quartier erreicht werden.

Integrierte energetische Quartierskonzepte verknüpfen energetische Maßnahmen mit demografischen, wohnungswirtschaftlichen, sozialen, städtebaulichen und baukulturellen Aspekten. Sie berücksichtigen dabei Wechselwirkungen und versuchen, Zielkonflikte auszugleichen. Differenzierte lokale Ausgangssituationen können mit einem aufeinander abgestimmten Maßnahmenbündel gezielter bearbeitet werden. Die Einbeziehung öffentlicher und gewerblicher Immobilien in gemeinsame Energieversorgungslösungen erbringt zusätzliche Potenziale.

Das Quartier stellt darüber hinaus die Verbindung zwischen Einzeleigentümern und politischer Ebene her. Es ist der zentrale Handlungsraum, um Bürger und Unternehmen mitzunehmen und sie aktiv an der Energiewende zu beteiligen. Im Quartier können durch entsprechende Kommunikation und Beratung mehr Eigentümer für energetische Sanierungen gewonnen werden.

Aktivierung der Eigentümer

Ohne eine breite Aktivierung der Gebäudeeigentümer für energetische Modernisierungen wird die Energiewende im Gebäudesektor nicht gelingen. Hierfür ist eine qualitative sowie quantitative Ausweitung des Informations- und Beratungsangebots dringend erforderlich. Insbesondere Kleinvermieter, Selbstnutzer und Wohneigentümergemeinschaften, die gut 80 Prozent aller Wohnungen besitzen, benötigen eine gezielte Unterstützung bei der Planung, Finanzierung und Durchführung energetischer Maßnahmen.

Die Praxis zeigt, dass eine aufsuchende, individuelle Beratung durch vertraute Ansprechpartnern vor Ort erfolgsversprechend ist. Dabei werden die individuelle Motivation, Kapazitäten und Lebenssituation von Eigentümern und Mietern und die spezifische Gebäudestruktur berücksichtigt. Auch die lokal differenzierte immobilienwirtschaftliche Situation und die Versorgungsinfrastruktur werden einbezogen.

Um die Eigentümer mit ihren Interessen und Motivationen abzuholen, ist eine ganzheitliche Modernisierungsberatung wichtig. Dabei sollte nicht nur die Energieeffizienz und -versorgung betrachtet werden. Auch bzw. gerade die Verbesserung von Wohnkomfort, vor allem was Raumklima und Licht betrifft, sowie die Beseitigung grundlegender baulicher Mängel sollten angesprochen werden. Dazu gehört ebenfalls, das Nutzerverhalten mitzudenken. Um technische Möglichkeiten zu nutzen und optimal einzusetzen, sind leichte Bedienbarkeit und die unkomplizierte Integration in alltägliche Handlungsmuster unabdingbar.

Ergebnisse in fachpolitischen Debatte eingebracht

Diese und weitere Empfehlungen seiner Arbeitsgruppe „Energie, Immobilien und Stadtentwicklung“ bringt der DV in die kontroverse Debatte zur Weiterentwicklung des Energieeinsparrechts zwischen Bund und Ländern ein. Seine Vorschläge untersetzen insbesondere die Position der Bauministerkonferenz. Diese fordert eine strukturelle Neukonzeption von EnEV in Verbindung mit dem EEWärmeG: So soll die Optimierung einer hohen Klimaschutzwirkung mit niedrigen Bau- und Bewirtschaftungskosten vereinbart und mehr Technologieoffenheit sowie eine Vereinfachung erreicht werden. Der DV hat die in der AG erarbeiteten Ergebnisse an die Mitglieder der Bauministerkonferenz der Länder, die zuständigen Bundesministerien sowie die fachpolitischen Vertretern der Bundestagsfraktionen geschickt.

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