Energiewende

Eine Frage der Kombination: Passt die Energieeffizienzstrategie für Gebäude?

Von Christian Huttenloher, Generalsekretär des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V.

Ende des Jahres 2015 hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) die „Energieeffizienzstrategie Gebäude“ vorgelegt. Diese betont einmal mehr die Bedeutung des Gebäudebereichs für die Energie- und Klimaschutzziele. Etwa 35 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs und ein Drittel des CO2-Ausstoßes entfallen auf Wohnungs- und Wirtschaftsbauten. Auf Grundlage wissenschaftlicher Szenarien erörtert die „Energieeffizienzstrategie Gebäude“ Wege zu einem nahezu klimaneutralen Gebäudebestand, der im Jahr 2050 achtzig Prozent weniger Primärenergie verbraucht als heute. Dazu erörtert das Ministerium zwei Maximalszenarien: In dem einen liegt der Schwerpunkt auf der maximal möglichen Steigerung der Energieeffizienz durch energetische Sanierung, bei der anderen wird der Einsatz von erneuerbaren Energien in Gebäuden so weit wie möglich erhöht.

Zwei Szenarien zum Erreichen des 80-Prozent-Ziels

Berücksichtigt man technische und wirtschaftliche Restriktionen, so geht das Ministerium davon aus, dass maximal 54 Prozent der Endenergie durch energieeffizientere Gebäude eingespart werden können. Um auf die avisierten 80 Prozent Primärenergieeinsparung zu kommen, müssten  57 Prozent des Energiebedarfs durch erneuerbare Energien bereitgestellt werden. In diesem „Effizienz-Szenario“ würde der Primärenergieverbrauch von Wohngebäuden im Mittel aller Gebäude bei 44 Kilowattstunden pro Quadratmeter liegen, was dem Standard des KfW-Effizienzhauses 55 entspricht. Der Anfang des Jahres erhöhte EnEV-Standard für den Neubau entspricht dem KfW-Effizienzhaus 70.

Beim Alternativ-Szenario „Erneuerbare Energien“ würde sich der Anteil Erneuerbarer im Gebäudebereich von derzeit 14 auf 69 Prozent erhöhen. Dann wären lediglich weitere Effizienzsteigerungen von 36 Prozent notwendig. Dies entspräche einem mittleren Primärenergieverbrauch von 105 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Allerdings müsste durch den höheren Strombedarf der Ausbaupfad für Erneuerbare bei der Stromerzeugung angepasst werden. Zudem gilt es, Nutzungskonkurrenzen und wechselseitige Abhängigkeiten zwischen Strom, Gebäuden, Industrie und Verkehr zu beachten. Der der derzeit angenommene Ausbaupfad begrenzt die Nutzung erneuerbarer Energien für Raumwärme und Warmwasser, vor allem bei der Biomasse.

Gleiches Ergebnis, unterschiedliche Kosten

Das avisierte Ergebnis ist dasselbe, die Kosten für die beiden Modell-Alternativen unterschieden sich allerdings deutlich. Der „Effizienzpfad“ wäre teurer, mit 1.535 Euro Milliarden Vollkosten der Sanierung und 562 Milliarden Euro anteiliger energiebedingter Mehrkosten. Das Maximalszenario „erneuerbare Energien“ kommt auf Vollsanierungskosten von 1.137 Milliarden Euro und energiebedingte Mehrkosten von 384 Milliarden Euro. Noch deutlicher sind die Unterschiede bei der Entwicklung der Wohnkosten. So würde das Effizienzszenario zu einem Anstieg der warmen Wohnkosten um etwa zehn Prozent führen, das Szenario „Erneuerbare Energien“ nur um 3,5 Prozent.

Richtige Kombination muss je nach Einzelfall entschieden werden

Beide Szenarien verdeutlichen aber auch, dass auf dem Weg zum nahezu klimaneutralen Gebäudebestand noch mehr Anstrengungen und Investitionen als bisher notwendig sind. Bei einer Fortschreibung der derzeitigen Aktivitäten würde die Energieeffizienz nur um 30 Prozent steigen, der Anteil erneuerbarer Energien auf 45 Prozent. Die Energieeffizienzstrategie Gebäude zeigt allerdings sehr deutlich, dass auf dem Weg zur 80-Prozent Marke dringend ein flexibler und technologieoffener Zielkorridor verfolgt werden muss, der sowohl die Maßnahmen zur Energieeffizienz als auch den Ausbau der erneuerbaren Energien im Zusammenwirken berücksichtigt und unterschiedliche Kombinationen beider Ansätze erlaubt. Welche Ergebnisse energetische Maßnahmen im Gebäudebereich im Einzelfall erreichen – eine höhere Effizienzsteigerung oder einen höheren Anteil Erneuerbarer – wird sich je nach Gebäudebestand und lokalen Energieversorgungsmöglichkeiten unterscheiden.

Klimaschutzplan des BMUB setzt nach wie vor auf Energieeffizienz

Die „Energieeffizienzstrategie Gebäude“ zeigt damit einen anderen, flexibleren und technologieoffeneren Pfad auf als die bisherigen Klimaschutzansätze aus dem Umweltbereich. Diese setzen nach wie vor einseitig auf Energieeffizienz und Energieeinsparungen sowie auf weit stärkere Verpflichtungen. Die geltenden Effizienzanforderungen sollen weiter verschärft werden – ohne die Kostenseite und die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen zu berücksichtigen. Dies verdeutlicht auch die Entwurfsfassung eines umfangreichen Maßnahmenkatalogs zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 in allen Sektoren, den ein wissenschaftliches Konsortium derzeit im Auftrag des Bundesumweltministeriums (BMUB) erarbeitet. In den noch unveröffentlichten Entwürfen werden unter anderem folgende Maßnahmen für den Gebäudebereich vorgeschlagen: Die Energieeffizienz-Standards im Neubau sollen rasch deutlich erhöht werden. Für den Bestand sollen Energieeffizienzklassen wie bei Elektrogeräten eingeführt werden, und bis 2050 schrittweise höhere Effizienzanforderungen an die Gebäude gestellt werden. Die Höhe der Grundsteuer soll an den Energieeffizienzstandard der Gebäude gekoppelt werden.

„Energieeffizienzstrategie Gebäude“ unterstützt Flexibilität

Die „Energieeffizienzstrategie Gebäude“ setzt hier ganz andere Akzente und konzentriert sich mehr auf Freiwilligkeit, Anreize, Technologieoffenheit und Flexibilität. Soziale und wohnungspolitische Auswirkungen werden unmittelbar thematisiert. Auch die Ergebnisse des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen finden Berücksichtigung. So würdigt die Strategie auch den gebäudeübergreifenden Ansatz einer integrierten energetischen Stadt- und Quartierssanierung, der in seiner Wirkung gestärkt werden soll. In Ergänzung zu den bereits vorhandenen Förderprogrammen, die bislang nur Konzepterstellung und Umsetzungsmanagement fördern (z.B. Nationale KlimaschutzinitiativeKfW‐Programm „Energetische Stadtsanierung“), schlägt das BMWi eine direkte Investitionsförderung für energetische Quartierskonzepte vor, damit diese vermehrt in die Praxis umgesetzt werden.

Darüber hinaus schlägt die „Energieeffizienzstrategie Gebäude“ vor, die Energieberatung zu einem flächendeckenden, abgestimmten Angebot mit einheitlichen Qualitätsstandards und regional vernetzten Akteuren weiterzuentwickeln. Gebäudeindividuelle Sanierungsfahrpläne sollen den Gebäudeeigentümern eine standardisierte, leicht verständliche Strategie zur energetischen Sanierung bieten. Diese kann dann über einen Zeitraum von mehreren Jahren durch eine sinnvolle Reihenfolge von Einzelmaßnahmen umgesetzt werden. Und schließlich sollen Förderinstrumente weiterentwickelt werden, um die Sanierungsdynamik zu steigern. Die Kombination von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien soll durch Paketlösungen gezielt gefördert werden. Besonders innovative Einzel-Sanierungsmaßnahmen sollen eine bessere Förderung erhalten. Und die Kopplung der Sektoren Wärme und Strom soll gestärkt werden (z.B. Wärmespeicher, IT‐Schnittstellen).

Ausrichtung allein auf Effizienz nicht zielführend

Insgesamt lässt sich aus der Energieeffizienzstrategie Gebäude klar ableiten, dass eine zu einseitige und ambitionierte Ausrichtung auf Effizienz nicht zum Ziel führt. Sie ist deutlich teurer und weniger sozialverträglich. Zudem dürften durch weitere Innovationen und Kostensenkungen die Potenziale erneuerbarer Energien in absehbarer Zeit steigen, was bei der Dämmung nicht zu erwarten ist. Das BMWi geht damit – anders als der Umweltbereich des BMUB - aus Sicht des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung – in die richtige Richtung.

DV plädiert für stärkere Ausrichtung auf CO2-Minderung

In der AG Energie des Verbandes wird unter Leitung von Prof. Dr. Töpfer intensiv darüber diskutiert, Ordnungsrecht und Förderung künftig stärker auf die CO2-Minderung auszurichten, anstelle auf den Primärenergiebedarf bzw. Transmissionswärmeverluste. Damit ließe sich eine größere Technologieoffenheit und Flexibilität sicherstellen und die Klimaschutzziele könnten wirtschaftlicher und sozialverträglicher erreicht werden. Die Bauministerkonferenz prüft dazu bereits eine entsprechende Anpassung der Energieeinsparverordnung sowie eine engere Verzahnung oder Zusammenlegung mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz. In letzter Konsequenz würde dies aber auch bedeuten, dass ab 2021 ein „Niedrigst-Emissionsstandard“ für Gebäude eingeführt wird, und nicht ein „Niedrigst-Energiestandard“, wie es derzeit noch von der Europäischen Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie gefordert wird. Darauf hat der DV bereits in einer Stellungnahme seiner AG Europa hingewiesen, die sich mit der Konsultation der EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden auseinandersetzt.

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